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machen, zum Teil aber auch darin, daß die Qualitätsbegriffe des Publikums für Dekorationsstoffe bei weitem nicht so scharf aus gebildet sind, als zum Beispiel bei Kleiderstoffen, insbesondere bei Herrenkleiderstoffen. Herrenkleiderstoffe der besten Art sind fast ganz lichtecht gefärbt. Die verantwortliche Persönlichkeit dafür ist der Schneider, welcher seine Kundschaft verlieren würde, wenn ein von ihm geliefertes Kleidungsstück ausginge. Er erzwingt daher lichtechte Stoffe von der Industrie.

Neisender beobachtete in den letzten Tagen des Februar in Marakesch  | liebten Farbennuancen welche fich häufig als sehr vergänglich einen öffentlichen Aufzug der Bausa  , eines in Marotto tveit ver- erweisen. Bei Antventang derartiger Stoffe erlebt man nicht breiteten Drdens. Das Nahen desselben fündete sich schon von fern allein eine künstlerische enttäuschung, indem die vom Künstler be durch Trommelwirbel und den zerreißenden Lärm langer Trompeten absichtigte Farbenharmonie zerstört wird, sondern auch eine wirts an. Die Vorhut bildeten etwa 50 Weiber, der ärmsten Klasse an schaftliche, indem zum Teil teftfare Stoffe einem raschen Verschleiß gehörig, unverschleiert, in dürftigster Kleidung, die unter wildem anheimgegeben werden. Geschrei herumtanzten unter allerhand Körperverrenkungen. Dann Der Grund, weshalb gerade moderne Dekorationsstoffe häufig erschien ein Haufen junger Burschen, gleichfalls zu den an Echtheit der Farbe zu wünschen übrig laffen, liegt zum Teil untersten Schichten zählend; sie führten Kälber, die später getötet darin, daß die Färbereiindustrie den Wünschen der Besteller nach und verteilt werden sollten und suchten sich springend und schreiend ganz bestimmten Farbennuancen entgegenkommt, ohne auf die durch Taumeltänze in die nötige Festesstimmung zu versetzen. Ihnen etwa vorhandenen Gefahren der Nichtechtheit aufmerksam zu folgte der Heilige, der Scherif  , ein Reger, mit einem grünen Staftan und einem grünen Turban der Farbe des Propheten bekleidet. Hinter dem Scherif schritt eine Musikbande, die einen ohren betäubenden Lärm erregte. Schließlich kam eine nach Hunderten zählende Boltsmenge fast ausschließlich der allergemeinsten Plebs angehörig, in Lumpen gekleidet, starrend vor Schmutz und voller Ungeziefer, die unter wüstem Gebrüll herumtanzten und sprangen, daß ihnen der Schaum vor dem Munde stand. Eine besondere Abteilung bildeten die Selbstverstümmler: fie trugen allerhand Mordwaffen, Merte, Spieße, Messer und verwundeten sich selbst damit, meist im Gesicht und am Kopf, so daß sie von Blut überströmt waren". Manche liefen auf allen Bieren und ahmten das Gebell von Hunden nach, andere mußten in ihrem Wahnsinn gehalten werden, damit sie nicht größeres Unheil anrichteten. Tiere, die ihnen in den Weg kommen, Hunde, Schafe, Ziegen, zerreißen sie und verschlingen das Fleisch roh, und in Mikuas, dem Hauptort dieser Sefte, soll es vorgekommen sein, daß von ihnen auf ähnliche Weise Negersflaven getötet wurden. Die oberen Schichten sowie der Mittelstand, sagt unser Reisender, halten sich von diesen Orgien fern. Mag in seiner Schilderung auch das Auge des Europäers bielleicht einzelnes in übertriebener Färbung gesehen haben; eines geht aus seiner Darstellung mit unzweldeutiger Gewißheit hervor: der gewaltige Einfluß, den die religiöfen Orden auf die weitaus das Gros der Bevölkerung bildenden ärmeren Schichten ausüben, und die ungeheure Wirkung, die es im ganzen Lande hervorrufen muß, wenu fie den heiligen Krieg" wider die Fremden predigen.

Kleines feuilleton.

Die zwei Mädchen und der Sand. Es waren einmal zwei Mädchen, ein vornehmes und ein gemeines. Das vornehme hieß Prinzessin Elfe. Sie hatte goldblonde Böpfe, filberweiße Händchen, seidene Strümpfchen, Schuhchen aus Das gemeine jedoch nannte man Schmierliese. Sie ging in Lumpen einher, hatte zerkragte Hände und Füße. Sie war aber fröhlich.

Atlas.

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Einmal saß sie im feuchten Sand, formte daraus Türmchen und Inetete Brote. Da tam Prinzessin Else vorüber. Schmierliese rief ihr zu:

Komm, feße Dich her, wir wollen spielen." Prinzessin Else begann zu lachen und sprach: " Vornehme Mädchen spielen nicht mit feuchtem, einfachem Sand. Vornehme Mädchen haben trockenen, goldenen Sand. Vornehme Mädchen sprechen überhaupt nicht mit barfüßigen Dingern."

Prinzessin Else ging zu sich in den Garten, begann goldenen Sand in goldene Tassen zu schütten und umzuwerfen, der Sand jedoch fiel auseinander, und es tamen feine Türme heraus. Prinzessin Else nahm auch einen Haufen Sand und drückte ihn in ihrer Faust. Der Sand jedoch zerrann ihr zwischen den Fingern. Da wurde Prinzessin Else böse, warf sich auf die Erde und Schmierliesens Sand taugt nicht, aber meiner ist noch weniger Das Stücklein Zucker. Es war einmal eine wirtin, die hatte ein fleines Schlüsselein zu einem Schränklein. Im Schränklein stand ein leines Riftlein. Im Kiftlein lag ein ganz, ganz winziges Stüd­lein Zucker.

schrie: wert 1"

Die Wirtin hatte bei sich ein Hündlein. Dieses war aber sehr launisch; plötzlich konnte es ihm einfallen und da bellt es die eigene Wirtin aus.

Dann nimmt die Wirtin das Schlüsselein, öffnet das Schränt lein, stellt das Kistlein auf den Tisch und holt das Stücklein Zuder hervor. Und da beginnt das Hündlein mit dem Schwanz zu wedeln. Die Wirtin aber spricht:

Haft gebellt, unnüßer Schlingel, da sollst du auch den Zucker nicht triegen."

Und dann verwahrt sie wieder alles an dem früheren Platz. Das Hündlein bereut, da ist es aber schon zu spät.

( Aus Feodor Sologubs Buch der Märlein".)

Kunstgewerbe.

DBK. Echtfärberei. Obgleich die heutige Färberei­technit sehr wohl in der Lage ist, allen Anforderungen in bezug auf Echtheit der Farbe, soweit diese überhaupt erreicht werden fann, zu entsprechen, so hat sich doch in neuerer Zeit auf einem Spezialgebiete, nämlich dem der Dekorationsstoffe, vielfach gezeigt, daß die Echtheit der Färbung außerordentlich viel zu wünschen übrig läßt. Vor allem sind es die von modernen Künstlern be­

In den Dekorationsstoffen fehlt eine derart verantwortliche Persönlichkeit, da die Ausstattung der Wohnung nicht in derselben Weise organisiert ist, wie die Versorgung mit Kleidern. Insa besondere sind die mit Aufgaben der Innenarchitektur betrauten Künstler der Industrie gegenüber machtlos, da sie in deren Betrieb nicht mit Nachdruck eingreifen können. Die Aufträge, die sie zu erteilen haben, sind meistens zu flein, um einen nachhaltigen Ein­fluß auf sie ausüben zu können. Es fehlt eine Stelle, an der die Interessen der Innenfünstler in der genügenden Weise auch dann gewahrt werden, wenn es sich um Quantitäten handelt, die für die Industrie nicht in Betracht kommen.

An der Königlichen Färbereischule in Krefeld   wird der Echta färbung schon seit Jahren eine ganz besondere Aufmerksamkeit zus gewendet und der Sinn der Schüler für die Wichtigkeit der An­wendung echter Farben gemedt. Als lebungsbeispiele find fort laufend fleine Färbeaufträge für solche Arbeiten, bei denen es auf möglichst lichtechte Färbung ankommt, ausgeführt worden. Daneben hat die Direktion dieser Schule bereitwilligst ihren Rat zur Verfügung gestellt, wenn es sich darum handelte, ein maß­gebendes Urteil über die Beständigkeit einer Farbe zu erhalten.

Es besteht die Absicht, diesen Zweig der Tätigkeit der Schule etwas weiter auszubauen und die Anstalt dadurch noch mehr in den Dienst der Deffentlichkeit zu steien, als es bisher schon der Fall war. Der Staat und die Stadt haben sich erboten, die Mittel für eine Erweiterung aufzubringen, falls zunächst ein ge­wisser Stammbetrag aus privaten Quellen für die Einrichtung zur Verfügung gestellt wird. Der Verein für deutsches Kunst­gewerbe in Berlin   schlägt nunmehr vor, daß zur Aufbringung der von den Behörden vorausgesetzten Mittel ein Verein für Echt­färberei gegründet werde, der alle in der Angelegenheit interessierten Kreise in sich vereinigt. Um die Mitglieder über die Fortent­widelung der Echtfärberei ständig auf dem Laufenden zu halten, follen vierteljährliche Mitteilungen herausgegeben werden, mit deren Redaktion der Verein für deutsches Kunstgewerbe in Berlin  betraut werden soll.

Die Gründung emes solchen Vereins hat vor allem den Zwed, den Gedanken der Echtfärberei in weitere Kreise zu tragen und dadurch die Qualität der Färbungen zu heben. Da es heute viel fach vorkommt, daß minderwertige und billige Färbungen auf wertvolle Stoffe angewendet werden, weil die Konkurrenz auf äußerste Verbilligung hindrängt, jo liegt hier ein Fall vor, daß gute Rohstoffe durch einen entwertenden Vollendungsprozeß bor­zeitig der Benußung entzogen werden und so ein beträchtliches Nationalvermögen vergeudet wird. Ist der öffentliche Sinn erst auf diesen Zustand hingelenkt, so wird das Publikum gern bereit sein, für echtgefärbte Stoffe einen höheren Preis zu zahlen als für unecht gefärbte. Es wird sich der Begriff einer besonderen Art von Qualitätsfärbung herausbilden, und die Industrie wird in der Lage sein, dafür, daß sie der Echtfärbung besondere Aufmert­samkeit widmet, einen Gegenwert zu erhalten. Es liegt also nicht nur im Interesse der Abnehmer, sondern auch im Interesse der Industrie selbst, den Sinn für echte Färbung zu weden und zu fördern. Hermann Muthesius  .

Erziehung und Unterricht.

Die hygienische Bedeutung der Waldschulen. Seitdem Charlottenburg   zuerst mit der Errichtung von Waldschulen borangegangen ist, hat die Einrichtung auch anderwärts Nachahmung gefunden und überall rühmt man den eminenten Gesundheitswert dieser neuen Schulart, welche die Mitte einhält zwischen Schule und Kindersanatorium. Ueberall wechseln Spiel, Gartenarbeit und Schulunterricht ab. In Mülhausen   wurde in einem früheren Herr­schaftshaus mit hohen luftigen Zimmern eine Waldschule gegründet. Auf Liegestühlen halten die Kinder den Nachmittagsschlaf im Freien, die Zimmer werden sowohl für den Unterricht wie für die Mahlzeiten nur bei schlechtem Wetter benützt. Der gesamte Unter­richt für jede Stufe umfaßt bloß zwei Stunden vormittags. Die Betriebskosten beliefen sich 1906 für 200 Schüler auf 15 000 E. Nach den günstigen Erfahrungen des ersten Jahres beabsichtigt man die Schule weiter auszudehnen. Die Erholungsstätte in Danzig  nimmt Kinder zwischen 6 und 14 Jahren auf, die zu frank für den Schulunterricht sind, aber nicht so trant, daß sie nicht täglich den Weg von Hause nach der Erholungsstätte machen können. Im