In seltsamem, rasch änderndem, leise gleitendem Zueinander, das Wies deutlich machte, nicht nur die Dinge selbst, wie sie wirklich tvaren, sondern, und noch viel mehr, uns in ihnen, ob wir wild Gewesen waren odersittsam", wir Kinder zu einander und zu den großen Leuten» in denen wir Beteiligte sahen oder Gleich- Gültige, die zu uns gehörten, zu unserem Handeln und Fühlen, oder die nur flüchtig vorübergingen. Alles paßte zu einander in einer sprechenden, bedeutungs- und ausdrucksvollen Weise; und Wies paßte zu unserem Spiel und uns, was wir und unser Spiel dedeuteten und vorzustellen hatten, die Bäume, wie sie standen, sich neigten, sich hoben und mitredeten, die Häuser, ob sie uns gut waren oder femdlich, uns verbargen und halfen oder den Sucher und Verfolger versteckten ujre Gipfel formten sich danach, wie Gesichter zu Ernst und Lächeln sich formen, ihre Fenster blinkten danach, und ihre Dächer und Türen und Farben richteten sich danach in Höhe und Helle, Breite und Schwere und kurzum, alles war danach. Wie das nun heute aussieht und was es ist, recht und richtig in der Wirklichkeit, danach fragt mein Traum nicht. Denn auch meine Jugend hatte danach nicht gefragt. Er sah nur alles, wie sie es gesehen hatte, wie es für sie wirkte und zu ihr stand in allem, was in ihr wechselte, und allem, was.be- ständig blieb, wie man ein schwarzes Kleid sich anzieht zur Trauer, und sich vielleicht nur eine kleine schmale weiße Krause gestattet, wenn im Dunkel der Trauer schon ein leiser hellerer Schein an- Gebrochen, und wie man sich einen Strauß an den Hut steckt, wenn der Frühling uns mit Juchzen und Jauchzen umtanzt. Und alles kam und g,ng in raschem Aufeinander, aber jedes Einzelne war doch ein scharfes Bild, einfach, eindrucksvoll und be- haltsam in seinen Formen und Linien und Farben, und war so eng und fest gefügt und so bestimmt umrahmt, daß alles notwendig zu einander gehörte und keines das andere störte, die lebendigen Menschen und die toten Dinge, und daß auch die Veränderungen durch Kommen und Gehen und all die vielen Bewegungen die Sprache der Bilder nur deutlicher machten, und daß sie aber auch ihre Sprache behielten, wenn sie leer waren, ohne Menschen, Buben und Mädchen, und auch für sich selbst und allein etwas zu sagen wußten. Der Orgelmann zog durch die Straßen und verkündete und besang die Schauertatcn, und obgleich ich nicht nahe stand, denn als Kind ging mir das in der Nacht nach, und mich ferne hielt, an seinen Gebärden und Mienen,.seinem breiten Mund, seinen rollenden Augen, den gefletschten Zähnen, den Arm- und Hand- bewegungen, verstand ich ihn doch von weitem, und mir graute. Dann kam das Kasperltheater, mit Kasperl   und Hanswurst, mit Teufel und Gendarm. Kein Ende, kein Ende, kein Ende von Lustigkeiten in Haltungen, Bewegungen, mit dem Kopfe, mit den Aermchen, cn face, en Profil, gebückt, aufgeschnellt, gehopst, ge- sprungen, übergebeugt, aufgefahren, heranschleichend, zurück- prallend, stolz, siegesgewiß, triumphierend, frech und wieder ge- schlagen, beschämt, geduckt, zahm und wieder freundlich, und wieder feindlich, vorsichtig und auf der Lauer, schlau, zupackend, und wieder sehr hv,tich, und nun sehr frech und unverschämt; und einer gegen den anderen, und einer neben dem anderen, und einer mit dem anderen und einer über dem anderen, unerschöpflich, was das Spiel der Haltungen und Bewegungen alles ausdrückt, ja in den Ruhepausen sogar, in denen die Aermchen steif ausgestreckt bleiben und der Kops rückgebeugt-gravitätisch steif steht. Alles so deutlich und bestimmt und ohne jeden Zweifel und jedes Mißverständnis, so daß man meint, die Züge des Holzgesichts änderten sich auch mit und sprächen auch mit, und so stark ist die Wirkung, daß man es schließlich glaubt, obgleich man weiß, daß es nur Puppen sind, die spielen, und daß sie gänzlich unveränderte Holzgesichter mit gemalten Augen und Wangen, Brauen und Zähnen haben. kleines Feuilleton. Theater. Kleines Theater. DieStimme der Unmün» d i g e n", Lustspiel in drei Aufzügen von Sven Lange. Vor ein paar Jahren wurden in glänzender Darstellung des Dänen Sven LangeStille Stuben" im Kleinen Theater, bald darauf seinVerbrecher" in der Freien Volksbühne   aufgeführt. Beide Werke zeigten das Gepräge sinnvoller Eigenart, ein erstaunliche? Feingefühl in der Wiedergabe rasch hinhuschender, nur halb be- wußter Scelcnregungen, die fremd und rätselvoll aus der Ver- borgenheit plötzlich ins Leben greifen, es weit aus den gewohnten Bahnen schleudernd. Das Gemäloe der jungen nach Leidenschaft verlangenden Gattin, der in ihr sich kreuzenden und vermischenden Empfindungen, wie des jeden wärmeren Gefühlslaut scheu unter- drückenden Ehemannes in denStillen Stuben" ruft, so wenig Handlung in gewöhnlichem Sinne das Stück enthält, durch die gedrängte Fülle des Psychologischen in manchen Szenen eine Spannung hervor, deren Intensität an Ibsen   erinnert. Und eine jede Nuance vollkommen herausarbeitende schauspielerische Ver- körperung desVerbrecher" würde Eindrücke von ähnlicher Stärke hinterlassen. Wie in diesem schüchternen, gedrückten Alltags- menschen der Einfall, den unbarmherzigen Gläubiger umzu- bringen, als Spiel der Phantasie auftaucht, wie der zufällige Ge» danke unter einer zufälligen Konstellation von Umständen blitz- artig zur Tat wird, der Betäubungsdrang, das ermahnende Be» wußtscin und die seltsame, garnicht aus Reue geborene Selbst- bezichtigung desSchuldigen" das alles ist frappierend originell geschildert und in geschlossener Weise, ohne einen Bruch wie er dem Schlußakte derStillen Stuben  " anhaftet, bis zu dem Ende durchgeführt. Es wäre sehr zu wünschen, daß das Wiederauftauchen dieses Autorennamens in dem Repertoire des Kleinen Theater die Aufmerksamkeit auf jene früheren, bei weitem noch nicht nach Verdienst gewürdigten Leistungen zurücklenkte. Eine Einschätzung Sven Langes, die ihn nach den Qualitäten der neuesten Premiere beurteilen wollte, täte ihm bitter unrecht. Von seiner persönlichen Note, dem Sinn für das Intime, läßt das Lustspiel nur in der Umrahmung, nicht in der Durch- führung des Themas etwas spüren. In Novellettenform, die völlig freie Bewegung gestattet, hätte Lange die Geschichte von dem ro- mantisch schwärmenden Backfisch, der gegen einen, nur in der Phantasie vorhandenen Liebhaber der Mutter ritterlich zu Feld zieht, gewiß mit stimmungsvoll fein abgetönter Ironie, einer diskreten, nirgends wider die Bescheidenheit der Natur verstoßenden Komik gestaltet. Indem er den Stoff, dessen interessierende Mo- mcnte, die Gefühle und stillen Reflexionen einer solchen Mädchen- scelc, von vornherein der Dialogform widerstreben, dennoch in ein dramatisches Schema zwängte, hat er ihn arg vergröbert und ver- zerrt. Die Sorge um die geliebte Mutter, mögen die Vorstellungen von der Gefahr, in der sie schwebt, und die Rettungspläne noch so kindisch naiv sein, hat etwas rührende?. Doch dieser Zug, der dem Humor hier die Grundfärbung hätte geben müssen, kommt in dem Lustspiel nirgends wirksam zur Geltung. Kinder, die so empfinden, tragen die Last verschwiegen mit sich herum. Ein Dichter kann davon erzählen, aber sie nicht selber lang und breit ihre geheimsten Gedanken vor irgend einer beliebigen Freundin ausplauschen lassen. Daß Lange diesen Ausweg wählt und eS ist schwer zu sagen, wie er im Drama, das keine andere Schilderung des Innerlichen als die vermittels deS Dialoges kennt, bei solchem Stoff sich anders hätte helfen sollen verflacht den Gegenstand: und der Ton der Bekenntnisse ertötet vollends den Reiz. Um momentanes Lachen zu erzielen, greift er, der sonst so zart Be- denkliche, zu peinlich groben Uebertreibungen, Effekten, die sich vulgärem Possenstile nähern. So bleibt das Mädel im Grunde herzlich gleichgültig. Was in der Zeichnung der Eltern und des Opernsängers, der, nachdem der Argwohn der Kleinen sich zerstreut hat, sofort als Sieger in ihr Herz zieht, beziehungs- und stimmungs» volles eingeflochten, vermochte nicht das Manko auszugleichen. Ausgezeichnet war Jlka Grüning in der Rolle der klugen, ein ungestilltes Sehnen willcnsstark in sich verschließenden Mutter. Gut sekundierten Rudolf Klein-Rhoden   als bescheiden glücklicher Gatte und Lettinger als backfischumschwärmter, jugendlicher Opernsänger. Lotte Klein fand für die vierzehn» jährige Heldin wenig individuelle Farben. ät. Notizen. Hermann Sudermann   hat einen RomanDas hohe Lied" vollendet. Im Nachlaß Josef Joachims befindet sich ein nie veröffentlichtes Geigenkonzert Robert Schumanns. Eine neue Ausgabe von Kleists   Werken in sechs Bänden, von Wilhelm Herzog   besorgt, bereitet der Jnsel-Verlag für diesen Herbst vor. Dem Märkischen Museum sind aus dem Nachlaß des verstorbenen Prof. Eduard Hitzig   mit Zustimmung der Witwe wertvolle Gaben zu teil geworden. So die Originalhandschrift deS Peter S ch l em i h l von C h a m i s s o. des Kriminalrats Hitzig Briefwechsel mit literarischen Größen, wie Fouquö, Zacharias Werner  . E. T. A. Hoffmann u. a., die Oelgemälde des Kriminalrats Hitzig, des BauratS und des Prof. Hitzig von Magnus' und MeyerheimS Hand. Die erste Vorarlberger   LandeS-Stickerei» ausstellung wurde in HohenemS   eröffnet. Die Ausstellung ist sehr stark beschickt und zeigt in reicher Menge die Produkte der Vorarlberger   Stickerei, einer Industrie, die Tausende von Menschen in Vorarlberg   beschäftigt. Das Museum der schönen Künste(dlusoum ol Fine Arts) in Boston   beabsichtigt nach derUmschau" als erste Anstalt dieser Art einen Museumsdozenten anzustellen, deffen ausschließliche Tätigkeit darin bestehen soll, jedem Besucher im Museum Auskunft zu geben.' Von der Wellmannschen Expedition. Falls in diesem Jahre die Wittcrungsverhältnisse Wellmanns Aufstieg zur Fahrt nach dem Nordpol   nicht mehr gestatten sollten, wird Nansens Kamerad Johannsen, derjetztmit Dr. Brückeauf Prinz-Charles-Forland topographische Aufnahmen macht, den Winter über in Virgohafen verbleiben zur Bewachung der Ballonhalle. Im Frühjahr gedenkt Johannsen eine Schlittenexpedition nach Nordostland eventuell Gillis- land zu unternehmen, von der er über dieSieben Inseln" nach Virgohafen zurückkehren will. Berantwortl. Redakteur: HanS Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer SiCo., Berlin   LlV-