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ungefüge Deflamation des Tertes nichts ändert): vielmehr ist| fahrung lehrt, daß Vögel, die von Menschen aufgezogen wurden, Schubert auch einer der größten Beherrscher der Harmonienfolgen, im Gesange Stümper blieben und später allerlei Töne und Ge­fogar geradezu mit einer revolutionären Kraft. räusche aus ihrer Umgebung nachzuahmen versuchten. Das Lied ist dem Vogel also nicht angeboren, sondern es muß erlernt werden. Deshalb sind die Gesangsstunden, die von den alten Vögeln den Jungen erteilt werden, für die Bildung der Dialekte maßgebend. Bei der Ausbildung des jungen Vogels im Gesange kommt aber auch, gerade wie beim Menschen, die Veranlagung zum Ausdruck, und gerade hier trifft Darwins Theorie von der geschlechtlichen Buchtwahl, an der die weitere Entwickelung der Naturwissenschaft so viel Kritik geübt hat, gut zu.

Wir könnten und möchten noch lange von diesen Eindrücken plaudern und würden dann wohl abermals auf die Klage zurück­tommen, daß sich die öffentliche Musikpflege unserer Berliner   Kreise allzusehr in Bewährtem" bewegt. Ergeben wir uns einmal in dieses Schicksal, so könner wir uns um so eher freuen, daß immer mehr und mehr Gelegenheit geboten wird, wenigstens diesen Gegen reichlich zu spenden und zu genießen. Namentlich wird die Sorking­Oper zum Träger dieser Bestrebungen. Hat doch die Freie Volts­bühne die Freitage und die Neue Freie Volksbühne" die Montage dieses Theaters für sich genommen, um ihren Mit­gliedern eine allmähliche Wanderung durch den traditionellen Opernschah zu ermöglichen! Daß es da nicht nur gilt, ungefähr Gutes zu bieten, sondern vielmehr auch sich und andere zur Andacht im Kleinen zu erziehen, darf vielleicht selbst der Regie jenes Theaters gegenüber betont werden.

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Physikalisches.

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SZ.

In das Reich der höchsten Temperaturen führen uns die Forschungen, die von den Professoren Mendenhall und Ingersoll in der Physikal Review" werden. Es ist begreif licherweise außerordentlich schwierig und erfordert besonders scharf­finnige Mittel, Temperaturen von mehreren hundert oder gar mehreren tausend Grad zu messen, da die gewöhnlichen Thermo­meter dazu natürlich unbrauchbar sind, weil die dabei benutzten Flüssigkeiten, wie Weingeist oder Quecksilber, vollständig ber­dampfen würden; als Grundlage für die Messung dieser Temperaturen ist namentlich das Verhalten des Platin genommen worden, das eine große Hiße bis zum Eintritt des Schmelzens verträgt. Es kommt also zunächst darauf an, die Schmelztemperatur dieses Metalls aufs genaueste festzulegen, was aber bisher noch nicht recht gelungen ist. Auch die beiden genannten Forscher können nicht genau angeben, ob das Platin bei 1745 oder 1789 Grad schmilzt. Als Meldometer so nennt man den Apparat zur Bestimmung bon Schmelzpunkten haben sie den Nernstschen Glühförper be­nubt, auf den sie ein kleines Teilchen des Metalls brachten, worauf sie durch ein Mikroskop beobachteten, wann das Schmelzen ein­trat. Dann wurde zunächst ermittelt, bei welcher Stromstärke Dies geschah, und daraus wieder die Temperatur des Glühförpers bestimmt. Auf Grund dieser Untersuchungen und ihrer Fort­setzung sich dann noch andere schwer schmelzbare Stoffe in Be Handlung genommen worden, die zum Teil noch größere Hiße bis zum Schmelzen erfordern als das Platin. Reiner Kiesel schmilzt bei 1452 Grad, das Element Palladium bei 1576, Rhodium bei 1968 Grad und das feltene Metall Indium gar erst bei 2388 Grad. Diese Messungen waren selbstverständlich nur dadurch möglich, daß der benutte Glühförper noch höhere Temperaturen vertrug, und es ist festgestellt worden, daß er bei hellster Glut eine Temperatur von 2480 Grad und im Augenblick des Schmelzens eine solche von 2490 Grad besitzt.

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Aus dem Tierleben.

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Humoristisches.

Nur nobel! Als ein bei der Firma Thyssen u. Co. in Mühlheim a.. beschäftigter Ingenieur bei dem Versuch, einen durch Gasausströmung betäubten Arbeiter zu retten, sein Leben ein­gebügt hatte, verlangten die Hinterbliebenen Schadenersatz. Diesen berweigerte die Firma, da der Ingenieur durch eigenes Verschulden berunglückt wäre und sich hätte jagen müssen, daß er in der gas­gefüllten Grube, in der jener Arbeiter lag, erstiden würde.

In Anbetracht der guten Führung des Verewigten und nach dem Grundsatze noblesse oblige" hat übrigens die Firma von den Hinter Thyssen großmütig darauf verzichtet, fich bliebenen die bei Bergung der Leiche entstandenen Sosten ersetzen zu lassen oder ihm wegen Aufenthalts in verbotenen Räumen" einen Strafabzug von seinem letzten Gehalt zu machen! Daß das Reichsgericht der Firma Unrecht gab, zeigt übrigens wieder einmal, wie wenig das Institut das Vertrauen der staats­erhaltenden Kreise verdient.

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In der VII. Klasse einer Münchener   Mädchenschule stellte der Religionslehrer jüngst folgende Frage: Wenn Dir auf der Straße die drei göttlichen Personen begegnen würden, welche würdest Du zuerst grüßen?" ( Jugend.")

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Persona gratissima. Beim heutigen Cercle zeich neten Seine Majestät mich allergnädigst ganz allein durch eine An­sprache aus; Majestät klopften mich auf die Backe und bemerkten Du kannst Dir dazu:" Na, bist Du auch da, alter Schafskopp!" denken, Adelheid, der Neid von den anderen!"

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Ahnenstolz. Finden Sie nicht, daß ich eine frappante Aehnlichkeit mit unserem allerhöchsten Landesfürsten habe? Meine Urgroßmutter war nämlich eine tönigliche Maitresse!"

- Alles für den König, Reizend, reizend, mein lieber Bürgermeister! Sogar Ehrenjungfrauen haben Sie zu meinem -Nur ungeniert, Hoheit, bal Eahna oane Empfang aufgestellt 1" 9'fallt." ( Simpliciffimus". Spez.- Num. Byzanz.)

Notizen.

Schmitthenner zu ehren, der gerade in Berlin   verhältnismäßig wenig bekannt wurde, wird die Freie Lehrervereinigung für Kunsts pflege am 9. Oktober in der Aula der Augusta- Schule, Kleinbeeren­straße, eine Gedenkfeier für den Dichter bei freiem Eintritt ver­anstalten. Das Marionetten Theater Münchener künstler" wird den Gegenstand des ersten Vortrages der bes ginnenden Wintersaison seitens der Vereinigung: Die Kunst im Leben des Kindes bilden. Herr Frizz Stahl hält diesen Vortrag am Freitag, den 4. Dftober, abends 8 Uhr, im Bürgerfaal des Berliner   Rathauses.

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Vogeldialekte. Das Vogellied, dessen Schönheit und Schmitthenner- Geben! feier. Um das Gebächtnis Reichhaltigkeit sehr häufig mit dem Standorte des Tieres zu­sammenhängt, ist immer ein Minnesang, denn es spielt bei der des im Januar d. J. verstorbenen Heidelberger Erzählers Adolf Werbung und Paarung, beim Liebesstreit und bei der Abgrenzung der Brutreviere eine große Rolle. Der Gesang lockt das Weibchen an, und niemand außer ihm ist zur Kritit am Liede berufen. Der Gefang des Vogelmännchens aber steigt und fällt mit seinem Geschlechtsleben! Die Nachtigallenmännchen, die im Frühling an­tommen, singen fast die ganze Nacht, um die später eintreffenden Weibchen auf ihren Nestort aufmerksam zu machen, und auch während der Brutzeit verstummt der Gesang des Vogelmännchens nicht. Die Beobachtung hat wie F. v. Lucanus in den Ornithologischen Monatsblättern" schreibt gezeigt, daß das zahlenmäßige Verhältnis der Männchen und Weibchen zueinander auf die Gesangsleistung einen großen Einfluß hat. Sind mehr Herr Bonn   hat wieder einmal eine Rede an das am Weibchen einer Art in einer Gegend vorhanden, so ist der Gesang Sonnabend in seinem Theater verfammelte deutsche Volt gehalten der Männchen schlechter, weil sie sich bei der Brautwerbung nicht und dann ein neues Schauspiel: Der Pastorssohn" aufführen laffen. soviel Mühe mit dem Gesang zu geben brauchen. Ferner ist die Der Shakespeare des Berliner   Theaters dichtet bekanntlich seinen Häufigkeit einer Vogelart für einen guten Gesang bestimmend. Dramenbedarf selber. Diesmal ist er nach seiner Versicherung in Aus diesem Grunde find die Singvögel in der Nähe großer Städte fein eigentliches Element" zurückgekehrt und hat mit dem Herzen schlechte Sänger, denn sie finden nur wenig Niftgelegenheit und gedichtet. Die anderen Chofen die gruseligen, aber fittenreinen Raum zu geselliger Ausbreitung. Das beste Lied erschallt in Wald Detektivkomödien hat der edle Dichter, wie er hervorhob, nur und Flur, namentlich aber im Gebirge, wo die Vogelwelt sich un- seinem Bublifum zuliebe geschrieben. Neben seiner sonstigen un­geftört ausbreiten darf. Der Gesang des Vogels titigt immer geheuren" Arbeit. Also sozusagen aus reinstem Jdealismus, Bonn­bas Gepräge der Gegend, wo er nistet. Jedes Tal, jede Wald- scher Färbung, und die guten Leute, denen Bonn   so füß ums Maul wiese und jedes Berggelände hat ein besonderes Lied. Bei einigen ging, fanden das sehr ultig und rührend, ließen ihn reden und bes Vogelarten find auch gewisse Dialette zu unterscheiden, z. B. beim flatschten die Rückkehr des beinahe verlorenen Sohnes zum Quell Rotkehlchen  , die sämtlich eine große Gesangsmeisterschaft ver- der wahren Poesie. Wir aber stellen mit gebührendem Respekt fest: raten. Je modulationsfähiger eine Vogelstimme ist, um so zahl- der Dichter der Andalosia", hei leiwet noch! reicher find die Dialekte. Ihre Erforschung hat einen wissenschaft-- Die Schadsche Gemäldegalerie in München  , die lichen Wert, denn sie sind ein Beleg dafür, daß die Vögel immer der von den Hohenzollern feinerzeit gegrafte Begründer dem wieder an ihre alten Brutstätten zurückkehren. Jede Gegend be- deutschen Kaiser vermacht hat, soll in einem Neubau an der alten fitzt demnach ihre ganz bestimmte Vogelrasse, deren Gesangsleistung Stelle untergebracht werden. Die Licht- und Raumverhälnisse der durch die Anzahl der nistenden Vögel, durch die Häufigkeit der an guten Kopien von deutschen Meistern aus dem 19. Jahrhundert einzelnen Arten und durch Unterweisung im Gesang bedingt( Schwind, Feuerbach  , Böcklin  ) reichen Galerie sollen dadurch vers wird. Der Unterricht durch Eltern und Genossen ist für die Er bessert werden. Hoffentlich muß dieses Gute nicht gegen eine Fassade Haltung der örtlichen Dialekte durchaus wichtig, denn die Er- des offiziellen Berliner   Stils eingetauscht werden. Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.- Drud u. Berlag: Vorwärts Buchdruderei u.Berlagsanstalt Baul Singer& Co., Berlin   SW.

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