Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 121.
Mittwoch, den 26 Juni.
1907
Ja, wie nu der Frederik fier," sagte Mons;„ zu so
( Nachdrud verboten.) vielen Kindern könntest Du, bei Gott, Dein Lebtag nicht Vater werden," sette er foppend hinzu." Da müßtest Du
frederik Tapbjergs Pflugeffen. wahrhaftig erst eine Meze Salz und ein paar Scheffel Straft
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Autorisierte Uebersehung von Theobald Völd er. ( Schluß.)
Wie sind denn die Bauern ihre Kinder," kam es zögernd aus Frederiks Munde. Er fühlte sich peinlich berührt von der schonungslosen Kritik seiner Standesgenossen hier in seinem Hause, an seinem Tisch.
Wie die sind," erwiderte Movst beleidigt, daß er sich bon so einem armseligen Schlucker eine Unterbrechung gefallen lassen sollte. Die Frage is ja nicht so dringend, weil es doch nich die Kinder von den Bauern sind, die den Häus lern dienen sollen, sondern umgekehrt."
Die drei Bauern lachten laut auf bei dieser Abfuhr, und Frederik als Wirt fand es am flügsten zu schweigen.
,, Nein, wie ich sag," fuhr Movst triumphierend fort ,,, es is ja' ne ehrliche Sache, arm zu sein aber da is feine Raison mehr bei den kleinen Leuten; worauf sie ausgehn, is, großen Lohn zu kriegen für wenig Arbeit."
so find wir wohl alle gleich gut. Im übrigen muß ich Dir sa Movst, was das betrifft," sagte Esper Goul lachend, recht geben. Was Du sagst, ist auch meine Meinung. Die sozialistischen Lehren sind zum allergrößten Verderben, sowohl für die Landwirtschaft wie für das Dienstverhältnis. Aber ich weiß nicht, wie man diese Bewegung aufhalten soll." ,, Das weiß ich bei Gott auch nich," sagte Movst, aber das is auch so was, wo ich meine Nase nich' neinstecken tu. Laß doch die darauf spekulieren, die dazu da sind. Denn dafür hält man sich ja Regierung und Beamte und Eisenbahndirektionen und, der Deibel weiß, wie all der verfluchte Dreck heißt, den wir Mistbauern durchfüttern müssen. Wir andern find es ja, die für sie sorgen müssen. Nein, das is, wie ich immer fag, daß die Jungen erbärmlich erzogen werden. Hier steht nu' ne Mutter und hätschelt' n Kind so lange, bis es gar nicht mehr weiß, was es will."
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Und mit einem strengen Blick auf des Häuslers zahlreiche Kinderschar, die gleichsam wie Fliegen um die Gäste herumstanden und mit gemischten Gefühlen die entwickelte Freßgier beobachteten, fügte er hinzu:
" Glaubt Ihr, das war in meinen jungen Jahren so, daß ein Knirps so dastehn durfte und übern Tisch nach dem Braten lungern? Nein, das war nich so. Abern' n Stück Käse und' n Knust Brot, die Rute auf' n Hintern und raus mit dem Schaf!"
Mobst sprach noch eine Weile in langen Redewendungen von jenem längst verschwundenen Idealzustand, wo die Dienstleute noch sklavisch dem leisesten Wink des Hausherrn gehorchten, wo das Wort Menschenrechte noch kein Bürgerrecht in der Sprache hatte und wo der Stock und das spanische Rohr jeden noch so verwickelten häuslichen wie sozialen Knoten zu zerhauen vermochte.
Dann kamen allmählich andere zum Wort, und Lines Kalbsbraten samt Frederiks Branntwein verwandelten sich durch einen mystischen Prozeß im Innern der Gäste nach und nach in schwungvolle Aussprüche über die Degeneration des heutigen Geschlechtes und über die Mittel zu seiner Errettung. Der Er- Edelmann strengte sich an, mit seiner höheren Bildung zu brillieren und brachte eine Reihe sozialistenfeindlicher Tiefsinnigkeiten vor, die sich durch ihren eigen tümlichen Geruch und Geschmack als frischer Raub aus dem Amtsblatt verrieten.
" Das, was man am tiefsten bei den Fleinen Beuten jeßiger Zeit beklagen muß, ist der in die Augen fallende Mangel an Genügsamkeit, der eine so ausgeprägte Eigenschaft des ärmsten Teiles der Bevölkerung ist."
Mit diesen Worten schloß der Ex- Edelmann einen längeren Vortrag über die soziale Misere. Und mit dem bergeudeten Herrenhof vor Augen war dies ja auch durchaus fein schlechter Schluß.
Ja, und dazu all die vielen Kinder, die die kleinen Beute in die Welt segen," warf Not- Thames ein.
futter zu fressen kriegen. Ha, ha, ha!"
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,, Und denn is mir noch bange, daß es nichts hilft," meinte Movst. Wenn es nicht mit Thamesens Anna geht wie mit Abrahams Sarah, die Besuch von dem Herrn empfing in ihrem Alter!"
Alle lachten über diese Saftigkeiten, ausgenommen der finderlose Thomas, der mit einem genierten, impotenten Blick auf seinen knochendürren Körper herabsah, während ihm eine schwache Röte vom Haar hernieder über die Schläfen kroch und dem Grauviolett der Wangen einen anderen Farbenton gab. hältnis zwischen Bauern und Dienstleuten. Der Wurm der Der„ Edelmann" vertiefte sich noch einmal in das VerBeit sei Mißgunst, sagte er, Mißgunst gegen den BessergeTabak oder einen freien Tag leisten könne, während die stellten. Mißgunst gegen den Gutsherrn, der sich eine Pfeife anderen sich plagten.
Und nun suchte Not- Thames fich zu rehabilitieren für feine vorige unglückliche Aeußerung, indem er bemerkte:
,, Denn ein Bauer soll es doch auch ein klein bißchen besser hat einer doch wenig davon, daß man seine Steuern und Abbaben als seine Leute." " Ja, das versteht sich," sagte Movns anerkennend.„ Sonst gaben bezahlen muß."
zwischen Tisch und Kochplay hin und her gelaufen und hatte Während des ganzen Gesprächs war Line ab und zu die Schüsseln gefüllt, so gut sie es vermochte.
ihrer Aushelferin, als sie zum siebentenmal mit dem geleerten ,, Gott helf uns, wie die fressen." sagte sie erschreckt zu Teller nach der Küche fam.
dazu geben, wenn es für solche Schluckhälse genug werden soll." ,, Wenn es bloß reicht! Unser Herrgott muß viel Segen Aber kaum war sie wieder hineingekommen und an den Tisch getreten, da wiederholte sie unaufhörlich:„ Ach, seid nu so gut und langt zu, wenns gefällig ist."
Es galt, um jeden Preis den Schein zu wahren, als wäre noch wer weiß wie viel im Fleischtopf.
Die Kinder gingen und hungerten und friegten nichts, obwohl der Duft der lieblichen Sauce ihnen unaufhörlich in die Nase stach. Mit langen, schielenden Blicken sahen sie nach jedem Bissen, den die Gäste zum Munde führten.
,, Laßt mich nu sehn, daß Ihr artige Kinder seid," hatte die Mutter gesagt, als sie begann, das Essen aufzutragen, dann sollt hr nachher auch noch was abfriegen, wenn die da was über lassen," fügte sie vorsichtig hinzu.
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Ein kleiner Knirps, der sich Movns als Beobachtungsobjekt auserkoren, und schon seit Beginn der Mahlzeit mit starren Blicken seinen Eingabelungen zugesehen hatte, kam heraus, zerrte an Mutters Rock und jammerte unter strömenden Tränen:
,, Mutter, ich krieg nig! Die essen alles auf!"
In dieser Mitteilung war feine Spur von Uebertreibung. Alles, was das arme Haus an Fleisch und Zukost zu bieten vermochte, ging drauf.
Als Line ihr lettes Stück hineintrug und es leise von der Schüssel auf den langen Teller gleiten ließ, hoffte sie, daß sie doch das unberührt lassen würden.
Aber nein! Movns hieb darauf ein und brachte es Bissen für Bissen unter seine breiten Sinnbacken. Glücklicherweise hatten die anderen nun doch ihre Gabeln hingelegt, und auch Movns sah nach diesem letzten Hieb aus. als wenn er seinen Gaumen hinreichend eingefettet hätte.
Diesen Ausdruck pflegte Line zu gebrauchen. Das Dessert bestand aus Staffeepunsch, dem sogenannten " Swot ", dem Nationalgetränk in dieser Gegend.
Es war nun bereits dunkler Abend. Die Lichter wurden angezündet. Das Gespräch ging nicht mehr so lebhaft wie vorhin.
Moons klagte über einen„ Satans Schluckauf", der ihn immer plagte, wenn er ,,' n Bissen Futter" eingenommen hatte. Rot- Thames blickte aus dem Fenster und sprach die Be fürchtung aus, daß man daheim vergessen haben könnte, die