— 524—Verden, daß es in früheren LebensZahren wesentlich höher gewesensein mußte und nur im Greisenalter einen stärkerei» Schwund er-litten hatte. Die beiden Halsten des Großhirns wareneinander im ganzen gleich. Die Partien der Stirn unddes Hinterhauptes waren hervorragend entwickelt, während diesogenannte Assoziationssphäre, die seitlich an den Schläfenliegt, zwar reichlich, aber nicht übermäßig gegliedert erschien. Diefür die Sinnestätigkeit und dre Muskelbewegungen verantwortlichenTeile des Gehirns waren nur einfach ausgebildet, wonach es sicherklärt, daß Monimsen eine geringe Geschicklichkeit der Gliedmaßenbesaß, übrigens auch wenig musikalisch war. Vom Standpunkt desGehirnphysiologen kennzeichnet Hansemann den großen Historikergleichzeitig als einen hervorragenden Juristen und Philologen mitaußergewöhnlichem Gedächtnis, scharfer Kombinationsgabe, großerOrganisationsfähigkeit und auch hervorragender dichterischer Be-gabung. Bunsen, der berühmte Chemiker, ist sogar noch zweiJahre älter geworden als Mommsen. Sein Gehirn wog nochweniger, nämlich 12gö Gramm, war aber jedenfalls auch vorBeginn des hohen Greisenalters viel schwerer gewesen. Die beidenHälften des Großhirns waren weniger gleich entwickelt, indem dielinke Seite eine viel reichere Gliederung aufwies, namentlich in dender Stirn zugewandten Teilen. Auffallend war die hohe Ausbildungder hinteren Assoziationssphäre. Bunsen besaß eine ungewöhnlicheGeschicklichkeit der Hand. Im übrigen nennt Hansemann als seinebesonders hervorragende Fähigkeit das Ersinnen neuerMethoden und die Vereinfachung bereits bekannter Forschungs-mittel. Menzel hat nun wiederum Bunsen noch um ein Jahrgeschlagen. Sein Gehirn unterschied sich von den beidenvorigen dadurch, daß es keine Veränderungen durch das Alter er-kennen ließ. Dagegen trug eS die Anzeichen eines leichten Gradesvon Wafferkopf, worauf man schon bald nach dem Tode Menzelsaufmerksam gemacht wurde. Der Entzündungsvorgang, der dazugeführt hat, muß jedoch in frühen Lebensjahren gelegen haben undfür die spätere Entwickelung ohne weiteren Einfluß gewesen sein.Die einzige Aeußerung waren leichte epilepfieähnliche Krampfanfälle,an denen Menzel zeitweiNg gelitten hat. Die Gliederung der Ge-Hirnwindungen war bei Menzel ungewöhnlich stark, der Unterschiedzwischen den beiden Hälften de? Großhirns noch viel bedeutenderals bei Bunsen; sie glichen einander so wenig, daß ein Gehirn-anatom, dem sie einzeln vorgelegt worden wären, gar nichtdarauf hätte schließen können, daß sie von demselben Menschenstammten. In diesem Falle war die rechte Gchirnseite weit stärkerentwickelt, besonders alle Gebiete, die auf Projettion und Assoziationvon Einfluß sind. Besonderes Gewicht wird auf die einfache Ge-stalwng der sogenannten Inseln gelegt, aus der sich vielleicht dieberühmte Wortkargheit Menzels erklären ließe. Aus dem ganzenAufbau des Gehirns spricht eine große Originalität. Im übrigenmeint Professor v. Hansemann, daß weder das Hirngewichtnoch die Größe mrd Form de? Schädels einen Maßstabfür die Intelligenz abgeben können, sondern nur die Zahl,Form und Anordnung der Hirnwindungen. ferner die Ent-faltung der Oberfläche des Großhirns und die Entwickelungder Assoziationsgebiete in der Stirn und im Hinterhaupt. Da auchMänner wie Mommsen und Bunsen, die bis in ihr höchstes Altereine große Geistesschärfe bewahrt haben, einen Altersschwund anihrem Gehirn erlitten haben, liegt der Schluß nahe, daß der Alters-fchwachsinn nicht durch diesen Vorgang allein hervorgerufen wird,sondern daß noch andere krankhaste Veränderungen bei seiner Er-zeugung hinzukommen müssen.Vom psychologischen Gesichtspunkt aus ist zu diesen Gehirn-Untersuchungen zu bemerken, daß die Lokalisation bestimmter Fähig-ketten sehr fraglicher Art ist.Technisches.Der Rekord des englischen Patentamts. DerGeneraldirektor des englischen Patentamts hat über die Tätigkeitdieser Anstalt während des Jahres 1906 jetzt einen amtlichen Berichterstattet, aus dem hervorgeht, daß die Inanspruchnahme dieserstaatlichen Behörde noch immer in der Steigerung begriffen ist. DieGesamteinnahmen beliefen sich auf 5 722 840 M. oder überSOV OOO M. mehr als im Jahre 1906. Die Zahl der Anmeldungenhatte um 2425 zugenommen. Es war in manchen Kreisen voraus-gesetzt worden, daß die neuen Patentakte vom Jahre 1902 einenabschreckenden Einfluß auf die Erfindungen haben würden, doch hatsich diese Vermutung durchaus nicht bestätigt. Die Zahl dererteilten Patente betrug im vorigen Jahre 13 228, wozu über21 000 vorläufige Eintragungen kamen. Die Gesamtzahl derSchutzerteilungcn belief sich aus 39 240. wovon 14 707 auf Patenteentfielen. Von letzterer Ziffer käm etwa die Hälfte mit7735 auf britische Untertanen. Von anderen Ländern warenAmerika mit 2595, Deutschland mit 2091, Frankreich mit769, Oesterreich-Ungarn mit 257, die Schweiz mit 190 und Kanada,Belgien, Italien und Schweden mit noch geringeren Zahlen beteiligt.Der Hauptgrund für die ungewöhnliche Lebhaftigkeit des Erfinder-geistes, der sich in der Tätigkeit des Patentamtes widerspiegelt, wirdin dem Eifer gefunden, der sich in der Motorwagenindustrie ent-Wickelt hat. So wurde allein eine'große Zahl von Patenten nach-gesucht für Erfindungen, die das seitliche Gleiten von Motoromnibussen verhindern sollen. Große Aufmerksamkeit ist ferner denPneumatiks gewidmet worden. Ferner sind unter diesen Einzelheitenderselben Industrie Vorrichtungen zum Wechsel der Geschwindigkeit�Windschirme, Mittel zur Staubverhütung, neue Petroleummotoren,Erleichterungen für die Handhabung und Aufbewahrung von Petroleumin großer Zahl vertteten. Am Ende deS vorigen Jahres habendie Preisausschreiben für erfolgreiche Erfindungen an Kugmaschine»ein großes Wetttennen der Erfinder auf diesem Gebiete hervor»gerufen. Eine Reihe von Patenten beschäfttgte sich ferner mit demhängenden Gaslicht und seiner Anpassung an gewöhnliche Anlagen�Auf dem Felde der elekttischen Beleuchtung war gleichfalls eine be»deutende Zunahme der Erfindungen zu verzeichnen, die sich Haupt»sächlich auf die Einführung metallischer Glühkörper für Glühlampenund auf die Benutzung metallischer Elektrode» in Bogenlampen be-zog. Eine bettächtliche Zunahme wies auch die Zahl der Patenteauf, die mit der Farbennidusttie in Verbindung stehen, namentlichdurch Einführung neuer Schwefelverbindungen der Indigo- Reihe.Andere Gegenstände, die von allgemeinerem Interesse sind, hattenden Gewinn einer verstärkten Zemenlkonstruttion für Gebäudeund die Einführung eines neuen Funkenschutzes für Lokomotivenzum Zweck.Humoristisches.— Gipfel der Prüderie.„Als ich Sie das erste Malsah, trugen Sie noch kurze Kleidchen." Dame(verschämt): ,OH— hlDas haben Sie sich gemerkt I"— Das Verhängnis. Papa(zum kleinen Fritzl):„Wiekommt das, daß Du wieder lauter Vierer in Deinem Zeugnis hast?"Fritzl:«Ach, Papa, ich muß einen schlechten Platz in derSchule haben... der vor mir dort saß, der hatte auch immerlauter Vierer!"— Auftrag. DaS kleine Lenchen:„Mama, sag' doch'malder Kuh, daß sie nicht immer solche Haut aus die Milch macht I"— Gemütlich. Herr(im Dorfwirtshaus, beim Esten):„Sie haben merkwürdig viel Fliegen hier, Herr Wirt, wie kommtdenn das?"Wirt:«DöS is' bloß z' Mittag; dö ander' Zeit san s' allweilam Misthauf'n drauß'nl*l»Meggendorfer Blätter".)Notizen.•»» Kü n stler, die nicht prämiiert werden. InBerliner Künstlerkreisen soll man darüber einigermaßen ungehaltensein, daß der Vorschlag der Berliner Kunstausste'llungsjury, dem Bild-Hauer Hugo Lederer, dem Schöpfer des Hamburger Bismarckdenkmals.die große goldene Medaille zu verleihen, vom König von Preußennicht angenommen wurde. Meines Erachtens sehr zu Unrecht.Der König macht von seinem Berleihungsrecht den Gebrauch, derihm gutdünkt. Warum ihm Lederer nicht paßt, ist seine Privat»affäre. Etwas anderes ist es freilich, ob man derartige absoluttsttscheMackitvollkommenheiten für eine angemessene Einrichtung halten will.Darüber sollten sich die Künstler klar zu werden versuchen.— Die„Revolution" darf die Grenze nichtpassieren. Folgende nette Geschichte wird aus dem Elsaßberichtet: Ein seltsames Schicksal erlebte vor einigen TagenFreiligraths bekanntes Gedicht«Die Revolution", dasder Festschrift des deutschen Arbeitervereins in Basel zum 75jährigenJubiläum als Geleitwort borgedruckt war. Von der Festschriftsollte eine Anzahl Exemplare bei Hüningen über die elsäsfischeGrenze transporttert werden. Die Zollbehörde verkündete jedoch alsResultat der eingehenden Durchsicht, daß sie die Druckschrift nichtpassieren lasten könne. Die Zollbeamten seien berufen, an derUnterdrückung der Revolution mitzuhelfen. Im übrigen, so berichtetdie„Volkszeitung" in Mülhausen, erklärte der Zollbeamte, das Ge-dicht sei gar nicht von Freiligrath. Er kenne den Dichter persönlich.Freiligrath mußte also umkehren, um später unbeanstandet amelsässischen Zollamt bei St. Ludwig über die Grenze zu wandern.— Entente cordiale(spr. angtanat kardial) heißt aufdeutsch: herzliches Einvernehmen. Der Ausdruck war im Jahre 1840von Louis Philipp, König von Frankreich, beim Besuch der KöniginViktoria im Schloß Eu in der Normandie als Losung gebraucht, umdamit ein Ende alter Feindseligkeiten auszudrücken. Heutzutagenennt sich ein rühriger französisch-englischer Berein, der seinen Sitzin London hat und viele Mitglieder zählt: Entente cordiale. Er wurdeim Jahre 1895 mit der Absicht gegründet, durch gesellschaftlichen Verkehreine steundliche Verbindung und Verständigung zwischen den beidenVölkern anzubahnen. Freundschaftliche Bande werden dort geschlossenoder gefestigt, was um so leichter geschehen kann, als die Erörterungvon Parteipolitik ausgeschlossen ist. Seit dem neuen Vertrage, denEduard VIL und Loubet veranlaßten, ist die Mttgliederzahl von 200auf 500 gestiegen. Das für das deutsche Auge lächerliche WortEntente, ein Licblingswort der sogenannten hohen Diplomatie, istfür uns ganz überflüssig und bedeutet weiter nichts als Berstän-digung oder Einvernehmen.Verantw. Redakt.: Carl Mermuth, Berlin-Rixdorf.— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagtanstalt Paul Singer L»Co.. Berlin LW.