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Kleines feuilleton.

Von

Wenn man von den Lichteffekten im hohen Norden spricht, I burg, wo es ihm zur Abwechselung einmal gut ging, da er vom darf auch die Fata Morgana nicht unerwähnt bleiben, die aller- dortigen Stadtrichter in einem offiziellen Festmahl gefeiert wurde. dings in arktischen Ländern nicht mit diesem Namen belegt wird. Sein Ruhm war überhaupt schon allzugroß für sein Wohlbehagen, Man spricht hier eigentlich nur von Luftspiegelungen, doch sind es denn als er 1537 nach Wien übersiedelte, wurde er von seinen im Grunde die gleichen wie in der Wüste. Namentlich in Alaska Kollegen durchaus richt liebreich angesehen, weil sie befürchteten, Lassen sie sich häufig beobachten. Am Meer, über Gebilden aus durch ihn in den Schatten gestellt zu werden. Er hat es auch Schnee und Eis tauchen plöblich Schiffe mit Mast und Segeln, vornehm zu tragen gewußt, daß die Wiener Aerzte ihn sorgfältig Wälder, Menschen usw. mitten in der Luft auf. Oft sind es auch mieden und sich nur gelegentlich mit feiner Jronie darüber aus­nur einzelne Gegenstände, Gläser, Anker, Ketten, Tische usw. gesprochen. Als ihm der Kaiser Ferdinand I. zumutete, einmal In der Regel erscheinen die Dinge verkehrt, aber keineswegs immer. mit seinen Doktoren zu disputieren, erklärte er gerade heraus: Er Wo diese Bilder herkommen? Nicht einmal die Fachgelehrten lasse ihnen ihre alte Wissenschaft und behalte die seinige. Nur find sich ganz einig über die Ursache der Erscheinung in ihren als die neidischen Fachgenossen sogar die Drucklegung neuer Werke Einzelheiten. Wo kommen die grünen Inseln z. B. her, die man, von Theophrastus zu verhindern gewußt hatten, stieg die Bitterkeit wenn auch nicht allzu oft, überall in nordischen Meeren, bisweilen in ihm auf und verdichtete sich in dem ausdrucksvollen Sakh:" Ich plötzlich im hellen Sonnenlicht aus den Fluten erstehen sieht? habe eben wieder einmal vergessen, daß ein Krügler gegen den Weit und breit gibt es kein solches Eiland, aber jeder sieht es greif- andern ist, und daß man einer Kaze nicht den Schmer abkauft." bar und deutlich bis es, beleuchtet von den Strahlen der Tages- Dennoch war die Wiener Zeit für Theophrastus im ganzen glücklich, fönigin, wieder spurlos verschwindet. er nahm reiche Honorare ein, tat aber unter Armen und Kranken unendlich viel Gutes, so daß, wie Strunz hervorhebt, noch die Sage ein fesselndes und unsagbar sympathisches Bild einer ge­diegenen Persönlichkeit von ihm überliefert hat. Am besten zeugen dafür wiederum seine eigenen Worte, wenn er sagt:" Der Arzt Eine der darf kein Larvenmann sein, kein altes Weib, kein Henker, kein Aus dem Leben des Theophrastus Bombastus . Lügner, fein Leichtfertiger, sondern er muß ein wahrhaftiger Mann fesselndsten Erscheinungen in der wissenschaftlichen Welt zu sein." Man kann sich noch heute ungefähr vorstellen, wie ein Beginn der Neuzeit war der häufig genannte, aber auch fajt folcher Charakter, verbunden mit den größten Fähigkeiten für ge­ebenso häufig ungerecht beurteilte Arzt und Naturforscher mit lehrte Arbeit und praktische Betätigung, in einem Kreise Heinlicher dem schönen Namen Philippus Aureolus Paracelsus Theophrastus Durchschnittsmenschen gewirkt haben muß. Dabei soll Theophrafts Bombastus von Hohenheim, gewöhnlich Paracelsus genannt, obgleich Aeußere wenig imposant gewesen sein, denn er wird als ein kleines sein eigentlicher Vatersnamen Bombajt war. An diesen Familien- glatt rasiertes Männchen mit dünner Stimme geschildert. namen knüpft sich die erste Ungerechtigkeit, die dem für seine Zeit feinem Leben in Wien ist noch manche Sonderlichkeit überliefert recht hervorragenden Mann von seinen Landsleuten zugefügt wird, worden. In mancher Wohnung hielt er es nicht mehr als eine indem man den Ausdruck Bombast, der für eine schwülftige Sprache Nacht aus, und gelegentlich wählte er sich dazu den fünften und gebraucht wird, mit ihm in Zusammenhang bringt. Der Bom sechsten Stock eines Hauses. Später zog er wieder nach Kärnthen, bast hat gar nichts mit diesem Bombastus zu tun, sondern rührt wo er sich in wissenschaftliche Arbeiten über Bergbau vertiefte, von einer gleichlautenden Bezeichnung für einen mit Baumwolle nebenbei aber selbstverständlich stets ärztlich tätig blieb. Hier ausgestopften und daher aufgeblähten Gegenstand her, indem die scheint er ungewöhnlich lange, nämlich zwei Jahre, geblieben zu Baumwolle im mittelalterlichen Latein bombax genannt wurde. sein, ehe er wieder sein Wanderleben aufnahm, das übrigens teil­Theophrastus war von Geburt ein vornehmer Herr, denn seine weise durch eigentliche Berufungen des berühmten Arztes ver­Adelsfamilie, die ursprünglich aus Schwaben stammte, wird schon anlaßt wurde. Wenn man bedenkt, wie schwierig damals das Reisen um 1100 in der Geschichte erwähnt. Geboren wurde der große Ge- war, wird man es erstaunlich finden, wie er am Anfang des Jahres lehrte allerdings in der Schweiz und teilt mit manchen anderen 1541 noch in Grätz war, dann in Breslau , wiederum in Wien und berühmten Männern das Schicksal, daß über den Tag seiner Ge- im Frühjahr schon in Salzburg , wo er im gleichen Jahre starb. burt Unsicherheit herrscht. Nach den heutigen Angaben hat er die Die Güter dieser Welt hatte er nie geschäßt und nach einem eigenen Wahl, entweder mit Luther und Schiller oder mit Beethoven am Ausspruch zeitlebens am Pflug der Nahrung" gestanden. Daher gleichen Tage geboren zu sein; als Jahr steht 1493 fest. Im Gegen- besaß er auch ein unversiegbares Mitgefühl mit arm, elend und faz zu vielen anderen Adelsfamilien scheinen die Bombaste schon dürftig Leut", denen er seine geringe Habe vererbte. Er wurde von früher her wissenschaftliche Interessen verfolgt zu haben; auch nach seinem eigenen Wunsch unter den Armen des Ver­wenigstens war schon der Vater von Theophrastus , Wilhelm Bom- forgungshauses in Salzburg begraben, natürlich unter ungeheurem bast von Hohenheim , nach der Ueberlieferung ein hervorragender Menschenzulauf, zu dem freilich außer der Neugier wohl auch Gelehrter und praktischer Arzt. Aus der Lebensgeschichte feines wahre Dankbarkeit feiner zahlreichen Pfleglinge beigetragen haben Sohnes veröffentlicht jetzt Dr. Franz Strunz in der Wiener mag. In der großen rein anschaulichen und ästhetischen Auffaffung Klinischen Wochenschrift" eine neue Untersuchung, die namentlich der Natur vergleicht ihn fein Biograph Strunz sogar mit Goethe die Beziehungen des Forschers zu Oesterreich darstellen soll. Der und legt noch einmal Verwahrung dagegen ein, daß die Sage aus Sagenkreis, der sich um Paracelsus gewoben hat, hat seinen Ur- diesem echten Mann und großen Geist einen marktschreierischen sprung eigentlich in dem an Abenteuern reichen Wanderleben, das Geldmacher oder einen theatralisch herausgeputzten Faust ge er als Student aufnahm und bis zu seinem Tode mit wenig Unter­macht hat. brechungen fortsette. Zwei Wahlsprüche von ihm sind überliefert, die nicht nur für seine Lebensführung außerordentlich charafte- kfg. Warenhausdiebstähle und Kleptomanie. Fast täglich ristisch sind, sondern ihn auch als eine hervorragende Persönlichkeit lefen wir in den Zeitungen von Damen befferer Stände, tennzeichnen. Der erste heißt:" Besser in Ruhe denn in Unruhe, die sich soweit vergessen haben, Gegenstände in Warenhäusern mit­aber nüßer Unruhe denn Ruhe;" und der zweite lautet: Du sollst gehen zu heißen, so daß eine ganz besondere Rubrik von Diebs teines Andern Knecht sein, wenn Du Dein eigener Herr, Wille stählen in dieser Beziehung entstanden sind. Schon 3 o la schildert und selbstiges Herz sein kannst!" In der Tat muß Paracelsus in seinem Roman:" Au bonheur des dames" in glänzender Weise von einem beneibenswerten Unabhängigkeitssinn gewesen sein, der diese später als Kleptomanie, d. h. als Nerven- oder Geistestrant es ihm ermöglichte, in fast ganz Europa umherzuwandern, fich heit angesehene Diebstahlskategorie. Indes herrschte doch im überall hineinzufinden und Segen durch eine ernste ärztliche Arbeit großen und ganzen eine ziemliche Verwirrung in der Auffassung, zu stiften. Schon mit 35 Jahren wurde er in Bafel Stadtarzt so daß es ein Verdienst von Dr. Laquer gewesen ist, Klarheit zu und Professor, und die Ankündigung seiner Vorlesungen an dieser schaffen. Er macht mit Erfolg gegen das neuerdings in der Lite­Universität war ein glänzendes Zeugnis seiner geistigen Selb- ratur vielfach hervorgetretene Streben Front, die längst begrabene ständigkeit, indem er darin eine Kriegserklärung gegen Lebens- Lehre von der Kleptomanie wieder zu neuem Leben zu erwecken dürte, cholaftische Wortkunst und philologische Medicin" erließ. und den Warenhausdiebstahl unter der Rubrik" Partielles Jrre­Daß ein solcher Mann sich schnell Feinde schuf, war selbstverständlich. sein" in die Wissenschaft einzuschmuggeln". Der Warenhaus­Paracelsus muß diese Kunst aber in ungewöhnlich hohem Grade be- diebstahl ist nach ihm vielmehr feineswegs immer das Zeichen eines sessen haben, denn schon nach etwa acht Monaten war ihm in Basel trankhaften Zustandes, der die Schuld und das Schuldbewußtsein der Boden fo heiß geworden, daß er nach dem Elsaß hinüberfloh. berkleinert oder ausschließt. Es handelt sich vielmehr um ein Ver­Wir finden ihn dann 1529 in Nürnberg , tveiter in Negensburg, gehen gegen das Eigentum, bei dem vielleicht die Willensschwäche Amberg , St. Gallen und fernerhin in Tirol, wo er rüdsichtslos bon Individuen, namentlich von Frauen, gegenüber den Lockungen gegen jede persönliche Gefahr die Pest bekämpfte. In Ulm er- des Warenhauses eine tranthafte sein kann, und zwar dann, wenn blidte fein wichtigstes Wert die Große Wundarznei" das Licht schon bestimmte andere Krankheitszustände vorhanden gewesen sind. der Welt, das eine große Zahl von Auflagen erlebte. Auf diesen In den meisten Fällen aber kommt keine Zwangshandlung in Fahrten hatte Paracelsus wiederum viel Anfechtungen zu erfahren, Frage, sondern nur ein ganz gewöhnliches Vergehen. namentlich durch religiöse Verfolgungen, da er nach einem feiner Aerzte, die als Sachverständige bor Gericht auszusagen haben, träftigen Aussprüche die Hundstette des konfessionellen Fana- müssen genau abwägen, ob bei leicht neurasthenischen und hysterischen tismus" nicht zu ertrager vermochte. Gegen Zwang und Eng- Individuen, die nie geiftestrant waren, eine mildere Auffassung herzigkeit von dieser Richtung verwahrte er sich in heftiger Sprache, ihrer Vergehen gegen das Eigentum von Warenhäusern am Blake während er gleichzeitig Armut und Dürftigkeit ohne Murren hin- ist, oder ob nicht einfach unlautere, in dem Charakter der An­nahm. 1537 ging er nach Mähren hinüber, wo er die ersten Teile geschuldigten und ihren Verhältnissen liegende Motive für die seiner Großen Astronomie" vollendete. Ueberhaupt muß er fabel- meist wohlüberlegten Diebstähle der Grund sind. haft fleißig gewesen sein, da es ihm nicht darauf antam, außer Kunst. ben vielen von ihm veröffentlichten Schriften noch große Stöße von Manuskripten, falls es die Verhältnisse irgendwie verlangten, Ein Preisausschreiben für reichsdeutsche im Stich zu lassen. Noch im gleichen Jahr gelangte er nach Breß- Münzen und Briefmarken. Der Dürerbund" macht im

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