Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 120.
Dienstag, den 25. Juni.
( Nachbrud verboten.)
1907
frederik Tapbjergs Pflugeffen. ichier unglaublichen Qualen berichtete, die er- Movit
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Autorisierte Uebersehung von Theobald Völder. Line, die nun sah, daß sie ihre Gäste beisammen hatte, rief leise ihren Mann in die Küche hinaus und sagte:
,, Ach, Frederik, es wird wohl gehn, daß Du vom Tisch wegbleibst bis nachher; wenn es nun vielleicht doch nicht aus reicht. So'n nüchtern Kalbfleisch, das schlägt ja nicht an. Und ich weiß noch ganz gut, wie das bei Per Simmelfjärs Pflugessen ging, wo die Frau für ihr Lebtag Schimpf davon hat, weil das Essen zu früh alle wurde. Und da sizt nu so'n Schluckhals wie der Movst. Der frißt ja wie'n Wolf. Er fann, weiß Gott , ein ganzes Kalb allein auffressen, wenn er's friegt."
Nach diesen Bemerkungen hinter den Kulissen trat Line wieder auf die Szene und sagte:
„ Ach, seid nu so gut und setzt Euch, daß Ihr' n Bissen eßt und Euch stärken tut;' n paar können sich wohl hier auf'n Schemel setzen," fügte sie hinzu.
Movus hatte schon entdeckt, wo die beste Schüssel ihren Plaz hatte, und sagte:
Denn will ich mich man auf den Schemel hinpacken." Unter vielem Schnaufen brachte er endlich die dicken Beine mit den schweren Holzschuhen über den Langschemel, worauf er sich niederließ mit dem Herzensseufzer: Ach ja, man wird alt und steiffnochig." Unterdessen warf er einen alles verzehrenden Blick auf die Schüsseln.
,, Was, Frederik, sollst Du nich Plaz nehmen," fragte Movst.
längeren Vortrag bei Pferdekrankheiten im allgemeinen und Verfangenheit im besonderen zu verweilen, und schließlich das Mitleid seiner Zeitgenossen zu erwecken, indem er von den vor Jahren mit einer näher bezeichneten franken Mähre durchlebt hatte, die nun schon lange eines sanften und ruhigen Todes gestorben war, deren Bild ihm jedoch so deutlich vorschwebte, als wäre sie sein eigener leiblicher Bruder gewesen.
Mit Rührung schilderte er, wie das arme Aas wochenlang so elend daran war, daß es in Seilen hängen mußte, die zwischen den Ständen ausgespannt waren. Es fonnte damals keine andere Nahrung zu sich nehmen, als die, die man ihm aus einer Flasche in den Hals goß, bis es durch eine Wunderfur, die Movst eigenhändig an dem Tier probiert und die von der hohen Genialität ihres Erfinders zeugte, wieder zu Kräften fam, wenn es auch noch lange Zeit recht angegriffen und erbärmlich aussah. Aber siehe so weise regiert Gott die Welt, daß Mobstens franke Mähre sich völlig erholte. Ja nicht genug damit, sie wurde sogar das beste Noß, das seit Menschengedenken mit seinem Schweif einhergetrabt war auf dem Bauernhof von Movst.
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Er verweilte noch länger bei diesem lieben Tahingeschiedenen, folgte ihm auf seiner späteren Lebensbahn, schilderte detailliert das Gedeihen des Pferdes, feine Eigenschaften, seinen Verkauf auf dem Wolborgmarkt, der allein ein großes und abgerundetes Kapital ausmacht.
Und sogar dann ließ er nicht von dem Ungeheuer, sondern verfolgte in Gedanken durch phantasiereiche Schilderungen seine Nachkommen bis ins dritte und vierte Glied. Die phänomenalen Berichte und Markterlebnisse dieses Pferdehistoriographen wirkten anspornend auf die übrige Ge
sellschaft.
Die anderen Bauern wollten keineswegs hinter Movst zurückstehen, wenn es galt, von Gebresten der Pferde und dergleichen tierischen Qualen zu erzählen; denn sie hatten alle ihr Teil davon kennen gelernt.
Und eine Zeitlang stank das Gespräch förmlich von gewaltigen Geschwulsten und Entzündungen, von ausgebrannten Wunden und strohumwickelten Pferdebrüsten.
" Jawohl; aber die Gäste kommen zuerst. Meine Zeit kommt auch noch ran. Seht Ihr nur zu, daß Ihr was friegt," antwortete Frederik. Das war eine Aufforderung, die sie sich nicht zweimal sagen ließen. Sie langten fräftig aus nach den Schüsseln und beluden ihre Teller mit mächtigen Stücken glänzenden Kalbsbratens und mit guten Kartoffeln, Mobst konstatierte als Quintessenz seiner Lebenserdie sie mit einer Flut von Sauce und Eingemachtem übergoffen. fahrungen, daß so lang das Maul einer Mähre noch nicht Nach all der herben Salzkost des Sommers, den leder- falt ist, noch Hoffnung vorhanden ist, und der rothaarige zähen Räucherlenden, dem gebratenen Speck und den gelben Thomas Moesjärg schloß dieses interessante Kapitel des Geranzigen Schafschenkeln war solche Mahlzeit frisch geschlach- sprächs mit der gewiß unangreifbaren Behauptung, daß man tenen Kalbfleisches eine Götterspeise. Was Wunder, daß sie eine Kranke wohl selbst kurieren könnte, wenn man nur die fräftig einhieben auf die Fleischstücke. dazu nötigen Medikamente fennte.
Movus war besonders tief interessiert. Er hatte die zivilisatorische Bedeutung der Gabel noch nicht entdeckt, sondern hielt, wie mit einem Berserkergriff, die Fleischstücke mit den fünf Fingern der einen Hand fest, während er mit den übrigen Fünfen den Zuschnitt machte, daß es kreischte, wenn das Messer über den Zeller fuhr.
Er hatte noch nicht eine halbe Stunde gegessen, da lagen schon die abgenagten Knochen in Massen vor ihm wie Schiffs trümmer. Auch die andern drei suchten nach besten Kräften sich schadlos zu halten für den edlen Schweiß, den ihre dicken Gäule auf Frederik Tapbjergs disteltragendem Acker vergossen hatten.
Während des ersten Teiles der Mahlzeit war es nur Mobst, der etwas sagte, etwas, das er nun einmal unmöglich, selbst in den ernstesten Augenblicken des Lebens, zurückhalten konnte. Aber seine Scherze wurden zu diesem Zeitpunkt nur schlecht belohnt, bald mit einem geistesleeren Was", bald mit einem nichtssagenden„ Na", bald mit einem ungeduldigen Grunzen, das so viel sagte als: Ja, was schiert das mich in der gegenwärtigen ernsten Situation."
Aber nachdem Lines vorzüglicher Kalbsbraten mehr und mehr seine Aufgabe erfüllt hatte, wurde der Drang zur Gefelligkeit stärker und die Gedanken suchten fernere Ziele.
Nur Movus Aufmerksamkeit war noch immer gleich sklavisch auf die Schüsseln und die saftigen Fleischstücke gefesselt.
Dem Mobst aber war es zu Ohren gekommen, daß Esper Goul ein Pferd hatte, das verfangen war. Dieses bedauernswerte Faktum gab ihm Veranlassung, in einem
Als man ausreichend lange bei diesem Thema, das dem Herzen am nächsten lag, verweilt hatte, glitt das Gespräch unwillkürlich auf die Dienstleute über.
Hast Du' n Knecht gemietet, Mobst," fragte Rot- Thomas. " Ich hab keinen guten Griff gemacht! Das is in unserer Zeit nich so leicht,' n Knecht zu mieten," sagte Movst mit einem Seufzer. Nu sitt der Teufel in den Dienstleuten, besonders seit diese Satans Sosalisten aufgekommen sind." Sozialisten", berichtigte der Herrenmann."
,, Ach, Deibel nochmal, das is egal, wie Ihr sie nennt," erwiderte Mobst mürrisch, denn wie's in der Bibel steht: An ihren Ta- a- ten sollt ihr sie kennen. Und wie ich immer sag': seit dieser Krimskrams ins Land gekommen is, sind einem die Dienstleute so aufsässig und störrisch geworden, daß man seine Plage hat, bloß daß man einen über die Türschwelle bringt."
Ja, das is mal' n wahres Wort, was Du sagst," brummelte Movus von der anderen Seite des Tisches. Er hatte nun seine Freßgier so weit befriedigt, daß er glaubte, dem Gespräch etwas Aufmerksamkeit schenken zu können, ohne dadurch den noch immer verlockenden Kalbsbraten allzu sehr vernachlässigen zu müssen.
„ Ja, das is ein ganz wunderliches Geschlecht, das heut zutage unter Gottes Sonne rumläuft," fuhr Movst fort. Das is wie so' ne Sturmflut. Alles wie's will und nichts wie's soll. Ich fragte mal den alten Dokter Rönsolt denn der war kein Doskopf woran das liegt, dieie große Veränderung in allen Dingen. Das ficat am Luftdruck", swur er mir, ganz allein am Luftdruck, Movst." Das war a so