Hlnterhaltungsblatt des Vorwäris Nr. 188. Freitag, den 27 September. 1907 lNachdruck verboten.) 641 Die JVIutter. Roman von Maxim Gorti. Deutsch von Adolf Hetz. Die Bauern schrien plötzlich, indem sie sich gegenseitig unterbrachen: Der Mann hat recht!.. Ruft den Kommissar! Wo ist der Kommissar?.. Z' Der Wachtmeister ist hingeritten..." Wohin? Der ist ja betrunken!..." Ist nicht unsere Sache, die Obrigkeit zu holen., Der Lärm wuchs beständig. Red' weiter! Wir lassen Dich nicht schlagen r. Was hast Du angerichtet he?.. Bindet ihm die Hände los.. Ist nicht nötig, Brüder.. Losbinden... Was ist dabei...?" Gebt acht... Daß wir nichts Verbotenes tun!" Die Hände tun mir weh!" sagte Rybin, alle Stimmen übertönend.Ich laufe nicht fort, Bauern! Verstecke mich nicht vor meiner Wahrheit! Sie lebt in mir..." Einige Leute traten gemessen nach verschiedenen Seiten von der Menge fort, unterhielten sich halblaut und schüttelten die Köpfe; andere lachten... Aber es kamen immer mehr schlecht und hastig angekleidete aufgeregte Menschen zu- sammengelaufen... Sie wogten wie dunkler Schaum um Rybin auf; der aber stand mitten unter ihnen wie eine Kapelle im Walde, erhob die Hände über den Kopf, schüttelte sie und schrie in die Menge: Ich danke Euch, brave Leute, danke Euch! Wir müssen uns selbst gegenseitig die Hände frei machen... ja! Wer hilft uns denn sonst?" Er wischte seinen Bart ab und erhob wieder die ganz mit Blut bedeckte Hand. Hier ist mein Blut... das fließt für die Wahrheit..." Die Mutter stieg die Treppe herunter, aber von der ebenen Erde aus konnte sie Michailo, der vom Volke ein- gezwängt wurde, nicht sehen, und so stieg sie wieder die Stufen hinauf. In ihrer Brust war es heiß und eine un» klare Freude zitterte in ihr. Bauern! Sucht die Schriften zu bekommen, lest sie, glaubt der Obrigkeit und dem Popen nicht, wenn sie Euch sagen, daß die Menschen, die uns die Wahrheit bringen, gott  - lose Aufwiegler sind... Die Wahrheit geht heimlich über die Erde, sie sucht sich ein Nest im Volke... Der Obrigkeit ist sie so viel wie Messer und Feuer, die kann sie nicht an- nehmen, sie schneidet ihr den Hals ab, verbrennt sie! Euch ist die Wahrheit ein guter Freund!" Wieder ertönten in der Menge Ausrufe. Hört, Rechtgläubige!..." Ach, Bruder, Du gehst zugrunde..." Wer hat Dich angezeigt?..." Der Pope!" sagte einer von den Polizisten. Zwei Bauern schimpften kräftig. Aufgepaßt, Leute!" ertönte ein warnender Ruf. XV. Auf die Menge zu schritt der Kommissar, ein großer. stammiger Mann mit rundem Gesicht.- Seine Mütze war auf die Seite geschoben, die eine Schnurrbarthälfte aufwärts ge< wirbelt, die andere hing herab, und davon erschien sein Ge- ficht schief und durch ein stumpfes, totes Lächeln entstellt. In der linken Hand trug er den Säbel, mit der rechten aber fuhr er weit durch die Luft. Man hörte seine schweren, festen Tritte. Die Menge wich vor ihm auseinander. Ein finsterer und bedrückter Zug erschien in den Gesichtern. Und der Lärm verstummte, legte sich, als wenn er in die Erde kröche. Die Mutter fühlte, daß ihre Stirnhaut zitterte und ihre Augen heiß wurden. Sie wollte wieder in die Menge gehen, beugte sich vor und blieb unbeweglich in einer gespannten Stellung. Was ist das?" fragte der Kommissar, blieb vor Rybin stehen und maß ihn mit den Augen.Warum sind die Hände nicht gebunden?" Seine Stimme war hoch und hell, aber farblos. Sie waren gebunden... das Volk hat sie losgebunden! antwortete ein Dorfpolizist. Was? Das Volk? Welches Volk?" Er blickte auf die im Halbkreise vor ihm stehenden Menschen. Und mit derselben eintönigen Stimme fuhr er fort: Wer ist das das Volk?" Er stieß den blauäugigen Bauern mit dem Degengriff gegen die Brust. Bist Du das Volk, Tschumakow? Nu, wer noch? Du etwa, Mischin?" Und zauste jemanden mit der rechten Hand am Bart. Schert Euch fort, Pack!... Sonst werde ich Euch... werd' ich Euch schon zeigen!" In seiner Stimme, in seinem Gesicht lag weder Erregung noch Drohrmg. Er sprach mit tödlicher Ruhe und schlug die Leute mit gewohnten, gleichmäßigen Bewegungen seiner festen, langen Hände. Die Menschen traten vor ihm zurück, senkten die Köpfe, wandten die Gesichter zur Seite. Nun, wirds bald?" wandte er sich an die Polizisten «Bindet ihn!" Er schimpfte unflätig, blickte Rybin wieder an und sagte laut zu ihm: Hände zurück... Du!" Ich will nicht gebunden werden!" sagte Rybin.Ich denke nicht daran, wegzulaufen und schlpge Euch nicht... Waruin wollt Ihr mich binden?" Was?" fragte der Kommissar und trat dichter an ihv heran Ihr habt das Volk genug gequält, Ihr wilden Tiere!" fuhr Rybin mit erhöhter Stimme fort.Bald kommt auch für Euch der rote Tag." Der Kommissar stand vor ihm und blickte in sein Gesicht, wobei er den Schnurrbart bewegte. Dann trat er einen �schritt zurück und sang in pfeifendem Ton erstaunt: A a ach, Hundsfott... Was sagst Du da?" und schlug Rybin plötzlich ins Gesicht. Mit der Faust schlägst Du die Wahrheit nicht tot!" rief Rybin, auf ihn zutretend.Und mich zu schlagen hast Du kein Recht, Du räudiger Hund!" Was? Ich?" heulte der Kommissar lang gezogen und holte wieder aus, indem er nach Nybins Kopf zielte. Rybin hockte nieder, der Schlag traf ihn nicht und der Kommissar schwankte und blieb kaum auf den Beinen. In der Menge prustete jemand laut los, und wieder ertönte Michailos zorniger Ruf: Wag' es nicht, mich zu schlagen, Teufel, sage ich!" Der Kommissar blickte sich um die Leute schlössen sich finster und schweigend zu einem engen, dunklen Ring zu- sammen.... Nikital" rief er laut, indem er sich umsah.Nikita!" Aus der Menge bewegte sich ein stämmiger, mittelgroßer Bauer in kurzem Halbpelz heran. Er hatte den großen« zottigen Kopf gesenkt und blickte zu Boden. Nikital" sagte der Offizier, den Schnurrbart drehend, ganz gemächlich.Hau ihm eine runter... aber kräftig!" Der Bauer trat vor, blieb vor Rybin stehen und erhob den Kopf. Rybin schleuderte ihm die wuchtigen, wahren Worte unmittelbar ins Gesicht: Da seht, Leute, wie die wilden Tiere Euch mit Euren eigenen Händen erwürgen!... Seht zu und denkt nach!" Der Bauer erhob langsam die Hand und schlug ihn träge gegen den Kopf. So machst Du es, Hundsfott?" heulte der Kommissar. Du. Nikita!..." rief jemand halblaut aus der Menge. Denk an Gott  !" Schlag zu, sage ich!" rief der Offizier und stieß den Bauer gegen den Hals. Ter schritt beiseite und sagte mürrisch mit gesenktem Kopf: Ich will nicht mehr..." Was?" Das Gesicht des Offiziers verzerrte sich, er stampfte mit den Füßen auf und stürzte schimpfend auf Rybin zu. Dumpf klatschte der Schlag, Michailo strauchelte, holte mit der Hand aus, aber durch einen zweiten Schlag warf ihn der Kommissar