eine rohe und unberdauliche Kost zurückzuführen sind oder auch auf eine unzweckmäßige Zusammenstellung von Nahrungsmitteln. Kalte Getränke, unreifes Obst, junges Bier, saure Milch, schlechtes Trinkwasser sind im Sommer in erster Linie die Diätfehler, welche in Frage kommen und natürlich einen besonders schädlichen Einfluß ausüben, wenn sie in unzweck- mätziger Zusammenstellung genossen werden, wie es ja allgemein bekannt ist, daß Milch, Bier und Obst zusammen sehr leicht einen akuten Darmkatarrh herbeiführen können. Zu den Nahrungs- Mitteln, die uns durch eine leichte Verderblichkeit gefährlich sind, gehören besonders Fleisch und Fische, weshalb wir im Sommer von Fleisch- und Fischvergiftungen hören. Natürlich werden die erwähnten Schädlichkeiten um so leichter den Darm beeinflussen, wenn es sich um Kinder, zarte Frauen, in ihrem Ernährungs- zustande herabgesetzte Menschen und alte Leute handelt. Gefährdet sind auch vor allem Wöchnerinnen, selbst solche, bei denen die Ge- burt ganz normal verlief, ohne daß ein besonderer Grund dafür anzugeben wäre. Alle diese Ursachen wirken um so leichter in nach- teiliger Weise ein, wie jede andere ganz geringfügige diätetische Sünde, wenn Störungen der Darmtätigkeit schon aus irgendeinem Grunde bestanden haben. Eine ganz geringe Zersetzung der Nahrungsmittel, wie sie im Sommer so überaus leicht vorkommen kann, von der der Gesunde noch nichts merkt, zeigt sich prompt durch einen akuten Darmkatarrh an. In dieser Jahreszeit sind auch Erkältungseinflüsse sonderbarerweise viel leichter Ur- fachen zu Darmstörungen, weil man in bezug auf die Kleidung des Körpers und auf unvorsichtige Entblößung des Unterleibes weniger sorgfältig ist als in der kalten Jahreszeit. Gerade in diesem Jahre haben die Aerzte vielfach Gelegenheit gehabt, das zu beob- achten, weil es den wenigsten einfällt, sich nach dem jähen Witte- rungswechsel und den Temperaturschwankungen zu richten. Dazu kommt noch bei länger anhaltendem Regenwetter die Durchnäffung der Haut, besonders an den Füßen, denn die Schutzmittel, die man im Winter dagegen zur Anwendung bringt, die Gummischuhe usw., benutzt man im Sommer nicht gern, sondern trägt mit Vorliebe leichtes Schuhwerk. Mit Recht wird heute von einer großen Anzahl von Aerzten und Laien als bestes Vorbeugungsmittel hiergegen die Abhärtung empfohlen, vor allem aber Licht-, Luft- und Wasser- bäder, was wir hier gleich vorweg nehmen wollen. Die Erscheinungen, die ein derartiger akuter Darm- katarrh hervorruft, sind nicht immer die gleichen, denn es handelt sich darum, ob die Erkrankung nur auf den Darm beschränkt bleibt oder auch andere Organe, vor allem den Magen in Mitleidenschaft zieht. Das letztere ist besonders bei den Kindern der Fall, bei denen sich die Störung der Darmtätigkeit als Brechdurchfall zu erkennen gibt, während bei Erwachsenen die Beteiligung des Magens seltener ist. Die Krankheit beginnt meistenteils plötzlich, und zwar oft sofort mit Durchfall, dem aber auch kürzere oder längere Zeit Unbehagen im Leibe, wühlende, kneifende Schmerzen, zuweilen auch kolikartige Beschwerden vorhergehen können. Unsere Vorfahren nannten diesen Zustand Darmgicht oder Darmgrimmen. Als Beweis dafür mag ein Ausdruck von Georg H e n i s ch(teutsch sprach und Weisheit usw., Augsburg   1616) dienen, der den Zu- stand:Darmgicht, das Grimmen   über dem Nabel" nennt, und von L o g a u erfahren wir in seinen Sinngedichten(Breslau 1654): bei Hofe gilt der junge rat wie ein junger wein, wiewohl er darmgicht gerne bringt, noch geht er lieblich ein." Nach den Entleerungen werden die Bauchschmerzen meist geringer, kehren aber bald wieder. Als Voraussetzung für das Zustande- kommen der Diarrhöe muß die gesteigerte Peristaltik des Darmes bezeichnet werden, d. h. diejenige Muskeltätigkeit, die dazu dient, den Inhalt hinauszuschaffen. Sie entsteht hauptsächlich durch die abnorme, den eigentlichen Reiz darstellende Beschaffenheit dcS Darminhalts. Man wundert sich oft darüber, daß die Stühle so viel unverdaute Nahrungsreste, ja, sogar Stoffe, die sich bereits in einem leicht aufsaugbaren Zustande befinden, enthalten. Das kommt von dem zu kurzen Aufenthalt im Darmkanal und der Ver- schlechterung der Aufsaugungsfähigkcit der Schleimhaut. Wenn sich eine vermehrte Gasentwickelung einstellt, so werden die Därme gebläht, drücken das Zwerchfell in die Höhe und verursachen da- durch Brustbeklemmung, Herzklopfen und Luftmangel. Die starke peristaltische Unruhe der Därme zeigt sich auch durch das laute Kollern. Das Allgemeinbefinden leidet oft außerordentlich, wie das wohl schon jeder an sich selbst durchgemacht hat._ Leider sind die Menschen im Anfange, wenn sich die ersten Er- schcinuvgen des akuten Darmkatarrhs zeigen, sehr nachlässig, da die Redensart gewöhnlich lautet:Es wird schon von selbst wieder vorübergehen." Gewiß ist das oft der Fall, denn der Körper hat das Bestreben, die ihm schädlichen Stoffe bald wieder loszuwerden, und häufig gelingt ihm dies auch, wenn nicht gerade neue Sünden nach der einen oder anderen Richtung hinzukommen. Es gibt da eine ganze Reihe von sogenannten Hausmitteln, die dann in Wirksamkeit treten. Das erste, was man in dieser Beziehung zu tun pflegt, ist, daß man den Betreffenden ins Bett steckt und auf den empfindlichen Leib Wärme in irgend einer Form einwirken läßt. Das kann man in verschiedener Weise tun, nämlich als heiße Umschläge, heiße Tücher oder erwärmte Teller, wodurch bald die wohltuende hohe Temperatur der Bauchhaut erzeugt wird, die die Schmerzen stillt und auch die Darmtätigkeit beruhigt. Die wissenschaftliche Wasserheilkunde nach Prof. Winternitz   kennt noch andere Mittel, die einen derartigen lindernden Einfluß aus- üben, nämlich Halb- und Sitzbäder, nur ivenige Grade unker de« Blutwärme, von langer Dauer(eine halbe bis eine Stunde). feuchte Einwickelung in gut ausgewundene Leintücher in der Dauer von ein bis zwei Stunden mit nachfolgendem Halbbade von 24 bis 20 Grad Reaumur, Leibbinde bis zur völligen Erwärmung und Trockenwerden, sowie den über einen feuchten Umschlag applizierten heißen Wagenschlauch. Was die Diät anbetrifft, so ist das beste Mittel der Hunger, und zwar mindestens 24 Stunden lang. Sonst sind durchgeseihte schleimige Suppen von Reis oder Gerste oder Hafer am Platze, wobei man unserer Ansicht nach den Rotwein wohl entbehren kann. Wenn diese vertragen werden, so geht man allmählich zu anderen leichten Suppen über. Nahrungsmittel, die sonst auf die Darmperistaltik hemmend einwirken, gibt es sehr wenige. Es sind besonders die, welche einen starken Gehalt an zusammenziehenden Substanzen, insbesondere von Gerbsäure haben. Hierher rechnet man für gewöhnlich(nach Ewald(Handbuch der Ernährungstherapie und Diätetik, heraus- gegeben von E. v. Lehden) die getrockneten Heidelbeeren und dis französischen   Rotweine, sowie den Tee und Kakao. Wie weit Ei- weißwasser, geschabtes rohes Fleisch, geschabter roher Schinken. Hammelfleisch mit Reis, ferner Reiswasser, Neismehl, Sago  . Tapioka, Brotkrusten trocken in etwas Wasser ausgeweicht, welche alle praktisch bewährte stopfende Mittel sind, aktiv wirken oder nur dadurch gut tun, daß sie dem gereizten Darm keine neue Schädlichkeit zuführen, möge dahingestellt bleiben. Hilft das alles nicht, so muß der Arzt um Rat gefragt werden. der dann auch anordnen wird, oh Abführmittel angebracht sind oder was sonst nötig ist. kleines Feuilleton. Die Sprache der Schwarmerzeit. In dem in diesen Taget! erscheinenden Heft derStunden mit Goethe"(Berlin  , Mittler u. Sohn) veröffentlicht der Herausgeber Wilhelm Bode   einen Artikel über die Sprache der Schwarmerzeit, aus dem wir im Folgenden einiges wiedergeben. Selbst beim Lesen der Briefe Goethes an Frau von Stein, in denen immer wieder von Liebe die Rede ist. in denen das vertraute Du mit dem vorgeschriebenen Sie wechselt und der Verliebte Bänder, Schleifen und Westen von der Geliebten begehrt, mutz man immer dessen eingedenk bleiben, datz diese Briefs um 1780 geschrieben sind, und man muß die Sprache jener Zeit kennen, um den Wert der Worte richtig zu bemessen. Es ist be- zeichnend daß man damals, um Freundschaft auszudrücken, sogleich» von Blutsverwandtschaft sprach, daß es also recht raschBruder". Schwester",Mutter  " undSohn" hieß. Der junge Herr von Kalb   holte Goethe in den ersten Novcmbertagen 1775 nach Weimar  ab und lernte dabei des Dichters Eltern kennen. In einem Briefs vom 16. Mai 1776 nennt er sie darauf seineLiebsten Eltern'' und unterzeichnet sich als ihrtreuer Sohn". Es war vermutlich der einzige Brief, den diesertreue Sohn" an seineliebstem Eltern" richtete, denn seine Freundschaft mit seinemBruder" Goethe hatte keinen langen Bestand. Frau Aja   aber hatte min« bestens zwei Dutzend solcher und besserer Adoptivsöhne. Auch Wieland, der kein Jüngling mehr war, gehörte zu ihnen. Charak- teristisch ist sodann das Durcheinanderwerfen von Du und Sie in der Anrede. Heute bedeutet der Uebergang zum Du sehr viel, da- mals war man sehr rasch zum Duzen bereit, ließ aber dabei daI Sie nicht immer fallen. Um ein Beispiel zu geben: Herder   und Karoline Flachsland   waren seit April 1771 heimlich verlobt, aber in ihren Briefen, wie zärtlich sie auch waren, wechselten sie bis zur Hochzeit Du und Sie ab. Und man kann kaum sagen, daß das Du herzlicher gemeint sei als das Sie. Noch ist zu bemerken, wie sehr zärtliche Ausdrücke damals die Freundschaft zwischen Männern und Frauen eingab, eine Freundschaft, die oft nur ein bloßes gegenseitiges Wohlgefallen nach erstem oberflächlichem Kennen» lernen war. Herder   war als Bräutigam in Göttingen  , um die Bibliothek zu benutzen. Dabei freundete er sich mit dem Philosophen Heyne und dessen Frau Theresia an. Theresia war die beste Gattin und Mutter, dabei eine Freundin der ernsten Poesie.Ich Hab« Klopstocks Oden mit ihr gelesen", schreibt Herder   an seine Braut. wir haben unsere Exemplare gewechselt, sie hat nur einige Worte gesprochen." Als Herder in Bückeburg   zurück war, bat er sie um Briefe.Wir haben alle Drei so wenig oder gar keine Stunde ge- nossen; unser Umgang ist so sehr Taumel der ersten Empfindung oder verwirrtes Anstaunen gewesen; für das alles dünkt mich, ist der Briefwechsel so gut.... Wenn ichs dahinbringen könnte, immer in Ihrem und Ihres lieben, guten, besten Mannes Umgange in meinen Gedanken zu leben, was dünkt mich, könnte aus mir werden!" Und die Hcynin legt dem Briefe ihres Mannes u. a. folgende Zeilen bei:Schöne Seele. Sie waren es meinem Herzen schuldig, daß Sie in den ersten Stunden Ihrer Rückreise an mich dachten'und es mir sagten. Sie begegneten meiner Erwartung; denn welch ein Bild von mir haben Sie sich eingedrückt! Welche Ströme von heißen Empsindungen durchlaufen meine ganze Seele, wie schätze ich jeden Augenblick, den ich unter Ihren Augen zu» gebracht!--- Ich habe Sie gesehen und es überströmt mich eine Fülle von freudigen süßen Empfindungen. Sie verstanden meine Tränen, indem Ihre schmelzende Stimme die harmonischen