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Als sie bei Jegor eintraten, begrüßte er fie mit heiserem Fluß und den Schienenstrang läßt. Fast fentrecht fallen die Fels­Krächzen: wände zum Fluß herab, der gurgelnd und schäumend durch das ein­geengte Bett schießt. In die Felstrümmer eingehauen sieht man hier und da noch die Reste einer alten Kunststraße, die von dem fagenhaften König Marko angelegt worden sein soll.

" Ich versammle mich zu meinen Vätern. Ludmilla Wassiljewna, dieser Herr hat sich ohne Erlaubnis der Be­hörde aus dem Gefängnis entfernt! Geben Sie ihm vor allen Dingen zu essen, dann verstecken Sie ihn auf zwei Tage irgendwo."

Das Weib nickte, blickte aufmerksam in das Gesicht des Kranken und sagte strenge:

" Jegor, Sie hätten sofort zu mir schicken sollen, als jemand zu Ihnen fam. Sie haben auch, wie ich sehe, zweimal die Medizin nicht genommen, was ist das für eine Nach­lässigkeit? Sie sagen doch selbst, daß Sie danach leichter Genoffe, fommen Sie mit! Es kommen fofort Leute aus dem Krankenhause, um Jegor abzuholen. Soll ich doch ins Krankenhaus?" fragte dieser. " Ja. Ich werde bei Ihnen bleiben. Auch dort?"

Machen Sie feinen Unsinn..."

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdrud verboten.)

In der türkischen Provinz.

Hinter dem Engpaß verliert das Gebirge an Wildheit und Zer­rissenheit. Aber die Berge zu beiden Seiten des Wardar bleiben. Ein bewaldetes Mittelgebirge rahmt jetzt den breit dahinrollenden Strom ein, dessen Windungen schon einigemale vom Schienenstrange überbrückt worden sind.

Doch nicht immer haben die Brücken dem Unwetter der letzten age standzuhalten vermocht. Fast an jeder wird gearbeitet. Die Hämmer fladen und die Feldschmieden fauchen. Und je mehr langsamer fährt der Zug. Fast könnte man jetzt gemächlich neben fich die Flußwindungen und Ueberbrückungen wiederholen, desto ihm her spazieren. Endlich steht er ganz still. Es ist mitten auf Der Strecke. Alles drängt sich an die Fenster. Das Zugpersonal fann unmöglich auf so viele Fragen Antwort geben. Von den Borderwagen her eilt eine erregte Bewegung durch die Wagentette. Alles greift nach seinem Gepäck. Die Türen werden aufgerissen. In einer fremden Sprache werden ein paar Worte ins Coupé hinein­gebrüllt. Zögernd wagen sich die ersten auf die Trittbretter; dann folgen die anderen nach.

und

Ein weiter Talkessel, durch den der Wardar rauscht, öffnet sich den Blicken. Ein letztes Leuchten der untergehenden Sonne liegt auf den Hängen, gligert auf dem Flußspiegel und umzittert die Höhen. Der Himmel schimmert in einem goldblauen Phosphorglanz. Eine unbeschreibliche Stille träumt in dieser Abendstimmung. Klein und winzig stehen die dem Zug entstiegenen Menschlein in dieser Die Baffagiere wechseln von Station zu Station. Das Militär gewaltigen Natur. bleibt. So geht es durch die großen Sümpfe zwischen Uesküb und Der Zug fann nicht weiter. Der Wardar hat die Brücke, die Eine Note Selenito, in deren Mitte der Schilffee von Kaplan liegt. Dort reiht man über seinen Rüden gespannt, zertrümmert. Ueber diese müssen die Passagiere fich Zigeunerdorf an Zigeunerdorf. Niedere strohgedeckte Hütten, brüde ist errichtet worden. wie man sie auf Abbildungen in Reisewerten über Innerafrika hinüber zu dem auf der anderen Seite des Flusses schon bereit findet, find es. Ein paar in die Erde gerammte Pfeiler- Stämme stehenden Zug.. Da heißt es, erst einmal über Steingeröll den Arbeitsgerät junger Bäume sind mit Weidenflechtwerk oder mit Schilf­Bahndamm abschüssigen entlang gräsern verbunden. Bon außen sind diese Flechtwerkzäune leicht lettern. Das ist nicht leicht, zumal wenn man auch noch mit dem mit einem Gemisch von Lehm und Viehmist verschmiert, während Reisegepäck zu schaffen hat. Den Albanesen, die an die Bergpfade im Innenraum zerschliffene Teppiche die finstere Höhle, die nur durch ihrer Heimat gewöhnt sind, ist das eine Kleinigkeit. Nicht aber uns, die Eingangspforte ein wenig Licht erhält, einigermaßen wohnlich die wir bei jedem Schritte fühlen müssen, wohin der Fuß tritt. machen sollen. Neben diesen Häusern" kommen auch noch Erd- Doch auch wir kommen unversehrt zum Eingang der Brüde. Der wohnungen bor : Schächte, die direkt in das Erdreich hineingegraben ist von Soldaten bewacht. Nur in Trupps von zwanzig Mann find. Die Salpetergewinnung aus dem Sumpfland, die hier eine dürfen die Passagiere hinüber. Der geländerlose Baltensteg ist kaum sehr reichliche ist, hat die Zigeuner, dieses geborene Nomadenvolf, einen Meter breit und gut zehn Minuten lang. Bei jedem Schritte wenigstens in diesem engumgrenzten Bezirk seßhaft zu machen schwankt er, wie es ein Schiff in großer Seenot nicht besser tann. vermocht. Unter ihm gurgeln und brausen die Wogen des Wardar. Die Sonne Hinter dem Sumpfgebiet reckt sich Bergland auf. Häuser, die in ist hinter die Berge gefunden. Schwarze Schatten haben die Aus­ihrer Bauart an Italien erinnern, flettern die Hänge hinauf. Maul- ficht verhängt. Nur im Flüstertone sprechen die sonst so frohen beerbaumfulturen geben dem Gelände einen südländischen Charakter. Menschen auf diesem primitiven Stege. Und kaum daß der erste Trupp Kleine, zerbrödelnde Kapellen, die der Halbmond noch nicht gänzlich die Brüde verlassen, drängt auch schon der zweite am jenseitigen Fluß­auszurotten vermochte, frönen die Höhen. Klöster und Kastelle ufer auf sie hinauf. Und hinter dem zweiten: der dritte und vierte schauen von grauen Felsschroffen in grüne Täler. Ein Wartturm und fünfte; und nach den Menschen kommen die schweren Güter­steigt auf und ein paar hundert graue Häuser mit graubraunen stücke, die von schweißtriefenden Hamals einzeln über die schwankende Dächern. Das ist Koprülü, die Brückenstadt", deren Töpfer- Notbrüde getragen werden müssen..

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waren in Bulgarien und Mazedonien einen hohen Ruf Diese Umladung der Menschen und Güter brachte eine mehr­haben. Die Töpfer von Koprülü wissen denn auch, was ihre Ware stündige Verzögerung. Gar mancher wollte wieder zurück, denn wert ist. Auf dem Bahnhof haben sie ganze Magazine errichtet. er hatte in der Aufregung des Umsteigens das eine oder Jeder hat da feinen Stand. Reisegefährten, die die Station öfter durch fahren, wissen zu erzählen, daß um diesen Stand" häufig Prozesse geführt werden. Wer dem Bahnsteig am nächsten ist, glaubt die günstigsten Chancen für den Verkauf zu haben ein Vorteil, den er feineswegs aufzugeben gewillt ist, wenn der gute Nachbar es einmal mit der Ellenbogenfreiheit versucht.

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Und die Leute haben Geschmack. Sie verstehen es, ihre Waren aufzubauen und deren: Schönheiten zur Geltung zu bringen, wie es besser taum ein europäisch geschulter Dekorateur fertig brächte. In diesem bunten Durcheinander stedt eine gewiffe Regelmäßigkeit. Did bauchige, grau und rot getönte Krüge stehen in langen Reihen. Grün, blau, blaẞrot und schwarz glasierte Gefäße, oft von hohem Kunstwert, loden die Kaufluftigen. In mannigfaltigen, aber stets gefälligen Formen bieten sich die Schüsseln, Basen und Krüge dar. Hier und da erinnern fie an altgriechische Arbeit. Anmut und Ebenmaß in Linie und Tönung find ihre Hauptmerkmale. Angebot und Nachfrage stehen freilich in feinem Verhältnis zu einander. Die im Zuge fahrenden Arnauten, Bulgaren und Griechen fabrizieren sich ihre irdenen Geschirre selbst. Als Käufer bleiben da meist nur bie à la franca Gekleideten übrig. Und was die erstehen, ist taum

der Rede wert!

Kahler werden die Uferberge. Ein paar Bergbäche in breiten Betten fickern, jest mur in spärlichen Rinnfalen, dem Wardar zu. Weiße Häuser mit flachen. Dächern tauchen auf: Beniziani- Grat sto. Hier, wo die Landstraße nach Monastir abzweigt, schiebt das hellenisch romanische Saloniti seine ersten Posten vor. Die slawische Kultur beginnt den Kampf mit der der Mittelmeervölfer. An den Ruinen der antiken Stadt Stobi geht es vorüber nach Demirkapu, wo der wildzerrissene Engpaß gleichen Namens beginnt, den die Bulgaren Zelezna vrata nennen.

andere im ersten Zuge liegen laffen. Da fehlten Kleidungsstüde und Tabakdosen, Wasserkrüge und Eßvorräte. Einem war sein Bas abhanden gekommen. Der jammerte nicht wenig. Denn er wußte, daß wenn er sich auf dem Bahnhof der Polizei nicht genügend legitimieren fonnte, seiner, wenigstens für die Dauer der Nacht, das mit Wanzen und Flöhen überreich gefegnete Gefängnis warte. Denn in Paßiachen kann man faum im heiligen Rußland ängstlicher und penibler sein als in der Türkei .

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Das bedauerlichste Mikgeschick war aber wohl einem hoch in Der hatte seine junge, den Sechziger stehenden Türken passiert. erst vorhergehenden Tage gefreite Frair verloren, er während der ganzen Fahrt wie feinen Augapfel gehütet und getreulich überallhin, selbst in die verschwiegensten Dertlichkeiten, begleitet hatte. Jest rannte er in heller Verzweiflung den ganzen Bug entlang, stedte seine bebrillten Augen, seine gelbe Höckernase und feinen weißen Bart in jedes Coupé- aber die Angebetete feines Herzens war und blieb verschwunden....

Es ist Nacht geworden. Ein trübes Dellämpchen fladert in unserem Coupé. Mit untergeschlagenen Beinen fitzen fie da und starren durch das Wagenfenster den Funken der Lokomotive nach, die unaufhörlich fliegen. Einer schnarcht auf dem Fußboden. Er hat es sich der Länge nach bequem gemacht. Jezt müffen wir, die wir die Kunst mit gefreuzten Beinen zu fizen, nicht verstehen, uns vor sehen, ihn nicht zu treten. Draußen huschen Hügel und Bäume vorüber. Der halbe Mond steht groß und gelb am Himmel. In seinem Lichte erscheint alles größer und geheimnisvoller, die Schluchten tiefer, zerrissener und die Berge höher und steiler.

Aus einem der Nachbarwagen erschallt Gesang. Nach jedem Lied Lachen und Durcheinanderschreien. Soldaten, die zur Ernte­arbeit beurlaubt wurden, sind es. Sie empfinden ihren gegen wärtigen Zustand als eine Art von Freiheit.

Die Uferberge des Wardar haben sich jetzt ganz eng aneinander geschoben. In grauen Schroffen und Baden bilden sie ein doppeltes, Eine Station taucht auf: Amatowo. Der Zug fährt lang= wildzerrissenes Mauerwerk, das in seiner Mitte mur Raum für den samer, bremst, hält. Ein paar gelbe Lampen werfen einen müden