brach. Es war seine Absicht, das Kind zu sich zu nehmen, sobald es nur erst etwas älter geworden. Marie konnte das- selbe doch nicht in ihrem Dienste bei fremden Leuten um sich haben. Ter Regen hatte gegen Morgen aufgehört, in Fetzen trieben die Wolken vor dem Winde, die feuchten Dächer, das nasse Straßenpflaster blitzten zeitweilig in der Morgensonne. Unter dem Nothenburger Tor stand eine Menge Menschen vor der dortigen Wachtstube. Diese Wachtstube ward gegen- wärtig nicht mehr benützt. Sie stammte noch, wie das alter- tümliche Tor, aus den Zeiten, wo die Städte auf ihren eigenen Schutz gegen die vornehmen Herren angewiesen waren, welche draußen auf den Bergen horsteten. Was gibts denn?" fragte Gottlieb, herankommend. Die Leute, meistens seine Nachbarn, gaben keine Ant- Wort. Sie sahen ihn nur seltsam an und traten beiseite, und ein Murmeln lief durch die Menge:der Nehring!" Es entstand eine Gasse und Nehring trat durch sie in die Wachtstube, während die Leute hinter ihm ihre Gesichts dicht an die erblindeten Fensterscheiben drückten. Was gibt's denn?" wiederholte Gottlieb seine Frage in der Stube. Aber auch hier erhielt er keine Antwort. Nur eine Stimme rief:Herr Gott, der Nehring!" und auf diesen Ruf traten auch hier die Leute zurück. Und als Gottlieb seine Augen an die trübe Dämmerung gewöhnt hatte, die in dem niederen gewölbten Räume herrschte, da stieß er einen Schrei aus, einen furchtbaren Schrei, der allen, die ihn hörten, die Haare zu Berge steigen machte. Auf der Pritsche lag Marie. Ihr langes braunes Haar fiel aufgelöst um ihr bleiches Gesicht. Haar und Gewänder troffen von Wasser. Fest gegen die Brust gedrückt hielt Marie das Kind. Sie waren beide tot« (Schluß folgt.) (Zrolk ßerUner Kunstausstellung 1907. Bon Ernst Schur. I. Es wäre verfehlt, wollte man in die Ausstellung, der eine über- geordnete Absicht, ein Grundgedanke fehlt, eine künstliche Einheit hineinbringen. Die Besprechung wird also am besten in die Form eines Rundganges gekleidet, wobei das Gute angemerkt wird. In dem Bestreben, einen guten Anfang zu geben, hat die Leitung in die beiden ersten Säle(rechts und links von der Ein- gangsrotundes eine internationale Sammlung und eine Porträt- galerie untergebracht, deren Eindrücke von dem Ehrensaal abziehen und, indem sie einleitend, vorbereitend wirken, gewissermaßen eine Grundanschauung, etwas Wesentliches geben. In dem internatio- ualen Saal ist zunächst die Venus von Böcklin (1616) zu Ucnnen, deren blaue, silbrige Töne auffallen. Raffaelli zeigt eine feine Landschaft von zarter Stimmung(1618). Darüber hängt ein sonnig-schöneS Bild des Belgiers B u y s s e(1619):Der Kanal". Sehr eigenartig ist das Bildchen von L u i g i n i, das ein Dorf im Schnee darstellt(1626); die bunten Farben der Häuschen, dazwischen der Schnee, das ist alles wirklichkeitstreu gemalt und doch tritt das Gegenständliche hinter der eigentümlichen Technik zurück, die so locker ist und zuweilen die starke, braune Pappe, auf die gemalt ist, durchscheinen läßt. Von dem verstorbenen T h a u l 0 w ist eine ganze Reihe seiner feinen Landschaften zu sehen, in denen die frische Empfindung des Schweden mit der geschickten, französt- schcn Technik verbunden ist(1622, 1591, 1589, 1691). Sehr frisch wirkt die Landschaft im Hochsommer von Jernberg(1624), mit den gelb und grün leuchtenden Stämmen. R i ch. Kaiser ber- tritt die Münchener Landschaftsmalerei mit einemSommerabend" (1626); besonders der Kontrast des schattigen Waldes mit der farbig schönen, helleren Wiese wirkt gut. Durch die freie Räum- lichkeit, die sonnige Luftstimmung fällt das im Motiv so natürliche Bild von BerstraeteIn Zeelaud"(1599) auf; ein Wagen, auf weiter Ebene auf der Chaussee vor der Barriere Haltens. Das g«>ße Triptychon von D e t t m a n nLeute am Meer"(1592) leidet unter der Theatralik der Auffassung. Einen guten Holländer der alten Schule lernen wir in Stobbaerts kennen, deffen Stallbild(1696) in seiner ruhigen, tiefen Farbenschönheit an die frühere Art Liebcrmanns erinnert. Das große Bild von G a st 0 n !a Touche(1692) hat viel flaue Stellen; im einzelnen sind die Gesichter oft gut charakterisiert. Frappant wirkt das schmal-hohe Bild von LitjeforsBirkhühner im Reif"(1699); eine ältere Arbeit, die aber noch ganz frisch wirkt; in den rosig beleuchteten Schneczweigen die bunten Hühnci�. Hinüber in Saas 49, in die Bildnisgalerie. Gleich links vom Eingang das kräftige Selbstbildnis des Franzosen Courbet 1° '(1766), dessen derbe Züge auffallen. Das Kinderbildnis des Frank- furters S ch 0 l d e r e r's hat zlSär ein altes Aussehen, besitzt abÄe im ganzen eine feine Harmonie(1774). Markant heben sich die beiden Stilleben von S ch u ch f heraus(1781, 1783); sie find äußerst kräftig und breit gemalt, dabei von schönem, ruhigen Ton. Das Bildnis von Thoma(1734) ist, trotzdem es schon ein altes Werk ist, vorzüglich modern geblieben. Es ist ein Mersterlnetl, Es hat sehr vornehme Farbenharmonien, die sich in dunklen Tönen halten. Der Dresdener Zwint scher(1789) hat viel Eigenart; er zeichnet frappant; seine Farben sind hart; er neigt zur stilisierten Darstellung. Die toten Dinge weiß er eigentümlich zu beleben(so die schwarzen Kacheln des Hintergrunds, die weiß aufleuchten 1715, so die Gläser auf dem Stilleben 1796); dagegen erscheinen seine Menschen fast unlebendig und starr, haben allerdings in der dekorativen Erscheinung Eigenart. Das große Bild der bekannten französischen Schauspielerin Rejane von B e s n a r d(1794) frap- ptert zuerst wegen der momentanen Auffassung, ist aber zu leicht gearbeitet, um länger zu fesseln. Das Selbstbildnis von Röb decke (1892) hat viel Charakter; der Blumenstrauß, das alte Bild, davor der derbe Kopf, das alles wirkt malerisch zusammen. Fein ist_daS Selbstporträt von Steinhausen(1811), mit der schönen Landschaft im Ausblick. Steinhausen im jungen Alter zeigt ein Bild von Thoma(1815), das in seiner feinen, matten, tief- tonigen Art wundervoll wirkt. Von M a k a r t ein effektvolles, malerisch nicht unübles Tamcnbildnis in ganzer Figur, voller Verve(1819). Von Toorop (1826) ist ein apart gezeichnetes Damenbildnis zu sehen, das zart in der Farbe, genau in der Form ist, ohne süßlich zu werden. Bewußt an die alten Meister erinnert das Bildnis eines Mannes von Haueisen(1835), mit dem Ausblick in einen Flur. Von hier in den Ehrensaal(Saal 2), der wie immer den schlechtesten Eindruck macht. In diesem sogenannten Ehrcnsaal ist nur ein Bild zu beachten: Heilsarmee von H sichert.(Nr. 9.) Es hat malerische Qualitäten, weil der Vorgang in ein dämmeriges, gelbliches Licht gehüllt ist. Aus diesem Ungewissen der Beleuchtung schimmern die blauen und roten Uniformen. Und die Gesichter erscheinen wie Visionen. Man mag einwenden, daß die Malerei doch noch zu sehr im Erzählen stecken bleibt, zu vielPsychologie" geben will. Aber als Ganzes hat es doch Kraft. Und jedenfalls wirkt es in der aufgeblasenen Umgebung als Leistung einer eigenen Begabung. Von hier geradeswegs durch den Plastikensaal in Saal 4, um die B e r I i n e r K u n st in der nun folgenden Reihe der Säle zusammenhängend zu betrachten. Gleich links vom Eingang eine Landschaft von Mohrbutter(89) in weichen, graugrünen Tönen, ein HauS, vor dem Gestalten gehen; dekorativ in der Auf. fassung. Eine matte Stimmung. Daneben hängt von K a y s e r- Eichberg(88) eine kräftigere Landschaft in frischen Farben; ein blühender Baum vor wcißblauem Himmel; hesonders der Hintergrund mit den blauen und grünen Tönen wirkt sehr gut. 99 zeigt eine feine Arbeit von PfuhleMutter und Kind"; durch die matten braunen, weißen und roten Farben, durch die breite, ruhige Behandlung fällt das Bild auf. Daneben ein guter BrachtMeeresstille"; silbrige Mecresstimmung; Wolken, die sich aus dem Blau auftürmen; eine kraftvolle Arbeit. Friedrich Stahl gefällt sich seit einigen Jahren an einem künstlichen Spiel. Er malt(95. 93, 199) in einer primitiven Manier, die sich an die Kunst der alten Italiener und Niederländer anlehnt; das hat etwas eigenes, zugleich aber auch Kokettes(da Fremdes benutzt wird, um sich zu drapieren). Ausgezeichnet ist das Bild von Hans L 0 0 s ch e n Sonntagsruhe ". Im Vordergrund eine Bäuerin, in großer Sil- houette, in breitem, grauen Ton. Im Hintergrund eine Weide mit Schafen; über der Fläche breite Wolken schwebend. Das Ganze hat etwas sehr Kräftiges, Eigenes. DerFinkenwerder Fisch- kutter" von Sandrock(193) ist fein in der graubraunen, wässrigen Atmosphäre. Silberig leuchtet das BildMondnacht über Hamburg" von D 0 u z e t t e(198). Durch buntes, farbiges Gewimmel fällt das Bild von Hart ig(199)Jahrmarkt" auf; der Turm ragt monumental über dem bcivegtcn Spiel! Nebenan Saal 5a. TerWinterabend" von Hart ig(117) hat schwere Farben; im Schnee braune Pferde. Sehr eigenartig wirkt das AquarellVerspottung" von Rob. Richter(118); eine dekorative Stimmung: lauter Akte von grauem, feinem Fleischton; der Garten gibt dem Ganzen Umrahmung. Lustig wirkt das Hafen» bild von Bend rat(119), ein Durcheinander von Rot. DaS Elbtal " von L e j e u n e hat in den grauen Farben etwas Fließendes. Leichtes, das der Jahreszeit(Frühjahr) entspricht. Kräftig wirkt derWintertäg" in Pommern von Kolbe(I34.>; es ist frisch gemalt, groß empfunden und hat in den grünen, grauen und weißen Farben wirkungsvolle Kontraste. In Saal 5c hängen einige hübsche Interieurs; von Margarete Grosselmann(169) eine alte Ofenccke mit hellen, grünen Lichtern auf den schwarzen Kacheln; von Minna L e w i ein sonniges Holsteiner Interieur(173); namentlich die Partie am Fenster, die Kommode mit dem alten breiten Hausrat hat Leben. Im Saal 5cl ist derHerbstmorgen an der Seine" von Großmann(Idl), das. feine, graue Lufttöne, wie Seinelandschaften sie zeigen, hat. Von hier geht es nach Saal 6a hinüber. Dieschummrige Spielstube" von Lange(199) ist ein gutes Motiv. Die bunten Spielsachen am Boden bilden ein feines Stillleben, aber die Be- leuchtung hätte besser sein können. Dekorativ und kräftig wirkt der Augustabend" von Cornelia P a c z k a, ein Ausblick über blühendes, «clbcs Kornfeld; von derselben Künstlerinintime Nachbarschaft"