Hühl Hühl" tief er mit klangloser Stimme und warf seine krummen Beine in den schweren Stiefeln komisch hin und her. Die Mutter blickte sich um. Auf dem Felde war es öde. Wie in ihrem Herzen.... Das Pferd schüttelte traurig den Kopf, stemmte die Beine fest in den tiefen, von der Sonne angewärmten Sand, der leise knirschte. Der schlecht geschmierw, zerstoßene Wagen kreischte, und all diese Klänge samt dem Staube verloren sich nach rückwärts.... Nikolai Jwanowitsch wohnte an der Stadtgrenze in einer Lden Straße, in einem kleinen grünen Flügel, der an ein zweistöckiges, altes, dunkles Haus angebaut war. Vor dem Flügel stand ein dichter Lattenzaun, und in die drei Fenster blickten freundlich und frisch Syringen- und Akazienzweige und silberne, junge Pappelblätter. In dem Zimmer war es still und sauber, auf dem Fußboden zitterten lautlos ge- musterte Schatten, an den Wänden zogen sich mit Büchern besehte Regale hin und hingen Porträts von strengen, ernsten Leuten. Wird es Ihnen hier bequem sein?" fragte Nikolai, als er die Mutter in ein kleines Zimmer führte, das ein Fenster nach dem Garten und ein anderes nach dem mit Gras be- wachsenen Hof hatte. Auch in diesem Zimmer waren alle Wände mit Schränken und Bücherbrettern besetzt. Fch ginge lieber in die Küchel" sagte sie.Die ist hell und sauber...." Es kam ihr vor, daß er über etwas erschrak. Als er ihr aber ungeschickt und verwirrt zuredete, in diesem Zimmer zu bleiben und sie ihm zustimmte, wurde er mit einem Male lustig. In allen drei Zimmern herrschte eine ganz besondere Luft es atmete sich leicht und angenehm in ihnen, aber man dämpfte unwillkürlich die Stimme, um die Menschen, die da so unverwandt von den Wänden blickten, in ihrem friedlichen Nachdenken nicht zu stören. (Fortsetzung folgt.) Mlkelm Üol�amer. Von Ernst Kreowski. Elf Monate sind es her, es war ein milder, sonniger Herbst- rag, da begegneten wir einander auf dem Weißenseer katholischen Friedhof. Traurige Pflicht hatte uns dorthin beschieden, um die Leiche unseres trefflichen Hans Nikolaus Krauß zur Gruft zu ge- leiten Wir waren unser nur wenige; denn so hatte es der Tote ge- wollt Aber unter diesen wenigen Genossen und Freunden war Wilhelm Holzamer . Wie hätte er auch fehlen sollen? Er gehörte ja doch zum Häuflein der ständigen Mitarbeiter des Unter- haltungsblattes zumVorwärts". Und er war es denn auch, der dem geschiedenen Redakteur und befreundeten Kollegen hier einen tiefempfundenen Nekrolog widmete.... Später führte uns der Zufall noch einmal zusammen es war ein fröhlich Bei- einandersitzen. Seitdem verlor ich ihn aus dem Gesichtskreis.... Wie hätt' ich denken mögen, daß Wilhelm Holzamer so rasch, so ganz unerwartet nun selber ins Grab sinken mußte! Der Tod hält seine Ernte. Er fragt nicht, ob einer jung an Geist und Leben. Ihm ists einerlei, ob jener, der ihm verfallen, schon die ganze Garbenfülle in die Scheuer gebracht. Er nimmt ihn weg, gleich- viel, ob der gerade auf dem Acker einherging, sei es, um neue Körnersaat in die Furchen zu senken, oder reifende Frucht vom Halme zu schneiden. Wenn einer noch so jung, so freudig, so schaffens- und genießensfroh, wie es Holzamer gewesen ist, dann stimmt es die, die an seinem Sarge stehen, unsagbar traurig, weil er dahinsank. Viel zu ftühl klagen wir, hat ihm der Tod die Feder entwunden. Viel zu früh! Nicht daß Holzamer unserer Partei angehörte; aber er war vom Volke, und ihm war sein Fühlen und Denken, sein Wollen und künstlerisches Schaffen mit Wärme zugeneigt. Nur ein knappes Jahrzehnt war ihm vergönnt, sich tätig zu zeigen. Nur 37 Jahre und fünf Monate ist er alt geworden. Holzamer war ein Rheinhesse. Er wurde am 23. März 7870 gu Nieder-Olm , einem unweit Mainz gelegenen Dorfe geboren. Von Haus für da? Schulfach bestimmt, amtierte er an die dreizehn Jahre als Lehrer, zuletzt in Heppenheim an der Bergstraße und in Darmstadt . Inzwischen brach sich der Poet in ihm Bahn. Vor nun zehn Jähren trat er mit einem Bändchen zarter Stimmungslhrik:Zum Licht" hervor. Diese Gedichte mochten wohl hauptsächlich unter Gustav Falkeschen Einflüssen entstanden sein; wie denn spätere Gaben, von denen Holzamer wiederholt in Berliner Vorlesungen Proben gab, bezüglich ihres mystisch-symbolischen Stimmungs- gehaltes auf Maeterlinck hinzudeuten schienen. Gleichzeitig kündigte sich Holzamer als Erzähler mit einer Skizzenfammlung:Auf staubigen Straßen" an. Und somit hatte er seine eigentliche Domäne entdeckt. Schon in seinem nächsten Buche offenbarte sich sein Streben nach Verinnerlichung des Lebens durch die Kunst. Es waren acht Geschichten, unter dem Titel:Im Dorf und draußen" zusammengefaßt. Hatte in seinen ebenfalls dörflichen Erstlingsskizzen noch das lyrische Empfinden und Stimmungsmalerei den eigentlichen Kern der schlichten Handlung überwuchert, so treten diese beiden Momente jetzt schon fast völlig zurück. Holzamer gibt vom ersten bis zum letzten Buche schlechthin Heimatskunst. Vornehmlich aber in den obengenannten Er- Zählungen. Aus ihnen weht uns ein doppelt frischer Hauch, würzig wie von frühlingsfeuchter Walderde entgegen. Das Milieu ,st mit knappen Strichen entworfen, die darin gezeichneten Gestalten sind Mensche» von Fleisch und Blut. Theo Schäfer, ein Lands- mann Holzamers, hat sich über sie einmal folgendermaßen geäußert: Prächtige Menschenkinder sind darunter, alte und junge. Jakob Veit mit dem schwarzbraunen Samtkäppchen und den kindlich- heiteren Sinnen unter der gefurchten Stirn, der alte Dorfmusikant, der seine alten Weisen liebt, die ihm ans Herz gewachsen sind, und die neuen nicht von sich zu weisen vermag, da er selbst auf der Mitie der 70 und 80 noch die Jungen liebt und versteht; der Hünen- hafte Jean, der Oberknecht, derHeld", der für eine der Schwächsten sich einsetzt aus lauter verstehender Güte; der auf der Landstraße des Lebens gescheiterte Komödiant, der einstBonvivant" gewesen und in dem, gerade als er dem Leben Valet sagen will, noch einmal all die alte Lebenslust erwacht; der Lehrer Andreas Krafft, der stolz sich sein eigenes Schicksal schmiedet und sich selbst beimletzten Hochamt" den Abschied spielt; Pfarrers Kätchen, die, kaum zum Bewußtsein des jungen Glücks gekommen, die Entsagung lernen muß; und Frau Marie, dieMutter", der in Wiesenduft und Waldesnähe die höchste Liebe, die letzte Lust des Lebens erblüht. Sie alle und noch manche andere mit ihnen atmen warmes, indi- viduelles Leben. Es betätigt sich in ruhigem und wildem, in frohem und tragischem Geschick, im Widerstreit aufbrausend ungestümer Leidenschaft und in der Ruhe stillbeschaulichen Dorffriedens. Eharaktere und Handlung wachsen schlicht und klar empor und sind mit prägnanter, objektiver, anschaulicher Technik erzählt." Frei- lich ermangeln die Geschichten auch nicht einiger Mängel; manch» mal bricht in die stilistisch einfache Sprache die Reflexion, sowie mancy Fremdwort oder vergriffener Ausdruck störend ein. Dennoch wird die Freude an eigener Art, an Holzamers unbestreitbarem Schilderungstalent nicht geschmälert. MitPeter Nockler" die Leser derNeuen Welt" haben diese Geschichte eines Schneiders" kennen gelernt erweitert Holzamer den Rahmen feiner volkstümlichen Erzählungskunst. Peter hat zwar nichts bauerlich Starkknochiges an sich; dafür lernen wir in ihm einen Menschen von zartem, sensitivem, innerlichem Leben kennen. So schlicht und einfach sein Leben auch äußerlich verrinnt. so reich ist es innerlich. Er ist ein Lebensphilosoph.Der Peter Nockler charakterisiert ihn Holzamer war ein guter Kerl, und er hatte eine besondere Art, die sich immer mehr ausprägte. Sie war einlach und gut, diese Art. Sie war weiter nichts, als ein mehr nachdenkliches Erleben, wodurch alles, was dem Peter Nockler begegnete, eine größere Wichtigkeit und Bedeutung bekam. weil der Peter einen Sinn hineinlegte und Beziehungen fand, die zu ihm führten und zu den übrigen Dingen des Lebens. Er ging nie achtlos an den Tingen vorüber, die an ihm vorübergingen. Ueber alles machte er sich seine Gedanken, und so einfach die oft waren, so alltäglich und nichtssagend sie sich ausdrücken mochten, ihm war's doch mehr. Und es lag auch wirklich mehr darin, mehr wie in all den feinen, studierten Sachen der gelehrten Leute, weil Leben, weil eben Erleben darin lag. Denn nur dieses gibt dem Verständnis Weite und lebendigen Sinn." Diese von inniger Ge- fühlstiefe durchtränkte und mit so einfachen, dennoch gerade der künstlerischen Art nicht enkratenden Mitteln gegebene Erzählung verhalf Holzamer zu einem schönen Erfolg und gewann seinem Namen einen in weite Volkskreise hineindringenden Klang. Der Dichter nahm dann mit dem reichbewegten Roman eine? mittelalterlichen Priesters:Der heilige Sebastian" einen größeren Anlauf. Es wird da ein eigenartiger Konflikt ausgetragen. Der Titelheld, ein vornehmer Mann und allgemein verehrter Geistlicher, erkennt die Naturwidrigkeit des Cölibats und beschließt demzufolge, sich mit einem geliebten Weibe zu verheiraten. Diesem seinem Ehebunde gibt er selbst die kirchliche Weihe. Seines Amtes und seiner Priesterwürde für verlustig erklärt, zieht er mit seiner Frau von Ort zu Ort. Es bleiben ihnen dabei weder Anfechtungen, noch Hunger und Demütigungen erspart. Endlich hat er eine Stelle als Schullehrer erhalten, und nun kommt das Glück. Aber nur vorübergehend. Denn sein Kind stirbt und sein Weib wird bei einer Revolte erschlagen. Hierin eine himmlische Strafe für sein Bergehen gegen die Kirche erblickend, pilgert er an den Ausgangs- Punkt aller seiner Leiden zurück. In der Heimat wütet aber die Pest, und die Bevölkerung hat sich aus Verzweiflung einem grüß- lichen Sinnentaumel ergeben. Er fleht auf sie ein Strafgericht herab und stirbt. In diesem Augenblicke geht ein starker Regen nieder, der die Seuche zum Erlöschen bringt. Als heilig aus- gerufen und daraus kanonisiert, lebt sein Name im Gedächtnis fort.... Unter den nächsten Büchern Holzamers ragen die Dämme» rungsgeschichte:Ter arme Lukas" obwohl nicht demPeter Rockler" ebenbürtig an die Seite zu stellen sowie die Romane