Worte KlopstockS in mein ganzes Wesen senkte. O! könnte ich Sienoch einmal hören!--- Urteilen Sie, ob Sie meiner Seeleteuer sind! Sie mit aller männlichen Stärke des Geistes, mitallem Feuer eines jungen und blühenden Herzens; alles scheintmir Gedanke an Ihnen, alles Empfindung. Sie weckten meinenGeist wieder auf.... Sie kennen mich nur aus Viertelstunden,aus Fragmenten. O, daß Sie mein ganzes Leben und alle innerstenGedanken durchschauten." Erst ein halbes Jahr später schreibtTheresia den nächsten Brief, da Herders Antwort ihr zu kühl ge-Wesen war:„Besinnen Sie sich, es war eine trübe, feindseligeStunde, in der Sie meinen Brief erhielten. Mein Brief kamganz von meinem Herzen und ich bin immer stolz auf dieses fühl-bare und liebende Herz. Wollen Sie zweifeln? Ach, ich fühle viel-leicht nur zu gut die ganze Situation Ihrer schönen Seele. Ihrefatale Verfassung(d. h. Herders Lage in Bückeburg), ich fühle alles,was um Sie ist. Ich wollte Sie gern aus diesem unfühlenden.nndcnkenden Schwärm in unsere treuen, offenen Arme reißen.Umsonst diese offenbare Unmöglichkeit, einen Herder bei uns zuhaben, mit ihm Vergnügen und Unlust zu teilen, seine geliebteHälfte zum Teil zu ersetzen, ihm wenigstens alle Tage einmal zusagen, daß ich ihn zärtlich liebe.... Was war ich bei dem sanftenDruck, den meine Hand der Ihrigen gab. Ihr Handkuß war Eisgegen meine sich selbst bewegende Hand. Und nun bin ich rück-haltend? Mein Brief ist ein Scheidcbrief, die Welt ist jämmer-lich, die Menschen—'genug, Undankbarer! Gab Ihnen die Vor-ficht(Vorsehung) in dieser jämmerlichen Welt umsonst solche Seele,solche Herzen wie Ihre Karoline Flachsland, wie die meinige undmeines Hehnens Seele ist? Wenn Sie auch nur diese Drei be-säßen, Herder, sage mir. wenn Du ihren Wert und Gefühl rechterwägst, ist Dein Herz ungeliebt?" Uns Heutige kennzeichnet es,daß selbst das Austauschen der Ringe am Altar aus der Modekommt. Unsere Vorfahren zu Goethes Jugendzeit schwelgten insolchen sinnlichen Zeichen ihrer Gefühle und ihrer freiwilligen Ge-bundenheit. Nach zwei Stunden Bekanntschaft erbat man voneinem angenehmen Mädchen bereits Locke oder Schleife, und sie gabes mit zärtlicher Träne her.... Diese Proben zeigen, wie sehrman die Ausdrucksweise einer vergangenen Zeit kennen muß, wennman ihre Freundschaften und ihre Liebschaften bewerten will.Volkswirtschaft.Die Kupfererzeugung der Erde nimmt gegenwärtigein Interesse in Anspruch wie nie zuvor. Spielt das rote Metallheute bei der Verteuerung des Geldes als Münze eine geringereRolle als früher, so hat namentlich der ungeheuer gewordene Be-darf der Elektrotechnik einen noch nie dagewesenen Aufschwungdes Kupfermarkts mit sich gebracht. Der Preis hat sich allmählichbis auf 2220 M. für die Tonne gesteigert, obgleich die Produktionderart vermehrt worden ist, daß sie heute das Doppelte beträgt wievor zehn Jahren. Das Angebot hat die Nachfrage trotz der Hebungdes Kupferbergbaues noch nicht erreicht. Nach einer tabellarischenUebersicht in der„Revue Scientisique" wurden im Jahr 1890 erst260 000 Tonnen Kupfer gewonnen, und es waren 65 000 Tonnendes Metalls verfügbar. 1895 war die Weltproduktion auf 334 000Tonnen gewachsen, der Vorrat auf 46 000 gesunken. Im Jahr1900 beliefen sich die entsprechenden Ziffern auf 465 000 bezw.29 000, und im Jahre 1906 erreichte die Produktion die unerhörteMenge von 711000 Tonnen, und doch war am Ende des Jahresnur ein Rückstand von 17 000 Tonnen zu verzeichnen. Die Ver-einigten Staaten liefern jetzt mehr als die Hälfte des Kupfers,das auf der ganzen Erde verbraucht wird, namentlich in den be-rühmten Minen in der Gegend des Oberen Sees. Auch die Artder Bearbeitung der Kupfererze hat diesen Bergbau in Amerikaauf eine hohe Stufe der Vollkommneheit und des Ertrags gehoben,indem dabei namentlich auch die Elektrizität zur Trennung desKupfers von anderen Metallen benutzt wird. Dadurch wird nichtnur das Kupfer besonders rein gewonnen, wie es namentlich fürdie Herstellung elektrischer Leitungen erforderlich ist, sondern aucheine ziemlich reiche Ausscheidung von Silber und Gold bewirkt.Dies elektrische Verfahren ergab schon im Jahre 1904 in Amerika280 000 Tonnen Kupfer, 810 Tonnen Silber und 1380 KilogrammGold.Humoristisches.— DaS neunte Gebot. Die Schulbuben hatten die zehnGebote wacker gelernt, und der Herr Pfarrer war zufrieden.„Nun,Huber," forschte er weiter,„welches Gebot haben besonders dieKinder zu beherzigen?"—„DaS vierte Gebot: Du sollst Vaterund Mutter ehren," antwortete Huber prompt.„Brav, brav," lobteder Herr Pfarrer. Müllers Franzi haschte aber auch nach einer An-erkennung und erklärte frischweg:„Und daS neunte Gebot: Dusollst nicht begehren Deines Nächsten HauSftau." Der Herr PfarrerMar eine Zeitlang sprachlos, dann fragte er ziemlich barsch:„Sag'eimnal, Franzi, was geht denn Dich Deines Nächsten Hausfrauan?" Etwas verschüchtert stotterte Franzi:.Sie backt halt immerso gute Schmalznudel."— Vorsichtig. Direktor(eines Krematoriums):»WollenSie sich nach Ihrem Tode nicht hier verbrennen lassen?"Herr:„Hm, haben Sie Referenzen?"(„Meggendorfer-Dlätter".)Notize«.— Das Elend des FeuilletonromanS. In ewerZuschrift an den.Kunstwart" beklagt sich der Verleger einer bürger-lichen Mittelstadtzeitung darüber, daß er mit dem Abdruck guterRomane bei seinen vorzugsweise den sogenannten gebildeten Kreise«angehörenden Lesern keinen Erfolg gehabt habe. Im Gegenteil»man war höchst unzufrieden, und erst ein ganz gehöriger Kolportage»roman vermochte die Gemüter wieder etwas zu beruhigen. Der.Kunstwart" bekämpft diesen Opportunismus, der ja in denKolportagebedürfnissen der bürgerlichen Leser eine gewisse Recht»ferttgung findet und weist auf die sozialdemokratische Presse hin. inder„Erzählungen von Fontane, Otto Ludwig, Keller, Gotthelf, Hebbel.Mörike, Raabe nicht nur ohne Widerspruch angenommen, sondern mitFreude genossen und mit Entschiedenheit begehrt werden". Er fährt dannfort:„Die Arbeiterblätter haben ihren Lesern den Gedanken beigebracht:lest das Beste, dann wachst ihr daran, lest es, wenn's auch zunächstnicht leicht ist. um euch zu heben, versteht, daß es zweierlei Unter-Haltung gibt: Zeittotschlagen und Genuß, der nährt, und seid euchzum Zeittotschlagen zu gut. ES ist diesen Redakteuren nicht ein-gefallen, zum Kolportageroman zu greifen, wenn die ersten Versuchemißlangen, und so haben sie's allmählich dahin gebracht, daß dieFeuilletons ihrer meisten Zeitungen bei ihren Lesen, ein weit ernsteresInteresse voraussetzen können, als die der kleineren bürgerlichenPresse. Lernt diese nicht von ihr, fährt sie mit dem Dummhaltenund Verdummen fort, so gewährt sie eben den Sozialdemokraten einRecht, sich als die überlegenen geistigen Bildner des Volks zufühlen."Der„Kunstwart", dessen Urteil über die Güte des sozialdemo»kratischen Feuilletons ja nicht allein steht, übersieht einen wichttgenUnterschied zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft. Eine aussteigende,kämpfende, von Idealen erfüllte Klasse hat naturgemäß andereBildungs« und auch Unterhaltungsziele als eine Klasse, die als solcheihre historische Aufgabe erschöpft, wenn auch nicht erfüllt hat.— Der kalte Sommer und die Meteorologie.Eine von der Meteorologischen Zentralanstalt in Bern veröffent-lichte amtliche Zusammenstellung der Temperaturverhältnisse Mitteleuropas stellt fest, daß die erste Hälfte des Monats Juli diekälteste Sommer- Temperatur seit 50 Jahren aufweist. DerFehlbetrag gegenüber dem Durchschnitt des Hochsommers erreichtdie Höhe von 4 Grad Celsius. Die Mitteltemperaturder Bergftationen Gotthardt, Pilatus und Säntis ist um IVa GradCelsius niedriger als die des Juli für den nördlichsten Teil desgrönländischen Kontinents(87 Grad nördlicher Breite). Ein längeresAndauern solcher Temperatur würde ein rasches Herabsteigen derGletscher ins Land hervorrufen, die denn auch in diesem Sommerdurchschnittlich um 13 bis 136 Meter tiefer stehen als in der gleichenZeit des letztverflossenen Sommers.Als Ursache der ungewöhnlichen Kälte werden vielfach die nn-günstigen Eisverhältnisse in dem nördlichen Polarmeer angesehen.Man hoffte sogar ans diesen Strömungs- und EisverhältnissenPrognosen für den weiteren Verlauf des Sommerwetters ableitenzu können. Obwohl die Einwirkung dieser Eisverhältnisse aufunser Wetter nicht zu leugnen ist, so ist es doch keineswegsso weitgehend, wie angenommen wird. Professor Meinardus,der sich mit dieser Materie befaßt, urteilt vielmehr nachder„Köln. Ztg.": Es soll nicht geleugnet werden, daß in einzelneneisreichen Jahren die Temperaturverhältnisse über einem weitenGebiete unter der) Herrschaft der Kälteanomalie stehen, die dannin der Umgebung Islands vorhanden ist, aber es gibt auch cisreicheJahre, in denen die allgemeine Witterungslage über West- undMitteleuropa davon unbeeinflußt und das Kältegebiet im Nordwestenisoliert bleibt. Damit dürste aber auch einer auf die EisverhältnisseIrlands gegründeten Witterungsprognose für unsere Gegenden solange noch eine rationelle Grundlage fehlen, bis man gefunden hat,welche Ursachen in eisreichen und eisarmen Jahren be, Island denWitterungsbereich der Tencheraturanomalie im Nordwesten ein-schränken oder erweitern.— Die 79. Versammlung deutscher Natur-forscher und Aerzte wird vom 16. bis 21. Sep«tember in Dresden stattfinden. Bon allgemein interessantenVorwägen sind zu erwähnen: Bericht der Unterrichts-kommission der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte(Referent Gutzmer, Halle a. S., und Klein, Göttingen). DieBehandlung der Milch(Hempel). Moderne Analyse phvsischer Er-scheinungen(Koche). Die Eroberung des Luftmeeres(mit Licht«bilden,, Hergesell). Die neuere Tierpsychologie(O. zur Straßen).Die Milchstraße(mit Lichtbildern, M. Wolf). Das Sehenniederer Tiere(Hesse). Das Sehen der Wirbeltiere undder Kopffüßler(Heine). Die Hülfsmittel der Erdbeben-forschung und ihre Resultate für die Geophysik(mit Licht-bildern, Wiechert). Die Erdbeben in ihrer Beziehung zum Aufbauder Erdrinde(Frech). Die HochspannungSlichtbogcn und deren Be-deutung in der elektrochemischen Industrie(mit Demonstrationen,Brian). Die Verfahren der direkten Farbenphotographie nach Lipp-mmm und Lumiere(Lehmann).Kerantw. Redakt.: CarlWermuth, Berlin-Rixdorf.— Druck u. Verlag:Vorwärts Buchdruckerei u.VcrlagSanstall Paul Singe r SlCo.. Berlin S W.