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Stadt hinaus."
Marie strebte bergebens, fich von ihm zu befreien, er hielt sie nur um so fester, während der Rausch in wilden Drohungen aus ihm sprach.
Auf Cerevis," rief er endlich, indem er aufsprang, ich bin der dummen Ziererei satt. Bin ich doch der erste nicht!" Er lachte höhnisch und suchte Marie mit Gewalt zu küssen. Cie rief laut um Hülfe. Da ließ er sie fahren.
" Rauf' nur," knirschte er ihr nach," Du entgehst mir doch nicht."
Marie lief angstvoll dem Hause zu, wo in diesem Augen blicke ein Wagen vorfuhr. Auf dem Wagen saß Regine, die stolze Bäuerin aus Bäumlersdorf.
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Er wollte ein Landwirt werden und verlangte von dem Der Irrtum ftcht so dicht neben ihr wie der Mißbrauch. Bater, daß er ihm einen Hof kaufe. Dieser wollte das Geld Denn entweder spricht auf dem Traftätchen- Niveau die Philisternicht hinauswerfen: der Sohn sollte erst die Wirtschaft er- haftigkeit oder die Verdummungstendenz auf. Wo man dem Bolle lernen, wozu dieser keine Lust verspürte, meinend, er verstände die Freude lehren sollte, lehrt man ihm die Pflicht der Bürgertugend, das Ja- und Amensagen, durch das der Sohn und die die Sache auch ohne dies. So gab es zwischen Vater und Tochter des Bolkes bei Gott und den Menschen( vom Schutzmann Sohn vielfachen Hader und Streit. aufwärts bis zum Staatsanwalt) wohlgefällig werden. Wo man Zum blauen Engel kam der junge Rösen täglich hinaus. das Bolt zum Genuß des Diesseits erziehen sollte, speist man es Marie fürchtete sich vor ihm und es war ihr entsetzlich, wenn mit der Hoffnung auf das Jenseits ab, und wo man seinen Blick er nach einem Zant mit seinem Vater seinen Aerger in nach den Höhen lenken sollte, läßt man es statt zu Jdealen zu Bier zu ertränken suchte. Nach einem solchen Banke war es, sterblichen Gößen aufbliden. Nicht ganz so schlimm wie diese aus daß er eines Herbstabends im blauen Engel unter dem Apfel- Mißbrauch verabreichte geistige Soft für Untertanen ist das baum faß, unter dem Marie und Gottlieb einst das Ge- irrtümliche Bündnis, das Oberlehrerpedanterie und Gouvernantenständnis ihrer Liebe ausgetauscht hatten. Er hatte in seinem balg zu erzeugen sentimentalität geschlossen haben, um jenen Roman- Wechselmit dem goldenen Herz, dem Rührei Merger wie gewöhnlich zu viel getrunken und als ihm Marie statt eines Hirnes, dem Syrup statt Blutes und dem Knigge einen frischen Krug brachte, hielt er sie gewaltsam fest und an Stelle des Nechtes, der in den Seufzer- und Gartenlauben von rief: Nun hast Du mich lange genug an der Nase herum- Haus zu Haus in volkstümlicher Verkleidung herumspukt. Das bes geführt. Mache mich nicht böse. Du weißt. es fostet mich nur wußt Fälschliche also steht Schulter an Schulter mit dem unbewußt ein Wort zu meinem Alten und den anderen Philistern und Falschen! Glücksfälle bei dem großen Mißverständnis, das bis heute Spießbürgern, und sie jagen den Nehring wie Dich zur Erscheinungen, unter denen z. B. die Kunstwart- Publikationen eine die Volkstümlichkeit bedeutet, find noch jene an fich lobenswerten da wieder einen bestimmten Stil bevorzugt und auf eine einseitige erste Stelle einnehmen. Nur ist das Betrübliche auch hier, daß man Richtung eingeschworen ist. Belegbeispiele ließen sich hierfür mit Leichtigkeit anführen, es genügt aber zu fonstatieren, daß bei der geläuterten Kunstwart und verwandten Richtung das Erquidende durch das Aesthetische, das Herzerschließende durch das Ethische, das Erbauliche durch das Lehrhafte in gewissem Maße verdrängt wird, was alles zusammen wieder in die Biedermeierei oder Biedermännerei hinüberspielt. Erquickend, herzerschließend, erbaulich aber soll die echte Volkskunst sein und nun steht sie vor der Phalang von Verdummung, Geschmadlosigkeit und Einseitigkeit! Wie warm ist es da zu begrüßen, bei einer Sammlung von Volksbüchern einmal das pofitive der echten Volkstümlichkeit anzutreffen, wie es die Deutsche Dichter Gedächtnisstiftung erfreulicherweise bis jetzt in allen erschienenen Heften geboten hat. In willkommener Abwechselung liegt eine treffliche Auswahl von gutem aus den verschiedensten Stoffgebieten in mannigfach dichterischer Behandlung vor, und es wäre zu wünschen, daß die gut ausgestatteten, leicht erschwingNovelle der Ebner- Eschenbach von den beiden Freiherren v. Gemperlichen 25 Pfennigheftchen zum Boltsgut würden. Die vorliegende lein ist ein Rabinettstädchen feinster Charakterisierungskunst, bei der der Dichterin stiller Humor weise und gütig lächelt: Die Geschichte handelt von zwei Brüdern, von denen der eine in der Einsamkeit feines Raffenmilieus in der starren Form des Aristokratismus verknöcherte, während der andere in der Welt das Klaffengeschöpf zum Teil abstreifte und seine Ahnen als Knochen in Zintjärgen betrachten lernte. Als beide wieder in der Beschränktheit ihrer Schloßwände aufammenhauſen in köstlich geschilderter Jdylle zweier Sonderlinge, vollen, teils wehmütigen Kampf der beiden Didföpfe mit ihrem plazen die Meinungen aufeinander. Diesen täglichen teils humorgegenseitigen Fanatismus und ihrer Lebensuntüchtigkeit weitet die Berfasserin in ihrer allverstehenden Menschendurchdringung zum typischen Abbild der durch Standeswahn vom wirklichen Leben isolierten Adelsklasse. Marie Ebner- Eschenbach gibt ein Stück Die Nachricht, daß Regine, die hochmütige Regine von Klassenpsychologie. Nicht anklagend, nicht verteidigend, sondern ihrem Manne mißhandelt und infolgedessen von ihm fort- darüber schwebend mit der Heiterfeit einer Weltweisen, mit dem Gegelaufen sei, erregte ein sehr begreifliches Entzücken unter fichtspunkt einer hohen Geisteskultur und der plastischen Gestaltung einer Künstlerin. Und am Ende wächst auch hier in der reizvollen den Rothenburgerinnen. Der Schulmeister kam noch am Geschichte aus Reibungen, Traditionen und Scharmügeln die späten Abend in den blauen Engel geeilt und als er erfuhr, Menschlichkeit auf. Das ist das Schönste an der Ebner- Eschenbach , wie die Sachen ständen, lebten seine Hoffnungen auf Reginens daß sie das Herz ihrer Gestalten und damit auch das Herz ihrer Besitz wieder auf. Aber wie schwer es Regine auch geworden Leser zu finden weiß. Ich kann der Verfasserin an Sauberkeit und war, durch ihre Rückkehr in das väterliche Haus den Be- Delikatesse der Form, an dichterischer Bildkraft und an Vornehmheit wohnern von Rothenburg einen Triumph über sich zu be- des Geistes nur den jetzt leider erblindeten Grafen v. Keyserling ber reiten, und an den nächsten Tagen fehlte es nicht an Befucherinnen im blauen Engel, die sie durch ihr falsches Mitleid fast rasend machten, so weit war ihr Stolz nicht gedemütigt, daß fie die nach ihr ausgestreckte Hand des Schulmeisters hätte ergreifen sollen,
Jeremias Petermann war über den plötzlichen Besuch nicht weniger verwundert als seine Frau.
Was hat Dich denn der Wind auf einmal dahergeweht?" fragte er die Tochter erstaunt.
Ich erzähl's schon, wenn wir allein sind," entgegnete sie. Hm, hm," machte der Vater, ich kann's mir schon so halb und halb denken."
Und er dachte das Richtige. Ja, wie der Fried damals in der Herrenstube des blauen Engels gesagt hatte: er war ein eigner Kauz. Er war um den Finger zu wickeln, wenn man ihm in Guten kam. Aber lieber noch wickelte er die anderen um seinen Finger, zerbrach auch wohl, was sich nicht wideln ließ, und Güte und Nachgiebigkeit waren eben nicht diejenigen Eigenschaften, welche Regine unter ihre Tugenden zählte. Da hatte sie es denn erfahren müssen, daß er mit feiner Körperkraft nicht eitel geprahlt hatte, und darauf hatte sie sich eines Tages einen Wagen im Dorfe gemietet und war ohne Abschied davongefahren.
( Fortsetzung folgt.)
gleichen. Auch er verstand es, durch eine Hellfichtigkeit und Hellhörigkeit für die feinsten und legten Empfindungen der Seele das menschen wieder genießbar und ihre Lebensäußerungen als menschliche durch die Familienblätter widerlich gewordene Milieu der StandesDokumente wieder fesselnd zu machen.
Emmi Lewald : Der Lebensretter. Roman in Briefen. ( Deutsche Verlagsanstalt , Stuttgart und Leipzig .)
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Abermals ist ein Ausschnitt aus der Adelswelt zu einem Iefens werten Buche gestaltet worden. Jch rücke es absichtlich in die Nähe Neue Erzählungsliteratur. der vorher besprochenen Freiherrngeschichte der Ebner- Eschenbach , denn auch hier ist ein Stück Klassenpsychologie gegeben. Im Grunde gehen Marie von Ebner Eschenbach : Die Freiherren uns ja diefe Aristokraten vertenfelt wenig an, denn die Umwertung dieser bon Gemperlein.( Boltsbücher der Deutschen Dichter Menschenwerte ist längst vor sich gegangen. Es läßt sich faum etwas Lang Gedächtnisstiftung, Hamburg - Großborstel. 20 Pf., geb. 50 Pf.) weiligeres und Lächerlicheres denken, als die verherrlichte und romanhaft Unter der Flagge der Volkstümlichkeit fegelt eine ganze Sorte fchöngefärbte Aristokraten- Sippschaft, die unsere Höhere- Töchterliterarischer Erzeugnisse bedrucktes Papier bezeichnet die Kategorie Literatur bevölkert. Und der Arbeiter bedankt sich für das Salonbesser die weit gewinnbringender für ihre Produzenten als für gewäfch. Aber wie Ludwig Thoma den Zuderbäder- Standpunkt der ihre Konsumenten ist. Man fann, wenn man es gut mit dem Volte schönlügenden Dorfgeschichtler verlassen und der Lederhosenromantit meint, nicht vorsichtig genug sein gegen diese sogenannten Voltsbücher das wirkliche bäuerliche Leben und Denken entgegengesetzt hat, so und Boltsbücher- Sammlungen. Zumeist hat daran der Eigennuß ist jegt in einer Anzahl von Aristokratengeschichten der EalonJoviel Anteil als die Liebe, die Liebe zum Volle nämlich. Und wird Standpunkt verlassen und der Adelsromantik das wirkliche Soll und die Sache nicht in erster Linie als Geschäft betrieben, stößt man oft haben der blaublütigen Deladengtaste entgegengesetzt worden. genug auf die gröblichste Berkennung des Begriffes Boltstunft. I hätte einen toten oder dunklen Bunkt in unserer novellistischen oder
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