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Hermann Kurz , ein Sohn des Juragebirges aus dem schüßenden Arme des vorher verschmähten deutschen träumerischen „ Schwarzbubenland", wo die Leute mit Troß und Willen wohnen, Musterknaben Arnold übergeht. Das alles ist im Grunde nicht umflötet zwar nicht unentwegt in feinem Buche von den Scharten- mehr als die mit quellender Phantasie unterhaltend erzählten mättlern auf schmachtender Schalmei sein Stückchen Erde . Er Liebesaffären eines unkontrollierbaren modernen Weibes mit wollte wohl zeigen, wie das knorrige Land auch knorrige Charaktere Nerven, Wollustanfällen und ästhetischen Ambitionen. Treibender hervorbringt, jene freudlosen Einsamkeitsmenschen, die ihr Glück Faktor ist am wenigsten das Blut, sondern der Kopf, das Dekadenznicht finden, weil ihre innere Natur selbst an Beglückendem so arm Hirn. Mehr noch das Milieu, am meisten der Zufall. Denn wenn ist. Aber da der Verfasser sich auf das stark zurechtgebogene Ginzel- der liebeskundige romanische Herr Pradi zufällig weniger Gewalts schicksal seines Adam Berger vom Bauernhof Schartenmatt versteift, mensch gewesen wäre, hätte wohl der germanische Passions- Arnold der als liebloser trubiger Eisentopf sich selbst um Glück und Ge- das Nachsehen gehabt und das ganze Problem wäre umgefallen. liebtwerden betrügt, bleibt auch diese literarische Heimatskunde" Viel mehr Esprit, als auf das Rassenproblem, ist, wie schon gesagt, nur eine enge oder äußerliche Bauerngeschichte, die sich zu typischer auf die Gesellschaftsklasse, in der man sich nicht langweilt, vers Schilderung nicht weitet. Dafür wurde für die Besonderheit des wandt worden, zu der Mann sich in ein satirisches Verhältnis Buches die Type, d. i. die Druckschrift, bemüht. In anspruchsvollen sehen möchte. Indessen er hat ein viel zu inniges Verhältnis mit Antiqualettern prangt das Buch, und das ist wohl das aller- diesen Menschen, die über der plebejischen Sphäre der sozialen modernste, daß man jetzt selbst Geschichten von kulturlosen Bauern Aufgaben, der großen Menschheitsfragen und Ideen Schweben und mit der Kultur der Ausstattung aufbläht. in Seelenruhe auf stilisierter Aristokratenhöhe faulenzen, als daß man ihm das recht glauben möchte. Mann hat das Wort Augenfultur" geprägt und erfaßt selbst in seinen Büchern als Quafi Kulturschilderer die Kultur nur mit den Augenleider, Manieren, Formen, äußere Vornehmheit sind die Stüßen dieser Augenkultur. Es gibt feine Kämpfe, nur Ekstasen, ästhetische, und erotische Nöte. Hauptsächlich die letzteren. Manns Geisterflamme bewegt sich wie die Flamme einer Kerze in der schwülen Atmosphäre des Geschlechtlichen. Das Seguelle ist Mittelpunkt. Und der in verblüffenden Bildern schwelgende Kunststil ist das spezifische. Manns Buch ist darum wohl ein Leckerbissen für die literarischen Feinschmecker, für die artistischen Salons, in denen die Sehnsucht im Plural gehandhabt wird, aber ein Menschheitsbuch ist es nicht. Denn die Kunst hat ihren Wert nur darin, in welchem Zusammenhange sie mit dem Leben steht. Mann blendet, entzückt zuweilen, aber seine Menschen schlagen teine ernsteren Schlachten, als diese ästhetischen Schmetterlingsschlachten. Die Literatur der Seelenstände" Hermann Bahr ist ihr unglücklicher Vater harrt ihrer Ueberwindung durch eine Literatur, die vom Safte des Lebens getränkt wird. Der Akrobatik des Persönlichkeitsstils könnte sie, wenn das Gedankliche erft in zweiter Linie kommt, als eines geistigen Haschischrausches entraten.
8wei Menschen, Roman von Georg Sped. Deutsche Verlagsanstalt , Stuttgart - Leipzig .
Von der ländlichen Zone geht es hier zur ästhetischen Zone über, jenem gefährlichen Literaturstrich, in dem die verschiedenen Koller umgehen. Der junge Schweizer Georg Speck hat wohl selbst noch eine recht konfuse Welt- und Lebensauffassung. Eine junge, Philosophie studierende Studentin schneidet einen Erhängten ab und rettet ihn für sich und ihre Liebe. Im ersten Teil der Geschichte, als der Selbstmordkandidat und die Philosophin zusammen hungern, scheinen die Zwei Menschen" Suchende, die mit sympathischem Ernst dem Sinn des Lebens nachgrübeln. Im zweiten Teil, da das Glück zu ihnen gekommen, scheinen sie Verirrte. Faselte er" im ersten Teil schon von Doktor Möbius' phyfiologischem Schwachsinn des Weibes, von dem monströsen Zwitterding der studierenden Frau, die besser die Herdflamme des Hauses hüten soll und setzte er der Brutalität der sozialistischen Taktik einfach und billig die Kraft des Guten, Starken, Schönen" entgegen, so sieht er im zweiten Teil das Leben nur noch als eine Schäfer- Idylle an, in der es keine andere Aufgaben, feinen anderen Zwed und keinen anderen Sinn gibt, als die Liebe. Und auch sie" hat die zielbewußte Philosophie an den Nagel gehängt und will nur noch die schönste Frucht des Lebens," die Liebe, genießen. Wer wollte die Krone des Lebens, die Liebe, schmähen? Aber diese zwei Speckschen Menschen verstehen die Liebe einzig als einen erotischen Schönheitstaumel, und als ihre Lüste matter zu brennen anfangen, wird ihnen das Leben schal und leer. Selbst ihr erwachsener Sohn, dessen Lebensbeschreibung sich wie ein Keil in den Roman einschiebt, so daß er nicht nur psychologisch, auch thematisch auseinanderklafft, vermag ihre sexuell durch fieberten Herzen nicht auszufüllen. Inmitten eines gefegneten Lebens voller Wohlstand, Harmonie und Sorglosigkeit sterben die zwei alternden inhaltslosen Menschen in Schönheit" durch Gift, weil sie fatt find aneinander", nicht ohne vorher noch einmal die finnliche Bust mit künstlich erwärmtem Blut bis zum Rausch ausgetoftet zu haben. Wenngleich der Autor auch nicht zu den konsequenten Erotikern unserer neuerotischen Dekadenzliteratur gehört, sondern zu den edleren unklaren Schwärmern mit dionysischem Rausch gezählt werden muß, so fliegt er doch mit seinem hochgespannten Schönheits- und Liebeskult utopistischen Welten zu, die mit unserer Welt der Arbeit, der Pflichten und der Lebensmeisterung nichts zu tun haben.
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Das Epos des Weizens von Frank Norris . Erster Teil: Der Oktopus. Eine Geschichte aus KalifornienDeutsche Verlagsanstalt, Stuttgart Leipzig .
Ich wüßte Manns Kulturpanoptikum, ebenso den piepsenden Naturschwärmern tein besseres Gegenbeispiel anzuführen, als diesen lebendigen Kulturroman des vielversprechenden, leider früh im Schaffen dahingerafften Amerikaners Frank Norris . Hier braust eine Natursymphonie in vollen Afforden, hier wird künstlerisch wie inhaltlich ein gleich grandioses Abbild des kalifornischen Weizenlandes gegeben voller Kraft und Poesie. Oktopus ist der Name jenes Meerungetüums, das mit seinen Polypenarmen seine Opfer vernichtet und unbarmherzig, wie dieses Ungeheuer, richtet drüben auf einer glücklichen, gesegneten Erde der Oktopus „ Eisenbahntrust" die Weizenbauer zu Grunde. Die wirtschaftlichen Probleme des Farmerlandes, der Kampf der Eisenbahn mit dem blühenden fruchtbaren Reiche des Pflugs hat der Verfasser in meisterlicher Darstellung geschildert, die ganze Fülle des kalifornischen Lebens, die Poesie der Poesielosigkeit vor uns ausges schüttet. Hier ist ein Buch, das tief im Leben und seiner Kämpfe wurzelt, das seinen Stützpunkt in der Wirklichkeit hat und Anschluß an die großen Menschheitsschmerzen und Menschheitsfreuden findet und dabei doch übergossen und vergoldet ist von der Sonne der Poesie. Mit dichterischem Schwung wird gezeigt, wie der Pflug in heldenhafter Umarmung das braune Fleisch der Erde auf Nach Specks Derwischtanz einer philosophisch und ästhetisch wühlt in unersättlicher Begierde, furchtbar und herrlich zugleich folorierten Grotit, schwimmen wir jetzt bei Mann ganz im und wie der Oktopus Eisenbahn, die fühllose Macht mit dem Artistischen, bei dem ein zu persönlichster Form gezüchteter Stil Herzen bon Eisen die Weizenbauer ruiniert und ihr das Gedankliche überglänzt. Heinrich Mann ist ein exquisiter Spekulationstarif den Erlös der Farmerleute auffrißt. Toilettenkünstler seines Geistes, dieses Geistes, der auch im Stoff- Wie die Opfer gegen diesen Trust aufstehen und eine lichen nicht gern bei schlecht angezogenen Leuten verweilt. Jch Liga bilden und doch jämmerlich unterliegen und eigenhabe nach der Lektüre dieses neuesten Romans aus der Welt der tumslos werden, obgleich ringsum die Fruchtbarkeit schwillt. Müßiggänger den Eindruck gehabt, als ob der Verfasser nie weniger Wie zuletzt in einer Art Vergeltung das grausame Werkzeug des dem Leser zu sagen gehabt hätte. Gewiß, er ist ein vorzüglicher ausbeuterischen Eisenbahntrust, Behrmann, von der unaufhaltsam Schilderer jener Schicht der Genüßlinge, für die das Leben ein aus der eisernen Rinne in den Schiffsraum niederrieselnden Flut einziger Tummelplatz vornehmer Passionen ist, aber diese Spezies der Weizenkörner erstickt wird. Ein apokalyptisches Bild! Das alles hat er in seinem vortrefflichen Schlaraffenland vollauf erschöpft leuchtet in glühenden Farben, dramatisch bewegt, im Buche auf. und nach der mit unerhört psychologischer Spürkraft geschriebenen Man spürt den Geruch der stroßenden Erde, den warmen Hauch Jagd nach Liebe ist Mann gierig aber wenig glücklich auf der des Weizens, den Atem des Lebens, die Gestalten wandeln in Jagd nach neuen Problemen boll tieferer Bedeutung. Wohl erst Fleisch und Blut. Und was für Gestalten! Dieser herrlich trubige hinterher, nachdem dieses ganze raffiniert durch den Besonder- Annigter, dieser visionäre Schäfer Vanamee mit der zärtlichen heitsstil gehobene Kulturpanorama fertig war, ist ihm daher der Romantik seiner Liebe, dieses Gesundheit strahlende Milchmädchen bedeutungsvolle Titel: Zwischen den Rassen gegeben worden. Denn voll Gefühl und Güte Hilma Tree! Man müßte ganze Seiten das Rassenproblem ist hier mit einer sehr starken Willkür und mit dieser prachtboll plastischen Schilderungen abschreiben, wollte man sehr wenig logischer Beweiskraft behandelt worden. Lola ist die einen Begriff der epischen Größe dieses sozialen Kulturgemäldes Tochter zweier Rassen, ihr Vater ist Deutscher, ihre Mutter Bra- geben, in dem bei aller Zolaschen Gegenständlichkeit doch der Puls filianerin. Mann schiebt nun dieses weibliche Mischprodukt mit einer begnadeten Kunst heiß und vernehmlich klopft. Die Getreideentzündeter Phantasie zwischen den Rassen hin und her. Natürlich börse, eine Geschichte aus Chicago , die den Umsatz des Weizens, ist auch hier die ganze Geschichte beim Sexuellen gefaßt. Lola und: Ter Wolf, eine Geschichte aus Europa , die den Verbrauch ist Brasilianerin, ihr Blut flammt tropisch, so lange die Liebes - des amerikanischen Weizens zum Gegenstand haben sollte, waren tünste des Jtalieners Pardi ihren Wollusthunger stillen. Nachdem als weitere Teile des Epos des Weizens vorgesehen. Der Tod fie seine brutale Cäsar- Borgia- Natur erkannt hat und ihre leiden- machte einen Strich durch diesen homerischen Plan des Verfassers. schaftliche Erotik satt ist, wird sie eine Deutsche, indem sie in die Eine Frau des Romans sagt zu eir em Dichter, in dem sich Frank