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Fie fest an sich, feine Hände zitterten, die Mutter weinte leise, er streichelte ihr Haar und sprach singend: Weint nicht, Mütterlein, quält Euch nicht! Ich gebe Euch mein Ehrenwort er fommt bald frei! Sie haben nichts gegen ihn, alle Kameraden schweigen wie gefochte Fifche... ( Fortsetzung folgt.)
Die Hand.
( Rachbrud verboten.)
Die Hand und der Fuß sind des Menschen Herrscherattribute, und es ist ein treffender Ausdrud, wenn man, um die Vollkommen heit einer Sache zu bezeichnen, sagt, sie habe Hand und Fuß". Durch die Hand werden fast alle Geräte in Bewegung gefeßt, nach ihr fast alle mehr oder weniger geformt. Sie ist das Werkzeug der Werkzeuge". Wer erkennt nicht im Hammer die geballte Faust, in der Bange die zum Griffe gekrümmte, im Grabfcheit die Hand mit zusammengelegten, im Rechen die mit gespreizten Fingern? Dies große Üniverfalinstrument", schrieb der alte Lichtenberg, war die erste Schleuder und der erste Trinkbecher, der erste Griffel und der erste Fächer, das erste Tischbesteck, und auch wahrscheinlich die erste Demonstration der Köpfe, in die sonst keine andere hinein wollte." Die Natur der Hand wird aber völlig begreiflich nur im Zusammenhang mit dem gesamten Arm. Der Oberarm ist mit der Schulter durch ein freies Gelent verbunden. Er enthält nur einen Knochen, aber er tann sich im Wirbel schwingen, er tann sich aufund abwärts-, vor- und zurückbeugen, er kann sich gebietend streden und bezwungen herabsenten bis zu jenem Ausdrud der Willen. losigkeit, den etwa der zum Ererzieren antretende Soldat darstellt. Un den Oberarm schließt sich in fortschreitender Gliederung der Unterarm. Er besteht durch zwei Knochen und artikuliert mit jenem durch ein nur Beugung und Stredung gestattendes Gelent. Es führt seinen Namen von einem der beiden Unterarmfnochen, den die alte Sprache mit Recht Ellenbogen nannte, d. h. Bogen der Stärke. Denn fein Schlag trifft mit so zerschmetternder Wucht als derjenige, den man mit dem von der gekrümmten zur geraden Stellung rasch übergehenden Arm führt. Un colpo da rovescio( ein Ellenbogenschlag) sagen die Italiener. In einem wieder freien Gelent fügt fich nun an den Unterarm die Hand, und zwar zunächst mit der sogenannten Handwurzel. Die acht würfelähnlichen Knochen derselben sind so genau verbunden, daß sie als ein Ganzes, als eine Art beweglicher Kugel betrachtet werden können. Aus ihr entspringen in fünffacher Strahlung die Knochen des Handtellers, so jedoch, daß sich der Stamm des Daumens von den übrigen vier Fingerstämmen frei beweglich ablöst, während diese sowohl untereinander als mit der Handwurzel enger verbunden bleiben. Man erfennt bereits aus dieser Sonderung des Daumenknochens die hohe Bedeutung des Fingers. Denn obgleich er nur zwei Gelenke hat und also um eines fürzer ist als die übrigen Finger( in welche endlich die freiwerdende Hand sich entfaltet), so ist er doch recht eigentlich das plastische Glied. Durch seine Gegenstellung erst ergänzt er die anderen Finger, wie er ihnen Kraft und Halt gibt, und der Name Gegenhand( Anticheir), mit welchem ihn die Griechen bezeichneten, ist durchaus gerechtfertigt. Die Berkürzung desselben entspricht der größeren Länge des Mittelfingers, um welchen die übrigen Finger fich abftufend gruppieren. Die Gelenkverhältnisse find, ungeachtet der überall wiederkehrenden Dreizahl, überall ungleich. Aber gerade auf diesem Wechsel der Architettonit beruht sowohl die unendliche Beweglichkeit als die tiefsinnige Schönheit ter Hand. Doch diese Knochen bedeuten nichts als ein großes Gerüst, und gewinnen erst Leben im Verband der Muskeln und Nerven. Nur der Anatom vermag das zarte Geflecht dieser Fäden, die von den äußersten Fingerspitzen bis zum letzten Siz bewußter Empfindung zurüdführen, das straffe Tauwerk dieser Stränge, die fich bald freuzen, bald zusammenrollen, bald teilen, bald wieder bereinigen, bald am Ende, bald in der Mitte des Knochens befestigt find, in seiner ganzen bewunderungswürdigen Verkettung zu er tennen. Das Auge des Laien sieht nur die Wirkungen.
Durch ihren Bau ist die Hand, weit über alle anderen Glieder und Kräfte des Körpers hinweg, fast auf eine Linie mit demjenigen
irrter Sicherheit umherfliegt; endlich an der Schwelle des Tierreichs das grinsende Urbild des Menschen mit vier Händen auf einmal. aber eben nur eine Affenhand, eine Fußhand, lang behaart, unbehülflich, schmal, mit kurzen Fingern und verstümmeltem Daumen. ganzen Sein des Menschen steht, bedingt ihre physionomische Be Der innige Zusammenhang, in welchem die Hand mit dem deutung. Man fann sagen: nächst dem Angesichte spiegelt nichts so sehr als sie unser inneres und äußeres Leben. In seinen schönen Strophen singt Theodor Storm :
Ich weiß es wohl, fein flagend Wort
Wird über deine Lippen gehen;
Doch was so sanft dein Mund verschweigt,
Muß deine blasse Hand gestehen.
Die Hand, an der mein Auge hängt, Zeigt mir den feinen Zug der Schmerzen Und daß in schlummerloser Nacht
Sie lag auf einem tranten Herzen.
Die Hand ist einer der Hauptträger der Ausdrücke von Gemüts Fewegungen. In China war, um einer Verwechselung oder Ver. fälschung vorzubeugen, die Hand des Paßeigentümers in feiner Celfarbe auf dem Papier selbst abgedrudt. Primitiver, doch ebenso ficher war die Art, in welcher Murad I. seine Erlasse und Verträge unterzeichnete. Da er nicht schreiben fonnte, tauchte er die ganze hand in die Tinte und drückte diese statt Unterschrift und Siegel auf der Urkunde ab. Die Anwendung solcher Mittel beruht auf der richtigen Einsicht in die Bedeutung der Hand, denn sie ist ebenso ganz aus dem Organismus eines Menschen herausgewachsen, so unbedingt mit seinem Leben verflochten, daß sie unmöglich einem anderen Menschen gehören könnte. Daher ihre hohe Bedeutung bei den modernen kriminellen Messungen. Alter, Geschlecht, Stand, Beruf, Schicksal, Anlage: alles prägt sich mehr oder weniger in ihren Zügen und Formen aus. Wie rührend spricht uns nicht die Hand des Kindes an; an der verhältnismäßig großen Mittelhand haften die kleinen rundlichen Finger fast wie Knospen. Da ist keine Linie sichtbar, da tritt fein Gelent, feine Ader heraus, alles ist noch weich, noch Traum, noch Unschuld. Die Greisenhand er greift uns auch, aber mit welch anderen Gefühlen! Wir werden fie taum ansehen können, ohne eine Regung der Ehrfurcht. Diese Hände haben ein langes Leben voll Sorgen und Zäuschungen, Mühen und Leiden durchlämpft; abgearbeitet zittern sie jetzt gleich welten Blättern, und in ihre fleischlose Flädje hat der Tod sein momento geschrieben. Und wie vielerlei Hände gibt es nicht zwischen diesen beiden!
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Denn
Dichter die Sprachbegabten". Beide Bezeichnungen find gleich Der diebische Zigeuner nennt fie Grifflinge"; ein römischer charakteristisch. Quintilian fagte, die Bewegung der Hand, ohne die jeder Vortrag wirkungslos wäre, habe eine fast der Sprache gleichkommende Energie und Fülle der Bezeichnungen. während die übrigen Teile des Körpers den Redenden nur unterstützten, redeten sie gleichsam für sich selbst. Durch fie fordern und versprechen, rufen und entlassen, drohen und flehen wir; durch sie refunden wir Freude und Trauer, Zweifel und Zustimmung, Erstaunen und Schrecken.
In allen Arten des mimischen Ausdrudes find die südeuro. päischen und orientalischen Nationen Meister; feine aber mehr als die Sizilianer. Mit einer bezeichnenden Sage führen diese letzteren den Ursprung der Mimik auf jene Beiten zurüd, als griechische Thrannen die Insel beherrschten. Argwöhnisch überall Gefahr fehend, sollen die Gewalthaber jedes tröstende Wort und bald die Sprache überhaupt verboten haben, so daß den Unterdrückten mur die stumme Rede der Gebärden und Mienen verblieb. Aber Not, Haß und Sehnsucht entwickelten dieselbe erfinderisch bald zu jener Bollfommenheit, welche von da an auf die Geschlechter später Nachs kommen sich vererbte und noch heute das Staunen des Nordländers erregt. Jeder Sizilianer vermag sich mitten im Lärm drängender Menschenmassen und über jede Tragweite der Stimme hinaus durch die bloße Gesten noch vollkommen verständlich zu machen.
worden. Dort ist ihre Entwickelung auch am allervollkommensten.
E. L.
Crgan gestellt, welches allerdings in noch höherem Grade das mach Das Tier im Spiegel der Sprache.
tigste Wirken und das feinste Empfinden verbindet: mit der Zunge. Eine solche Hand hat kein Tier und kann kein Tier haben, wenn- Bon seinen Fehlern spricht man nicht gern; bielmehr erwähnt gleich viele unter ihnen eine größere Muskelkraft des Armes, ein- man sie nur andeutungsweise, versteckt, berbirgt unangenehme zelne ein größeres Tastgefühl der Finger entwideln. Um die Be- Dinge hinter Vergleichungen und Wortspielen. Die Sprache besitzt deutung dieses Gliedes ganz zu erfaffen, betrachtet man am besten ein reiches Inventar folcher euphemistischer Redewendungen, die sie die Gestaltungen desselben bei den verschiedenen Tieren, von der mit Vorliebe dem Leben der Tiere entnimmt. Spiegelt sich ja doch Floffe des Fisches bis zum Flügel des Bogels. Dort die einfachste, der Mensch überhaupt und sein Wesen mit Humor und gutmütiger zusammengedrängteste Form: eine Wasserhand, die ohne Arm, zu- Beobachtung in dem mannigfaltigen, bunt verzerrten und doch weilen selbst ohne Handwurzel an der Brust haftet, in ihrer Be- sinnvoll eigenartigen Treiben seiner vielfüßigen Mitbewohner auf wegung äußerst beschränkt, beinahe nichts als ein fnorbeliges em- der Erde! Die Tierfabel, die von Urzeiten her dieses Verhältnis pfindungsloses Blatt. Hier der Flügel: die höchste exzentrische von Mensch und Tier in dichterischer Form festgehalten hat, findet Form, eine gefiederte langarmige, langfingerige Hand, die, der eine reiche Ergänzung in den Sprachen der Völker selbst, in denen ausdauernd fräftigen Bewegung mächtig, doch weder zum Greifen alles Getier eine jo wichtige Rolle spielt. Es ist die lebendigste und nech zum Tasten taugt. Bei der Fledermaus finden wir die erste eigenartigste Zoologie, nicht nach wissenschaftlichen Prinzipien geHand, aber eine monströse Flügelhand, deren Finger dem ge- ordnet, sondern ausgebildet im Gemüt des Boltes mit all seinen Spenstigen Halbbogel allerdings ein so bewunderungswürdiges Fein- Schrullen, Tiefsinnigteiten, Neigungen und Abneigungen, die uns gefühl verleihen, daß er, obwohl blad und fast taub, mit unbe. I aus einem foeben erschienenen Buche Das Tier im Spiegel