Völkerkunde. E i n neu erforschtes Jndianervolk. In dem brasilianischen Staat Matto Erosso wohnt eine grosse Zahl von ur- sprünglichcn Stämmen, die noch fast ganz unerforscht sind. Diese Lücke ist jetzt ausgefüllt worden mit Bezug auf einen Indianer- stamm, die Bororo, zu denen Dr. Cook eine Reise unternommen hat. Der erste Bericht über das Ergebnis dieser Forschungen sowie über die von ihm mitgebrachten Sammlungen wird jetzt in den »Miscellaneous Collections des Smithsonian Institut  " veröffentlicht und bietet eine Fülle höchst fesselnder Einzelheiten. Die Bororo- Indianer gehören vielleicht zu den am reichlichsten bemalten Menschen, die es auf der Erde gibt, denn überall, wo sie sich in zu. traulicher Annäherung an die Europäer niedergelassen haben, hinterliessen sie einen Farbenfleck wie ein Malertopf. Ueberhaupt benahmen sie sich mit der denkbar größten Naivität. Einige rauchten, andere kauten an den Körnern einer gerösteten Korn- ähre, noch andere knabberten an dem käseähnlichen Fleisch einer kleinen Palmenfrucht, und die männliche Jugend beschäftigte sich teils mit dem Verschlingen schwarzgcrösteter Fische, teils mit einer Art von Bogenschießen, die Frauen und Kinder bildete» in etwas größerer Entfernung einen Ring um die sonderbare Eruppe. Trotz des aufs höchste gesteigerten Interesses, das die Indianer an den Weißen Männern und ihrer ganzen Ausrüstung nahmen, stahlen sie nie etwas, TvaS den Fremdlingen von Anbeginn gehört hatte; da- gegen schienen sie für erlaubt zu halten, sich Gegenstände zu holen, die sie an die Europäer verkauft hatten. Die äußere Erscheinung war recht merkwürdig. Der Kopf war bei Männern und Frauen eingerahmt von einer wirren Masse von straffen, groben schwarzen Haaren, die bis auf die Schultern niederhingen, und reichlich, wie auch der übrige Körper, mit Fischtran gesalbt und mit einem eigen- tümlichen roten Teig von einer Beerenfrucht beschmiert waren. Für den Gipfel des Putzes schienen es die jungen Leute, Knaben und Mädchen, zu halten, wenn sie sich den ganzen Körper mit Federn bekleideten, und die Eltern gewährten diesen Schmuck ihren Kindern als besondere Belohnung. Alle jungen Männer und Knaben trugen in einem Loch der Unterlippe eine Kette aus Stücken einer Muschelschale, ältere Männer an derselben Stelle einen Pflock, und zwar aus praktischen Gründen, weil das Loch in der Unterlippe sonst beim Trinken hinderte. Die jungen Männer sind um die Lenden mit einem sehr bescheidenen Gürtel aus Palm- blättern bekleidet, der nur 2 3 Zentimeter breit ist, und tragen außerdem mancherlei Schmuck aus Affenzähnen usw. Merkwürdig ist die Sitte, um den Hals oder um den Kopf Ringe aus Haaren zu tragen, die bei Leichenbegängnissen den trauernden Hinter- bliebenen ausgerissen werden. Das weibliche Geschlecht nimmt es viel genauer. Die kleinen Mädchen bekommen schon im Alter von sechs Jahren eine Art von Korsett, das aus Baumrinde hergestellt, besonders gegerbt und dann zweimal um den Körper herum- geschlungen wird. ES scheint dann damit den Bororos nicht anders zu ergehen, als der holden Eitelkeit bei uns, denn wenigstens in der ersten Zeit bereitet dicS Kleidungsstück den jungen In- dianerinnen sichtliches Unbehagen. Dafür haben sie weiter nichts an mit Ausnahme eines anderen Rindenstreifens, der von vorn nach hinten zwischen den Beinen durchgezogen wird. Alte Frauen der Bororos, die wahrscheinlich auf weitere Eroberungen verzichten, legen wohl daS Korsett ab oder ersetzen es wenigstens durch ein bequemeres ans weicherer Rinde. Die Bororo-Jndianer leben ge- wöhnlich zu je zwei Familien in einer Hütte zusammen, doch hat jede Familie ihr eigenes Feuer, über dem auf einem hölzernen Rost Fische, Fleisch und Gemüse gebacken werden. Etwa VA Meter über dem Feuer hängt ein zweiter sehr großer Rost, der gewisser- maßen die Speisekammer der Familie darstellt und zur Auf. bewahrung von leichter verderblichen Speisen dient, indem diese durch das Feuer von unten her angeräuchert werden. Jede Familie hat eine, zuweilen auch mehrere Matratzen, die aus langen Palmblättern geflochten sind; außerdem verfügt jeder einzelne über ein Kopfkissen, das freilich zuweilen nur in einem Stück Holz besteht oder auch in einer kleinen Rolle aus grünen Bananen- stengeln. Der Tod eines Kindes, das zu einer der angesehensten Familien gehörte, gab den Forschern Gelegenheit, eine Reihe sonder- barer Bcstattungsgcbräuche kennen zu lernen. Zunächst wurde eine ausführliche Totenklage abgehalten, die in dem lauten und tiefen Abfingen eine» Textes besteht, der etwa wiehiauh huh äh äh" klang, und von einem Quartett nackter, bemalter und befedertcr Männer ausgeführt wurde. Bei jeder Note machten diese Leute eine kleine Kniebeuge und vollführten außerdem einen begleitenden Lärm mit Klappern, die aus Kürdissen hergestellt waren. Hinter dem Quartett stand ein Chor von Weibern, die mit Fächern die Fliegen abwehrten; dazu kam daS Geheul von zwei großen Flöten. das tiefe Gcwadl von Kürbistrompetcn und das Solo der klagenden Mutter, die, mit ihrem eigenen Blut beschmiert, neben dem Leich. nani ihres Kindes hockte und sich die Haare ausraufte, wobei der trauernde Vater ihr Beistand leistete. Die Toten der Bororo- Indianer werden in die Decke von Palmblättern eingewickelt, die ihnen als Bett gedient hat und dann nach Vollendung der Toten- klage nach dem öffentlichen Spielplatz getragen, wo sie mit etwa Vi Meter Erde bedeckt werden. Jeden Abend nach Sonnenuntergang versammelt sich hier die trauernde Familie nebst ihren Freunden und murmelt einen leisen Gesang, das Antlitz nach dem schwindenden Licht gerichtet. Außerdem wird das vorläufige Grab jeden Abend mit Waffer begossen, um den Zerfalk des Leichnam» zu beschleunigen. Ist dieser weit genug gediehen, so wird wieder eine große Feier abgehalten. Ein höchst phantastisch mit Palm- blättern und Federn geschmückter Mann spielt dabei die Hauptrolle und beginnt mit einem sonderbaren Tanz, an dem allmählich mehr Männer teilnehmen, die von Kopf bis zu Fuß mit Lehm beschmiert und außerdem mit schwarzen Strichen bemalt sind. Schließlich wird das Grab mit den Fingern aufgekratzt, der Tote in einer Weise zutage gefördert, die besser nicht geschildert wird, und in ein Feuer geworfen. Auch dann haben die armen Gebeine noch keine Ruhe erlangt, sondern erfahren noch«ine weitere Behand- lung, für die es schwer hält, eine Erklärung zu finden. Die Bororos glauben an eine Seelenwanderung. Hat der Ver» storbene einen sehr schlechten Lebenswandel geführt, so tritt er eine Wanderung in den unteren Regionen an. Die Seele schlägt ihren Wohnsitz in den Körpern gewisser Fische und Säugetiere auf, von denen sie immer wieder ausfahren muß, wenn das Tier stirbt. Dienen solche Tiere dem Bororo-Jndianer zur Nahrung, so muß vor dem Genuß ein Priester den etwa darin wohnenden Geist aus, treiben, weil auf die Speise sonst Krankheit und Tod folgt. Wenn ein Priester zu diesem Zweck einen Fisch beschwört, ruft er mit lautem Geschrei die Sonne an. vollführt einen ekstatischen Tanz, bläst und spuckt dem Fisch in den Mund und behandelt ihn mit Schlägen. Nur die Priester haben das Vorrecht, nach dem Tode ein Jenseits zu erlangen, wo die Sonne wohnt. Die Priester sind überhaupt mit großer Macht ausgestattet, auf deren Wahrung sie eifersüchtig bedacht sind. Wird ein Bororo krank, so wird ein Priester geholt, der feststellen soll, ob der Kranke gesunden oder sterben wird. Falls der Priester den Tod voraussagt, so zählt er an seinen Fingern ab, wieviel Sonnen der Kranke noch sehen wird. Hat dieser die Dreistigkeit, nach Ablauf der Zeit noch am Leben zu sein, so schickt der Priester seinenExekutor", der sich dem Kranken rücklings auf den Leib setzt und ihn erdrosselt, damit der Priester mit seiner Diagnose recht behält. Die Bororos find vielleicht das einzige Volk, dessen Aerzte infolge dieser Praxis stets imstande sind, den Tod eines Kranken auf den Tag vorauszusagen. Bücher- Einkauf. Romane, Novellen, Erzählungen. Schalom Asch  : Bilder aus dem Ghetto. Novellen. sS. Fischer, Berlin  . 3 M., geb. 4 M.) Margarete Böhme  : D i d a Ibsens   Geschichte, ein Final« zum Tagebuche einer Verlorenen. Roman.(F. Fontane u. Co., Berlin  . 4 M.. geb. ö M.) Dolorosa: Die Starken. Ein Athletenronmn. (Leipziger Verlag. G. m. b. H., Leipzig  . 3 M.) Erdmann Graeser  : Lemkes fel. Witwe. Zur unterirdischen Tante. D i e Sache macht sich. Zwei humoristische Romane.(H. Seemann Nächst, Berlin  . Jeder Band 1 M.) Hedwig Hard: Die im Schatten gehen. Skizzen. (G. Rieckes Buchhandlung Nächst, Berlin  . 3 M.. geb. 4 M.) Paul Oskar Höcker  : Ich grolle nichtl(Grethlein u. Co., Leipzig   und Berlin  .) JgnotuS: Die Dame in Weiß.(Karl Konegen. Wien  . 4 M.) Benno Jakobsen: Rund um die Liebe. Berliner Skizzen.(Harmonie, Berlin  . 2 M., geb. 3 M.) Gustav Adolf Müller: Unterm wilden Apfel- bäum.(Grethlein u. Co., Leipzig   und Berlin  .) I. E. Poritzky: LieveSgcwalten. Novellen.(Karl Freund  , Berlin  .) FrangoiS Rabelais  : Pantagruel, Zweites Buch. Verdeutscht von Dr. Owlglaß  . Unischlag nach einer alten Vorlage. (Geheftet 3,50 M., elegant gebunden 4,50 M. Verlag von Albert Langen   in München  .) Wilhelm Schüssen: Vincenz Fanlhaber. Ein Schelmenroman.(Deutsche VerlagSanstalt  , Stuttgart  . 2,50 M., geb. 3,50 M.) E. Stilgebauer: Der Börse nkön ig, Roman. (R. Bong. Berlin  . 4 M.. geb. 5 M.) Otto Weddigen  : Krieg und Katastrophen, ein FriedenSroman.(R. Sattlers Verlag, Leipzig  ). Emile Zola  : L o u r d e s. Neue Ausgabe in einem Bande.(Deutsche Verlagsanstalt  , Stuttgart  . 2,50 M., gebunden 3.50 M.) Emile Zola  : Rom  . Neue Ausgabe in einem Bande. (Deutsche Verlagsanstalt  , Stuttgart  . 8 M., gebunden 4 M. Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagsanstaltPaul Singer LTo..Berlin   LiV.