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Anschl lag reglos da und stöhnte leise. Das Blut rann nicht nur aus dem Ohre, sondern auch aus dem Munde; neben seinem Kopfe bildete sich eine schmale Blutlache auf der Diele, die schnell in die Länge ging und wie ein Delta aussah.
Gaidutschenko ergriff Anschl an den Haaren und riß ihm den Kopf mit Macht verst nach rechts, dann nach links, dann wieder nach rechts.... Es schien, als ob er ihm den Kopf ausreißen wolle, zusammen mit dem Halse, wie man eine Rübe aus dem Beete zieht.
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Laß ihn," sagte, leise der Aufseher. Rühr' ihn nicht an... laß ihn!"
Er ging zum Tische und setzte sich lautlos auf seinen Plak. Auf Minna warf er feinen Blid. Er stierte auf die länglichen Formulare, die auf dem Tische lagen. Aber das bleiche, haßerfüllte Antlitz des Mädchens stand ihm doch vor Augen scharf und deutlich. Und dieses Antlig sagte ihm, und wiederholte es ihm immer wieder und wieder, daß die Faust des Polizisten hier machtlos sei und daß er außer Flüchen nichts der Brust dieses Mädchens erpressen würde.
Su! Ich werde Dich hängen, Du, Hund!" brummte Gaidutschenko, stieß Anschl mit dem Fuße in die Rippen und ging unbefriedigt zur Seite...
,, So, so, Nja.... Nun?
Der Kommissar lächelte kaum merkbar. Nicht mit den Augen, nur mit den Lippen, die so rot waren.- ,, Nun, Run, die Faust fürchtest Du also nicht.... Du fürchtest sie nicht.... Nun, dann will ich Dich mit was anderem bewirten mit was anderem."
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" Durchsucht sie!"
Einige Fäuste padten das Mädchen zu gleicher Zeit. Zuerst zur Seite geschoben, wurde sie in die Mitte des Bimmers zum Kommissar hingestoßen. Und haftig suchend, glitten tastende Finger über die kleine, zierliche Gestalt... Schwer stampften plumpe Füße auf und ab, es klirrten die Ringe an den Säbeln, feuchend bückten sich menschliche Gestalten zu Boden... Nur der rotbärtige Kowriga stand hinter seinen Kollegen, ohne an der Arbeit teilzunehmen. Sein Gesicht sah gelangweilt und schläfrig aus.
Es gab ihm plötzlich einen Ruck. Er trat aus der Reihe und sagte laut:
Man hat sie schon durchsucht, Euer Wohlgeboren. soeben wurde sie gründlich durchsucht..."
Der Kommissar blickte den Schußmann verwundert an. ,, Das ist mal' n Schnurrbart und ich habe keinen"... Er zupfte an der bartlosen Oberlippe über den blutroten Lippen..
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,, Man hat sie nicht genügend durchsucht. Man muß es besser.. Na, Du... Was stehst Du da? Tu Du's, Kowriga!" Fortsetzung folgt.)
Aus den Tiefen der Gewäffer.
Von R. H. Francé.
Wenn man in einem Kahn üben einen See fährt, so scheint bas oft bis in große Tiefen durchsichtige Wasser vollkommen unbelebt zu sein. Aber versuchen wir nur einmal ein feinmaschiges Taschentuch zu einem kleinen Nez zusammengebunden ein Weilchen durch dieses klare Wasser zu ziehen. Alsbald bleibt nach Abtropfen des Waffers ein feiner, schleimiger Bodensah darin, und wenn man mit vollkommeneren Negen arbeitet, kann man dem durchsichtigsten Seewasser binnen kurzem ein gehöriges Quantum solchen Schleims entnehmen. Diese rätselhafte Masse ist lauter lebendige Substanz und entpuppt sich unter einem Vergrößerungsglas als eine Unmenge zartester, glasheller Tierchen und Pflanzen von ganz außer ordentlicher Formenschönheit.
Man bezeichnet die Summe der lebendigen Wesen, die in den Gewässern umberschwimmen, mit dem Sammelnamen Blankton. Dieses Plankton findet sich auch im Meere und ist dort noch formenschöner und reichhaltiger. Ueberall, im See und in der See, ist das Plankton der Erhalter des ganzen übrigen Lebens: das ideale Fischfutter, das unerschöpfliche Reservoir an Nahrung. Die Fischzüchter wissen das seit einiger Zeit; die unermüdlichen Bestrebungen eines deutschen Gelehrten, des Dr. Zacharias, haben ihnen die Augen dafür geöffnet, das ich die Kleinwelt ihrer Teiche unmittelbar in Geld umseßt, wenn man sie hegt und aufkommen läßt. In dem holsteinischen Städtchen Plön wurde daher mit staatlicher Unterstützung ein ansehnliches wissenschaftliches Institut gegründet, das sich ausschließlich den Planktonstudien widmet und in zahlreichen, schönen Arbeiten unsere Kenntnisse dieser für den Nichtwissenden unsichtbaren Welt gewaltig förderte
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Das Plankton enthält zahllose Pflanzen: vor allem Kiefelalgen, dann Geißelalgen, Braun- und Grünalgen. Eine so bielgestaltige Menge, daß man trok jahrelangen Bemühens doch bei weitem nicht alle tennt. Aber alle, die man kennen lernte, haben etwas Gemeins james. Sie sind an die ganz eigenartige Lebensweise, die fie führen, angepaßt. Das will etwas heißen, tagaus tagein immer zu schwimmen, sich allen Zufälligkeiten der Wellen auszusehen, wie es diese armen Geschöpfchen tun müssen, da sie nicht dem Druck der Wassertiefe gewachsen find, und wenigstens ein Teil der Pflanzen sich nur im Sonnenlicht am Leben erhalten kann. Besonders bewundernswert ist übrigens diese Kraftanstrengung bei den zahlreichen Tieren( kleinen Krebschen, Rädertieren, Milben und Infuforien), die mit den Planttonpflänzchen zusammen zeitlebens schwimmen. Aber auch die letzteren fönnten nicht auf die Dauer an der Oberfläche bleiben, wenn sie sich nicht vollkommen an ihre Lebensweise hingegeben hätten. Alles ist bei ihnen Anpassung. Der Körperbau verzichtet auf alle Solidität, er kennt nur noch ein Baugesek: dünn, graziös sein, bei geringstem Gewicht die größte Oberfläche erreichen! Darum stred! er sich in die Länge, er wird zum allerdünnsten Stäbchen oder Scheibchen, oder er sendet eine Unzahl feiner Haare, Borsten, Stacheln, Hörner aus, verzerrt sich zu einem grotesken, ganz unwahrscheinlichen Wesen. Das sehen wir an dem Pediastrum, an den drolligen, fleinen Belzmonaden, noch schöner an den bizarren Ceratien der deutschen Meere, die mit der Kiefelalge die kennzeichnendsten und häufigsten Schwebewesen der Nord- und Ostsee sind. Oder es bilden sich Fallschirme, Schwimmhäute und die allersonderbarsten Trichter, wodurch wahre Fabelwesen zustande kommen, so die Ornithocercen der südlichen Meere( besonders des Mittelmeeres), oder die Dinobryen, die zu den wichtigsten Planktonpflanzen vieler deutscher Binnenseen gehören. Ein wichtiges Hülfsmittel zur Erreichung größtmöglicher Schwebefähigkeit ist das Prinzip des Gesellschaftslebens. Es ift unglaublich, welche Ideen sich da in der Natur verwirklichen. Da stecken die gehörnten Ceratien des Atlantischen Ozeans eines ihrer Sörner dem Vordermann in den Rüden und bilden so eine Kette, oder die Kieselalgen steden ihre Köpfchen zusammen und werden zu einem reizenden Stern; die Dinobryen leisten fich auf noch unbegreifliche Weise das Kunststück, sich stets auf den Becherrand ihrer Eltern in einer so geschickten Anordnung zu sehen, daß dadurch ungemein zierliche Bäumchen entstehen, die majestätisch dahinschweben, da ihre Insassen mit ihren feinen Geißeln taktmäßig schlagen, wie eine wohleingeübte Schar Ruderer. Die Fragilarien hängen an den Seiten zusammen und bilden lange, gerollte Platten wie gewalates Blech, eine sehr häufige Kiefelalge der norddeutschen Seen sendet ihre Schleimfäden von Zelle zu Belle und verspinnt sich so in großer Anzahl zu einem Trupp, der prächtig schwimmt, während die einzelne unbedingt zu Boden finten müßte. Andere reihen sich zu Fäden aneinander, wieder andere bilden Gasblasen, Fettropfen in ihrem Körper, die sie an der Oberfläche erhalten. Kurz, die Natur ist unerschöpflich in den Mitteln, um ihre Zwede zu erreichen. Denn daß es sich hier um eine Lebensnotwendigkeit und nicht um aufällige Uebereinstimmung handelt, geht schon daraus hervor, daß sich die gleichen Anpassungen bei Wesen bon allerverschiedenster Herkunft finden. Dieselben Kunstgriffe wie bei den Planffonalgen sind aufgeboten bei Infusorien, bei Krebschen, bei Rädertieren und Milben, die freischwebend leben. Deltropfen, Vergrößerung der Oberfläche, Haare, Borsten, Stacheln, sie alle find bei ihnen zum Zweck des Dableibens verwendet.
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Diese Planktonvegetation ist am üppigsten dicht unter der Oberfläche, wo sie sich manchmal in solchen Massen zusammendrängt, daß man es auch mit unbewaffnetem Auge bemerkt. Hier und da, namentlich im Sommer, steigt auf einmal ein grüner Echaum an die Oberfläche der Seen, das Wasser wird stredenweife rahmartig dick, der See„ blüht". So tritt im Plöner See( Hol stein) gewöhnlich etwa im Juni plötzlich eine Alge( Gloeotrichia echinulata) in ungezählten Millionen an die Oberfläche; die Wasserblüte" nimmt bis August immer mehr zu, verschwindet dann aber ebenso plöblich, wie sie gekommen. Manchmal aber geht dieses geheimnisvolle Auftauchen und Wiederverschwinden so schnell, daß innerhalb eines Tages die Blüte auch wieder vorbei ist. Die gleiche Erscheinung kommt auch im Meere vor. In der Ostsee färbt Nodularia spumigena das Waffer oft weithin grünlich- grau, das Note Meer verdankt der Trichodesmium- Alge sogar den Namen, im tropischen Atlantischen Ozean, in den Polarmeeren färben manchmal die Diatomeen und Ceratien das Wasser bräunlich; die letzteren sind dann, namentlich in der Ostsee und im Kattegat , im Herbst auch an dem Meerleuchten beteiligt, da sie aus einer noch unbekannten Ursache phosphoreszieren.
In größere Tiefen gehen nur noch die Diatomeen und nur ganz ausnahmsweise die auch zu dem Blankton gehörige marine Kugelalge, die man bis zu 2400 Meter Tiefe gefunden hat. Aber für gewöhnlich ist 100 bis 200 Meter unter dem Wasserspiegel sowohl im Meere wie in den Binnenseen das Leben erloschen. Wo das belebende Licht erstickt ist, scheint auch das Leben zu endigen.
Aber welche Ueberraschung! Das Leben triumphiert auch über die Finsternis und den ungeheuren, sich nach Hunderten von Atmosphären berechnenden Drud, der in solchen eisigkalten Tiefen herrscht. Als die Forschungsapparate hinabdringen konnten auf den Meeresgrund und in die von Sagen umrantten Fabeltiefen der Alpenseen, lernte man erst den vollkommensten Sieg des Lebena"