Rechnung der Lotteriekasse, d. h. etwaige Gewinne fallen der Lotteriekasse zu. Kauflos sind diejenigen Lose, welche erst für die zweite, dritte und vierte Klasse verkauft werden. Für sie sind die Einsätze, Schreibgebühren und Rcichsstempclabgabcn der ersten Klasse nachzuzahlen. Um zum Spiel zu reizen, fallen die größeren Gewinne und Gewinnchancen in die höheren Klassen. Auf die erste entfällt ein Zwölftel, auf die zweite ein Zehntel, auf die dritte ein Achtel und auf die vierte Klasse der Rest(zirka zwei Drittel aller Treffer). Der niedrigste Gewinn beträgt für die Klassen 1 bis 4; 60, 110, 160 und 210 M., der höchste Treffer 30 000, 4S 000, 60 000 und 500 000 M. Der Preis eines ganzen Loses beträgt für jede Klasse 3g M., 1 M. Schreibgebühr pro Klasse für den Loseinnehmer und die lOprozentige Rcichsstempelabgabe (4 M.), die der Losverkäufer für jedes Los zu übernehmen hat. Gewerbsmäßiges Feilbieten von Losanteilen, die kleiner sind als ein Zehntel, wird mit Geldstrafen geahndet. Die Lotterie- einnehmer, meist Wohlhaberide, dem Kaufmannsstande angehörende Leute, die eine Kaution von wenigstens 12 000 M. stellen können, besorgen den Verschleiß der Lose und erhalten für ihre Mühe- waltung 1,5 Proz. des in ihre Kollekte entfallenden Gewinn- betrages. Seit 1888 verschafft sich der Fiskus noch einen Extra- rebbach durch einen ganz sinnwidrigen Abzug von den Gewinnen von 15,8 Proz.für die Unkosten". Welche Kapitalien beim Lotteriespiel in Preußen umgesetzt werden, ergibt sich schon daraus, daß die Brutto-Einnahmen der Preußischen Klassenlotterie für 1905 nicht weniger als 96,81 Millionen Mark betragen. Dabei ist die Spielsucht in allen Be- Völkerungsklassen verbreitet. Zwar wurde gelegentlich der Be- ratung des Staatshaushaltsetats für das Jahr 1886/87 von einem Regierungsvertreter im Abgeordnetenhause erklärt, es sei 1883 durch amtliche Erhebungen festgestellt worden, daß in sämtlichen Staatslotterie-Kollekten etwa 97% Proz. der vertriebenen Lose von Personen der wohlhabenden Klassen gespielt wurden, mithin nur 2% Proz. auf die minderwohlhabenden Spieler entfielen. Das ist natürlich der helle Unsinn. Denn wie will die Finanzverwaltung feststellen, wer von den Spielern wohlhabend ist und wer weniger? Und was heißt wohlhabend? Das ist Statistik von jener Sorte, die von vornherein die Gewähr bietet, daß sie wertlos ist; mit ihr kann man alles beweisen. Die Regierung hat sie auch nirgends veröffentlicht ein schlechtes Anzeichen, so daß man nach- prüfen kann. Noch wahrscheinlicher ist aber, daß die Zahlen einfach aus der Luft gegriffen waren, daß die Regierung gar keine Er- Mittelungen angestellt hat. Und was will man schließlich damit beweisen? Wird die Einnahmequelle des Staates aus der Lotterie etwa dadurch moralischer, daß die Gelder aus den Taschen der Wohlhabenden fließen? Mit ihrer Argumentation müßte die Rc- gierung konsequenterweise zur sofortigen Auflösung der Lotterien schreiten, denn wenn die Lotterieeinnahmen doch von den Besitzenden stammen, dann können sie das Geld auch ohne Lotteriespiel direkt blechen! Der Staat hätte dann den Vorteil, eine absolut sichere und vor allen Dingen weniger anrüchige Einnahmequelle zu haben. Auch vom Gesichtspunkte der bürgerlichen Volkswirtschaft aus ist ja der Akkumulationsprozeß des Geldes gar nicht so erwünscht, weil er die von ihr so beklagten riesigen Besitzesunterschiede nur noch vergrößert. Aber alle die moralischen Mäntelchen verfangen ja nicht mehr! Der Regierung kommt es nur darauf an, eine unabhängige und flott rieselnde Einnahmequelle zu haben; alles andere ist ihr höchst gleichgültig. Das erkennt man aus der ganzen Finanzierung der preußischen Klassenlotterie. Wenn es der Regierung nur darauf ankäme,den Spieltrieb der Bevölkerung abzulenken", so müßte doch die Lotterie so eingerichtet sein, daß sie nicht zu un- günstige Gewinnchancen bietet! Das ist aber keineswegs der Fall! Zwar wird zugunsten der preußischen Klasscnlotterie immer an- geführt, daß auf die Hälfte aller ausgegebenen Lose Gewinne fallen; aber das begründet doch ni# die Güte der Lotterie. Man mutz sich die Gewinne ansehen!- Die größte Zahl der Gewinne in der ersten Klasse sind so gering, daß nach Abzug des Freiloses und der gesetzlichen Abzüge, Gebühren und Stempelkosten nur wenige Pfennige(5,42 M. auf V. Los!) zur Auszahlung verbleiben. Ja, die Gewinnhoffnung ist bei der preußischen Klassenlotterie, zumal für die vor der vierten Klasse austretenden Spieler, weit geringer als bei dem von allen modernen Glücksspielen die schlechtesten Chancen bietenden Promesscnspicle. Ein Spieler, der nach der ersten Klasse austritt, hat nämlich den Wert feiner Gewinn- Hoffnung mehr als 17 mal, der nach der zweiten Klasse austritt, mehr als 10% mal und der nach der vierten Klasse austritt, mehr als 7 mal überzahlt. Eine Ucbcrzahlung der Gewinne seitens der Mitspielenden findet selbstverständlich bei jeder Lotterie statt, denn daraus fließt ja der Unternehmergewinn, der in Preußen nach unseren Angaben nicht gering ist. Es ist für den Charakter der Regierungen derjenigen Staaten, die Lottericn in eigener Verwaltung haben, typisch, in wie leicht- fertiger Weise sie die wirtschaftlichen und sittlichen Gefahren, die mit Wette und Glücksspiel allgemein verbunden sind, in Kauf nehmen. Aber nicht nur dies! Sie verkuppeln auch gegen die Er- trägnisse der Lotterien den sittlichen Ruf einer Institution des Staates nämlich, die vor allen anderen eifrig darüber wachen sollte, sich in jeder Beziehung sauber und makellos zu erhalten, um ihre ethischen und ökonomischen Aufgaben zu erfüllen, um Funktionen, wie ihrer Rechtsprechung usw., den gehörigen sittlichen Rückhalt zu geben. Das tut man in Preußen nicht. Seit langem ist durch die gute Finanzlage die günstigste Gelegenheit vorhanden, die Lotterien aufzuheben. Bis zum Jahre 1886/87 bestand die preußische Klasscnlotterie aus 80 000 Stamm- und 15 000 Frei- losen. Im folgenden Jahre erfolgte eine Verdoppelung und bereits fünf Jahre später eine weitere Vermehrung der Lose auf den jetzigen schon angegebenen Stand. Es ist die Pflicht des Staates, einer Einnahmequelle zu entsagen, die mehr als jeder anderen das Odium des Stinkcns anhaftet. Aber es ist ja das allgemeine Kennzeichen unserer ganzen Finanzverwaltung, daß sie größtenteils auf Einnahmen aufgebaut ist, die sittlich wie ökonomisch höchst anfechtbar sind. Allerdings darf man nicht ver- gcssen, daß die meisten Ausgaben dieser Einnahmen würdig sind! Aber nicht nur die Aufhebung der eigenen Lotterien ist vom Staate zu fordern, sondern auch das ganz allgemeine Verbot jedweder Art von Lotterien sowie das Spielen in ausländischen Lotterien, unter Strafe der Kassierung des ganzen Gewinnes. Auch Lotterien zu sogenannten wohltätigen Zwecken sind nicht zu gestatten; denn wo öffentliche Interessen vorliegen, hat sich die Allgemeinheit ihrer zu bemächtigen. Wenn keine Gelegenheit vorhanden ist, demSpieltriebe" zu frönen, so wird er ver- schwinden. Immerhin dürfen wir uns keinen allzu großen Hoffnungen hingeben. Der Spieltrieb in seiner allgemein schädigenden Form ist weniger eine individuelle als eine gesell- schaftliche Eigenschaft, die gewissen gesellschaftlichen Formen ein- fach anhaftet. Die Glücksspiele sind eigentlich echte und rechte Kinder des Kapitalismus  . Erst mit seinem Aufblühen waren die Bedingungen gegeben, unter den sie ihr wahres Wesen zur schädigenden Entfaltung bringen konnten. Erst mit ihm werden seine schlechten Kinder verschwinden. F. W. Kleines f euilleton. Literarisches. JbsenS Werke in der Volksausgabe. Das große Erbe des kühnen Gedankenaufregers und Problemdramatikers Ibsen  , der in Deutschland   so heimisch wurde, wie in den Nord- ländern, lag in einer mustergültigen lObändigen deutschen Ausgabe vor, die nur den einen Fehler hatte, für kleine Kassen zu kostspielig zu sein. Die Erben des Dichters und der deutsche Verleger haben nunmehr eine wohlfeile volkstümliche Ausgabe veranstaltet, die wie die große Ausgabe von Julius Elias   und Paul Schienther besorgt wurde. In fünf schmucken Ganzleinenbänden liegt die Volksaus- gäbe vor, der Text ist nochmals revidiert worden Ein Lebens- abriß, der mit einem Bild des alten Ibsen geschmückt ist, wir hätten lieber ein jüngeres Porträt gesehen sowie kurze Ein­leitungen begleiten den Text. In chronologischer Reihenfolge werden die Gedichte und sämtliche Dramen außer den romantischen der ersten Frühzeit, die nur den Forscher interessieren, darunter auch derCatilina  ", geboten. Die Prosaschriften, Reden und Briefe sind fortgeblieben. Unseren Bibliotheken sei die Ausgabe, die bei S. Fischer, Berlin  , erschienen ist und gebunden 15 M. kostet, zur Anschaffung empfohlen. Im gleichen Verlage erschien als Sammelbuch aus Ibsens  Werken, Briefen, Reden und AufsätzenDas Jbsenbuch", herausgegeben von Hans Landsberg(Geh. 2 M., geb. 3 M.). Ibsens   Person und Anschauungen sollen durch eigene Bekenntnisse beleuchtet werden. Wem die große Ausgabe der Werke nicht zu- gänglich ist, wird hier Wichtiges und Interessantes genug finden. Sieben Porträtbilder zeigen, wie der Charakterkopf Ibsens   sich im Lauf der Jahre modelte und sich immer?» schärfer herausbildete. Aus den Dramen Bruchstücke zu bieten, scheint uns nicht sehr glücklich, denn nur das ganze Drama zeigt uns jeweils Ibsens  Stellung zu diesem oder jenem Problem. Es hat aber den Vorteil, markante Stellen in einem handlichen Brevier vereinigt zu haben. Mnsik. Am Mittwoch gab uns das Sommergastspiel des Central- theaters bei Kroll wieder mit einer V o l k s o p e r" zu tun. Wir haben schon mehrmals auf das Unsichere und Gefährliche dieser merkwürdigen Kategorie aufmerksam gemacht. Handelt es sich doch meistenteils um eine Ausrede oder dergleichen! Selten gc- lingt die Absicht einer Volkstümlichkeit wenigstens soweit, wie dies vor einigen Jahren mit der komischen OperDer zerbrochene Krug  " von Georg Jarno   der Fall war. Diesmal kam keine Novität, sondern wieder eine Ausgrabung:Die sieben Schwaben" von dem 1899 gestorbenen Karl Millöcker  , die zum ersten Mal 1887 ins Leben getreten waren. Volkstümlich ist das Werk einerseits durch seine tatsächlich an Volkslieder erinnernden Me» lodien und durch seinen gut heimischen Text. Allerdings haben die sieben Schwaben hier nicht wesentlich mehr zu tun, als daß sie mit ihrem langen Speer hereinkommen und sich überflüssig machen. Im übrigen aber entrollt uns die Handlung wenigstens ein sympathisches Bild aus dem württembergischen Städteleben. In welcher Weise sich hier eine Liebesgeschichte mit den Staats- Händeln verquickt, ist so nebensächlich, daß diese Andeutungen als Inhaltsangabe genügen können. Zudem stammt der Text von