— 523— tffi Empfindungen zugtunde liegenden Reize dem Geihirn über. mittelt werden, so auf den elektrischen Drähten die feineren zur Rachrichtengebung dienenden Zeichen in dem großen Gescllschafts- organismus. Der stoffliche Transport geschieht im Körper in den Blutbahnen, den Adern, in denen die schweren Blutkörperchen fort- bewegt werden. Ihnen entsprachen dann bei diesem Vergleich die gewaltigen Lasten, welche auf den Eisenbahnen mittelst der Dampf- kraft befördert wurden, der man diesen gröberen Verkehr im Ge- sellschaftsorganismus für immer vorbehalten glaubte. Aber das war ein Irrtum. Neben der in der Telegraphie und Telephonie zur Anwendung kommenden Schwachstromtechnik hat sich auch die der starken Ströme in überraschender Weise entwickelt. Zur Erzeugung starker Ströme durch gewaltige Dynamomaschinen ist die Möglichkeit gekommen, diese Ströme meilenweit fortzuleiten und vielfach zu teilen und an den verschiedensten Orten zur Verwendung zu bringen, zu einem großen Teile in der Form, daß sie, in Dynamomaschinen geleitet, diese ihrerseits in Bewegung setzen und dadurch die zu ihrer Erzeugung aufgewendete mechanische Arbeit aus der Maschine zum größten Teile wieder herausziehen. Darauf beruhen die Elektromotoren, die in immer mannigfacheren Formen zum Be- treiben von Werkzeugmaschinen benutzt werden. Ein Hauptgebiet. das sie erobert haben, ist auch das des Verkehrs: die elektrischen Bahnen. Der Straßenbahnbetrieb ist im Verlaufe von noch nicht 30 Jahren fast gänzlich unter die Herrschaft der Elektrizität ge- kommen, durch welche die unmittelbare tierische Kraft der Pferde und die auf den Straßen niemals zu großer Ausdehnung gelangte Kraft des Dampfes fast vollständig verdrängt sind. Neben den Straßenbahnen erobert der elektrische Betrieb all- mählich auch den städtischen Verkehr auf gesonderten Bahnanlagen unter und über der Straße, wie er uns.n elektrischen Schwebe» bahnen sowie in Hoch- Und Untergrundbahnen entgegentritt. Die Umwandlung des Betriebes der Berliner Stadtbahn z. B. in einen elektrischen dürfte nur noch eine Frage ziemlich kurzer Zeit sein. Auch in den Fernverkehr dringt der elektrische Betrieb mit Erfolg ein; bereits ist der Vorortverkehr auf verschiedenen Strecken elek- trisch, und die Versuche mit elektrischen Schnellbahnen, welche ehre Geschwindigkeit von 200 Kilometer in der Stunde überschritten, zeigen uns die elektrische Bahn mit Sicherheit als das Haupt- Verkehrsmittel der Zukunft. Unter den hervorragendsten Anwendungen des elektrischen Stromes darf das elektrische Licht nicht übergangen werden— drängt es sich uns doch täglich ganz unmittelbar auf. Ein Gang durch eine Hauptstraße der Großstadt zeigt uns auf das eindring- lichste, mit welcher Lichtfülle der elektrische Strom uns versieht. Die Schaufenster der größeren Geschäfte sind elektrisch erleuchtet, vielfach von innen durch zahlreiche elektrische Glühlampen, viel- fach auch von außen durch eine Reihe großer Bogenlampen, die eine geradezu märchenhafte Helle im ganzen Umkreis des Schau- fenstcrs verbreiten. Auch die öffentliche Beleuchtung tritt immer mehr und mehr unter die Herrschaft der Elektrizität, und wenn wir neben den erleuchteten Straßen und Plätzen auch eine ganze Reihe solcher haben, die ihr Licht durch Gas empfangen, so darf nicht übersehen werden, daß der mächtige Anstoß zur Vervollkommnung. den die Gasbeleuchtung in den letzten 20 Jahren erhalten hat. vor allem der drohenden Konkurrenz des elektrischen Lichtes zu danken ist. Unsere kurzen Andeutungen erschöpfen oen Inhalt des Werkes von Beck natürlich bei weitem nicht. Selbstverständlich ist bei der umfassenden Anlage des Werkes, daß nicht alle Teile gleichmäßig gut ausfallen konnten. Der Verfasser betont, daß er eine gemein- verständliche Darstellung geben wollte,„ohne daß doch dem Werke an wissenschaftlicher Gründlichkeit etwas abgehe." Im allgemeinen ist ihm die populäre Darstellung auch gelungen. Dagegen will es uns scheinen, als ob einzelne mehr wissenschaftliche Teile, z. B. die Darstellung des absoluten Maßsystems, nicht genügend verständlich sind, ja, die Definition des„Potentials" läßt jede Bestimmtheit vermissen; indem mit einem„unendlich kleinen elektrischen Kör- perchcn" und mit einem„sehr kleinen elektrischen Teilchen" operiert wird, geht jede klare und deutliche Begriffsbestimmung überhaupt verloren.. Indessen fallen diese und andere kleine Mängel den vielen Vor- zügen des Werkes gegenüber nicht sehr ins Gewicht. Als einen besonderen Vorzug müssen wir die beigegebenen zusammenlegbaren Modelle eines Akkumulators, eines Fernsprechers und einer Dy- namomaschine nebst ihren Beschreibungen erwähnen. Diese Modelle geben in viel instruktiverer und anschaulicherer Weise als es durch bloße Zeichnungen möglich wäre, eine deutliche Vorstellung von diesen wichtigen Apparaten. Lt. kleines femUeton. Die Feinde der Museen. Am letzten Sonntag hat die Zer- störung eincS großen Bildes„Die Sündflut", eines Meisterwerkes von Poussin im Louvrc, die Pariser Kunstwelt i» große Auf- regung versetzt. Ein Fanatiker zerfetzte, wie berichtet, am hellichten Tage das Gemälde mit einem Messer. Der Fall zeigt aufs neue, daß auch die Museen, die als die Träger einer großen Kultur- Mission unter allgemeinem Schutze zu stehen scheinen, gerade in letzter Zeit in steigendem Matze von drohenden Gefahren umlauert stnd. Nicht nur verarmen nch heute SittlichkeitSkanatiker in einer seltsamen Wut an kostbaren Werken deS menschlichen Schöpfer» geistes häufiger, als man im allgemeinen annimmt; die schlimm» stcn Feinde nahen den Museen meist erst in der Nacht, und sie sind es, die den großen Kunstsammlungen schon mehrfach unersetzbaren Schaden zugefügt haben. Besonders die Pariser Museen haben in den letzten Jahren durch Diebstahl mancherlei Verluste zu be. tlagen, und nur das Glück fügte es, daß es dabei gewöhnlich nur mittelmäßige Kunstwerke Uaien, die spurlos verschwanden. Die meisten dieser kleineren Verluste stehen auf dem Konto von Amateurdieben, nicht selten auch von allzu Kunstbegeisterten, die irgend einer Statuette gegenüber der Versuchung nicht widerstehen können. Nicht so leicht dagegen sind die Verluste zu verschmerzen, die durch gewerbsmäßige Einbrecher den Museen zugefügt werden, von Männern, die skrupellos die kostbarsten Stücke vernichten, nur um das Rohmaterial, Gold, Silber und dergl. verkaufen zu können. Die„Lectures Pour Tous" wissen von einigen Fällen zu erzählen, die zeigen, wie kühn und überlegt die Gauner dabei zu Werke gehen. In Lyon z. B. wurde im Februar 1001 ein bedeutender Einbruch verübt und köstliche altrömische Prezwsen im Werte von mehreren hunderttausend Franks entwendet. Fast alle wurden eingeschmolzen und so an den Mann gebracht. Das Museum von Cholet wurde erst kürzlich um eine kostbare Serie alter Münzen beraubt, und auch das Guimet-Museum hatte vor wenigen Monaten einen ähnlichen Verlust zu beklagen. Einer der bcrühm» testen Einbrüche war der, der 1904 im Pariser „Cabinct national des medailles" verübt wurde. In einer Winternacht machte eine geschlossene Equipage an der Ecke der Rue Rivoli und der Rue Colbert Halt. Drei Männer erstiegen mit Hülfe einer Stange das Fenster zum Eabinet, durchbrachen die Gitterstangen und brachen ins Innere ein. Die Medaillenkästen zu sprengen, schien ihnen wohl zu gewagt, die verwegenen Gauner machten sich an die Kostbarkeiten, die unter Glas lagen. Durch dasselbe Fenster entkamen die Räuber. Nach einiger Zeit gelang es. die Gauner in Holland festzunehmen. Die Schätze waren zu berühmt, beim Verkauf eines Stückes wurden sie entdeckt. Allein die meisten Gegenstände waren schon eingeschmolzen oder zerstückelt, weiterver» handelt, und die Strafe konnte dem Museum die verlorenen Schätze nicht ersetzen. Noch immer war man in Paris jedoch nicht ge- witzigt, noch versäumte man cS» beizeiten vorzubeugen. Erst der „berühmte" Einbrecher Fossard übte in dieser Hinsicht eine er- zieherische Wirkung auf die Verwaltung. Es war im Jahre 1882 an einem Sommcrabend; Fossard war vor S Tagen ausgebrochen. Mit der Oertlichkeit und den Gewohnheiten des Hauses vertraut, betrat er den Studiensaal und mischte sich unter die Leser. AIS am Abend die Schließung angekündigt wurde, benutzte er den Trubel des Aufbruches, sich hinter eine Bücherwand zu verstecken. Der Saal leerte sich, die Beamten verschlossen den Raum und ent» fernten sich. Fossard stand unbeweglich. Nach einiger Zeit stummen Lauschen? trat er aus seinem Versteck. Mit einem Dietrich bahnte er sich durch die Seitenpforte einen Weg in das Münzkabinett. Er wußte, wo der Direktor die Schlüssel zu den Tresors zu verwahren pflegte. Im Handumdrehen war das Ver» steck gesprengt. Er war Herr der Situation. Mit sachlicher Ruhe begann er nun die Fächer zu inspizieren. Die Sammlung goldener römischer Kaisermünzen verschwand in einem Sack; dann wandte er sich zu den modernen Goldmünzen. Beim Morgengrauen ent- wich er durch ein Fenster, das zur Rue Rivoli führte. An einem Seil ließ er sich hinab, mit einer Goldlast von über 80 Pfund be- schwort. Es war Zeit. Eine Patrouille passierte, sah das offene Fenster, das herabhängende Seil und schlug Alarm. Allein man konnte nur noch den Einbruch feststellen. Damals war Vidocq Polizcichef. Als er den Tatort inspiziert hatte, stand bei ihm fest: „Es gibt nur einen Menschen, der dies vollbringen konnte: Fossard." Fossard hatte inzwischen seinen Raub zu seinem Bruder, einem Goldarbeiter getragen, und die beiden begannen sofort mit dem Einschmelzen. Allein schon begannen die Zeitungen Lärm zu sailagcn. Die Goldarbeitcr bekamen Angst. Wenn die Polizei käme! Das Gold mußte verschwinden. In der nächsten Nacht, eS war sehr finster und neblig, ruderte er in die Seine hinaus. An einem Pfeiler der Brücke de la Tournelle versenkte er den Schatz. Inzwischen war Vidocq ihnen schon auf den Versen. Als der Sehler hcimiam, war sein Haus besetzt; sein Bruder verhaftet. Niedergeschmettert gestand der Ueberraschte alles. � Die Säcke mit dem Gold wurden gehoben; aber die 2000 kostbaren Münzen der römischen Sammlung waren nur noch ein Haufen unförmiger Goldklumpen. Die Abschätzung ergab einen Goldwert von 120 000 Franks; allein der Kaufwert der seltenen Stücke ging weit über 3 Millionen hinaus und war unwiderbringlich dahin. Nun wur- den die Muscumsverwalter vorsichtig: der Louvre wurde zu Nacht» zeiten mit Polizeiposten umgeben, im Museumspcrsonal ein regel- rechter Nachtdienst organisiert, und schließlich ging man dazu über» in besonders gefährdeten Sälen Wächtern ein reguläres Nachtlager einzurichten. Anatomisches. Die Gehirne Mommsens, BunsenS und Menzels hat jetzt Dr. Hansemann in der„Biblioteca Medien" behandelt. nachdem er schon früher eine Arbeit über daS Gehirn von Helmholtz veröffentlicht hatte. Mommsen war bei feinem Tode bekanntlich 8S Jahre alt. Sein Kopfumfang maß 56, der Umfang des bloßen Schädels 54'/z Zentimeter; das Gewicht_ des Gehirns erreichte mit 142ö Gramm nur einen mittleren Wert, iedoch konnte angenommen
Ausgabe
24 (10.7.1907) 131
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