— 426—Er lachte und cuch Regine lachte, und lachend rief sie:�hr mögt's auch arg getrieben haben! Da wird's eine Fraueinmal schwer mit Euch haben."„O," versetzte er,„ich bin«in seelensguter Kerl, aberman muß mir im Guten kommetj. Im Guten kann micheiner um den kleinen Finger wickeln, und eine Frau ist keinDienstbote."Er blinzelte Regine mit seinen kleinen Augen verliebtan, und sie sah züchtig vor sich nieder.„Ihr habt auch wohl im Guten eine schwere Hand, dasbemerkt' ich vorhin im Stalle," warf Petermann zwarscherzend, doch bedeutungsvoll hin. Er kannte die Welt unddie Menschen, und er fand an dem Burschen kein allzugroßesWohlgefallen. Wäre derselbe nicht so reich gewesen, er hättedeutlicher gesprochen.Regine ließ den Wink des Vaters unbeachtet. Sie fandalles gut, was Fried sagte, sie lachte herzlich über seine nichtgerade feinen Späße und versicherte jedesmal, daß sie soin ihrem Leben noch nie gelacht hätte, sie schmeichelte undstreichelte seine Schwächen mit so sanften Händen, daß ersich immer heimischer fühlte, immer vergnügter wurde.Während Regine die Netze ihrer Liebenswürdigkeit nachdem Goldfische auswarf, saß Marie in der Wirtsstube amOfen und bemühte sich, ihr Spinnrad wieder in Ordnungzu bringen. Es brannte nur ein dünnes Unschlittlicht in derniedrigen, einsamen Wirtsstube, und das Licht hatte einelange Schnuppe. Marie bemerkte das nicht. Ihr Auge warauf das Spinnrad gerichtet, aber ihre Gedanken waren wohlnicht bei dem Geschäft. Denn nach einer Weile sanken ihr dieHände in den Schoß und ihr Kopf neigte sich noch tiefer hinab.Plötzlich fuhr sie wie erschreckt auf. Eine Träne war aufihre Hand gefallen. Sie weinte und sie hatte es nicht ge-wüßt.O, wie viel Tränen hatte sie nicht geweint seit jenemPfingstabend, wie oft nicht nächtens in ihrer Kammer aufden Knien gelegen und mit gerungenen Händen zu ihrerMutter emporgerufen nach Rettung und Erbarmen! Ihreentzündeten Augenlider zeugten von diesen heimlichenTränen, ihre bleichen Wangen von dem Jammer in ihremHerzen. Ja, die Rosen der Liebe waren auf ihren Wangenverwelkt. Ihre Gestalt war hagerer geworden und ihrschönes Haar nicht so sorgsam geglättet wie früher. Sie hattesich immer sehr sauber gehalten, sauberer noch, seit Gottliebsie liebte. Sie hatte gestrebt, in ihrer ärmlichen Tracht sogefällig und zierlich wie möglich vor ihm zu erscheinen. Jetztverriet sich eine leise Vernachlässigung in ihrem Aeußeren.Sie wischte mit dem Rücken der Hand die Tränen aus denAugen, putzte das Licht und begann wieder mit dem Radesich zu beschäftigen.Die Schwarzwälder Uhr in der Wirtsstube begann zuschnurren, über dem Zifferblatt sprang ein Türchen auf, einKuckuck kam zum Vorschein und schrie sechsmal. Wie derletzte Ruf verhallt war, trat Gottlieb herein. Marie schobdas Spinnrad nicht beiseite, sie sprang nicht auf und flogihm entgegen wie sonst. Sie sah mit einem traurigen Blicknach ihm hin.„Guten Abend, Marie!" sagte er mit einer dumpfen,freudlosen Stimme, indem er sich zu ihr auf die Ofenbanksetzte.Marie erwiderte seinen Gruß kaum hörbar. Dannschwiegen beide. Aus der Herrenstube tönte Regines lautesLachen.Gottlieb hatte die Hände auf seine Knie gelegt undblickte zwischen diesen in tiefem trüben Sinnen auf denBoden. Marie hatte aufgehört zu spinnen und starrte vorsich in den Schoß. Endlich fuhr sich Gottlieb mit der Handüber Stirn und Augen und murmelte:„Es kann nimmer so weiter gehen, Marie. Es gehtnicht!"„Ich überleb's nicht," wimmerte sie und bedeckte sich dasGesicht mit den Händen. Sie schluchzte leise.„Jesus! Jesus!" ächzte er, worauf er fortfuhr:„Weinenicht, Marie! Du sollst nicht mehr weinen! Ich Hab Dirwas zu sagen, ich hab's mir überlegt."Er zog ihr sanft die Hand von dem Gesicht und hieltdieselbe fest, während er mit finsteren Brauen sagte:„Wir haben auch keinen Pfarrer gebraucht, als wir unssagten, daß wir uns lieb hätten. Und wir brauchen ihn jetztauch nicht. Wir sind Mann und Frau und Gott weiß es."Eine flüchtige Röte überzog bei diesen Worten Mariensbleiche Wangen, während sie Gottlieb fragend, zweifelndansah.-„Ich versteh' Dich nicht," sagte sie.„Was meinst?"„Es hat mir im Sinne gelegen," entgegnete er,„seitseit— Du weißt schon.— Und ich hab's seitdem angesehenvon allen Seiten und, Marie, Mann und Frau, die gehöxenzusammen."�Fortsetzung folgt.)lNachdruck verVoten.)Kandidat Xacdcmann.von Carl Busse.(Schluß.)Prachtvoll, meine Herren— gar nichts dagegen zu sagen.Zuerst ist er wohl ein wenig schüchtern, aber dann legt er los.Er wird warm, er begeistert sich, man fühlt förmlich, er ist ein ge-borener Lehrer, man fühlt, wie lieb er seinen Beruf hat.Als der Pedell läutet, will er gar nicht aufhören, bis ich ihmeinen Wink gebe. Und als ich ihm nachher sage, wie zufriedenich sei, wird er mir ganz rot vor Freude.„Nur, mein lieber Tiedemann, halten Sie mir die Klasse besserin Zucht! Fester Zügelgriff— los!"Schön. Es vergehen acht, es vergehen vierzehn Tage. MeineStandrede scheint vorzuhalten: der Kandidat bringt auch keinen zurAnzeige.Da sitz ich nachmittags mal in meinem Zimmer— dem Amts-zimmer— und erledige ein paar Einlaufe. Irgendeine Klassemuß lärmen: eS liegt mir im Ohr. Ich horche— und plötzlichwird eine Tür geöffnet— ein lärmendes Brausen— die Türfliegt zu— Schritte über den Korridor wie die eines Flüchtlings—ein Klopfen, und ohne das„Herein" abzuwarten, tritt HeinrichTiedemann über die Schwelle.Ganz gebrochen, fahl, verzweifelt:„Herr Direktor...!"Ein Blick auf den Stundenplan; danach hatte er jetzt zu unter-richten.„Was ist passiert? Ein Schüler...?"ES ist ja etwa vor einem Jahre ein JunM mitten in derStunde gestorben. Ich dachte sofort an was Aehnliches.Aber nein— die Schüler, die Quintaner hatten ihn einfachrausgegrault.Bruchstückweise krieg ich eS aus ihm heraus.' Schon seit Tagenhatte der alte Lärm wieder begonnen. Er hatte nicht gewagt zustrafen oder anzuzeigen. Und als die Bengels sahen, daß er jedeFrechheit durchgehen ließ, kannte ihr Uebermut keine Grenzen mehr.An der Tafel hatten sie ein Verschcn geschrieben: Tiedemann,Tiedemann— hat zu kurze Hosen an, oder eine ähnlich geistreicheDichtung. Ahnungslos war er davor getreten, um etwas an-zuschreiben. Er sieht die Worte.— da lacht hinter ihm die ganzeKlasse. Dreht er sich um, sind die Schlingels ruhig.„Wer hat dasgetan?" fragt er. Brummen, Summen— keiner weiß was. Ererkennt die Schrift.„Körner," ruft er,„das bist Du gewesen—kein anderer!" Der streitet auf Tod und Leben, die Klasse murrt,der Kandidat fühlt schon, daß von seiner Festigkeit jetzt alles ab-hängt. Und so zwingt er sich dazu zu sagen:„Körner... zweiStunden Arrest. Ich werde Dich außerdem dem Herrn Direktoranzeigen."Erst sind die Quintaner verdutzt. Dann steht ein Junge auf,ein von Oertzcn, mit einer frechen Ruhe:„Körner hat es nicht ge-tan. Ich Hab mit ihm gesprochen. Die anderen können es be-zeugen— er war in der Pause gar nicht an der Tafel." Und dieganze Klasse schreit begeistert:„Er war es nicht!" Der Bengelselber:„Ich lasse mich nicht verleumden, ich geh' selbst zum HerrnDirektor!"Ein toller Lärm. Heinrich Tiedemann verliert den Kopf.„Dann nehm' ich die zwei Stunden Arrest zurück— ich willkeinen verleumden!"Aber da geht der Tanz erst recht los. Körner macht jetzt einenSport daraus, herzerweichend zu heulen, daß er verleumdet sei.Oertzen erhebt sich wie zum Hohn immer wieder und versichert, daßder VerS von den kurzen Hosen des Herrn Doktors nicht von seinemFreunde stamme. Die Klasse brummt, brüllt, spektakelt undamüsiert sich köstlich.„Ruhe— ich bitte um Ruhe!" ruft derLehrer.Er läßt sich wirklich verblüffen, er ist von dem rüden Krupp-zeug mit einemmal selbst ins Unrecht gesetzt worden.Alle Beschwichtigungsversuche sind vergebens.„Es soll ja allesgut sein— so hört doch— ich bitte um Ruhe!"Statt dessen macht ihm einer von den hinteren Bänken nach:„Ich bitte um Ruhe."—Alles brüllt vor Lachen. Mit erhobenen Händen, als könnt erden Sturm so beschwören, steht der Unglücksmensch vor der mit-leidslosen Horde. Der Schweiß bricht ihm aus der Stirn. SeinBlick irrt über die Bänke. Zweiunddreißig Peiniger sitzen darauf.deren Randalieren immer toller wird.Na, kurz und gut— schließlich packt ihn die Verzweiflung, ergreift nach dem Hut und stürzt mehr tot als lebendig hinaus.Zu mir!Was tun? Ich will ihn in die Klaffe mitnehmen— er zittert.er weigert sich. Der Disziplin halber, und um seine Flucht zukaschieren, geh' ich selbst noch der Quinta. Es setzt ein bitterböses