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Für die wirklich gesprochene deutsche Sprache die ich trok dem häßlichen Klange nennen möchte: Sprechsprache im Gegensab zur Papiersprache gibt es bisher noch feine wissenschaftliche Grammatik. Man erkennt der Sprechsprache in den Klassen, aus denen eine solche Grammatik ja nur hervorgehen kann, nicht ein­mal eine Daseinsberechtigung zu, sondern hält sie für eine un­erlaubte, auszutilgende Unart. Nur hier und da sind einige Ver­fuche gemacht worden, die lebendigen Mundarten auch der ge­bildeten Klassen wissenschaftlich festzuhalten, so z. B. in dem vor­trefflichen Buche Der richtige Berliner  ".

Ich will hier nicht die schwierige Frage untersuchen, ob die bollständige Beseitigung der Alltagssprache im Gegensahe zur Papiersprache auch nur zu wünschen wäre. Die Erfahrung der Jahrhunderte lehrt uns, daß, ob wir es wünschen oder nicht, neben jeder Literatursprache eine Sprechsprache besteht, und daß, zum Glück oder zum Unglüd, kaum ein Mensch wie gedruckt spricht. So ist es zu allen Zeiten gewesen, auch bei den alten Griechen und Römern. Auch ohne die vereinzelten Spuren der beiden antiken Sprechsprachen beachtet zu haben, hat wohl jeder Laie, der griechischen oder lateinischen Jugendunterricht genossen hat, das Gefühl gehabt: die Sprache, wie sie uns bei den Schriftstellern des Gefühl gehabt: die Sprache, wie sie uns bei den Schriftstellern des Altertums entgegentritt, mit ihrem künstlichen, ja gefünftelten Sahbau, ihren Partizipien, vor allem mit ihren oft endlos langen Säßen, fann niemals lebendige Rede gewesen sein. Von den neueren Sprachen sind es nur das Englische und Französische, die eine gründliche Bearbeitung ihrer icbendigen All­tagsmundarten erfahren haben. Für beide gibt es eine große An­zahl von Darstellungen, namentlich in Wörterbuchform. Sie alle aber werden übertroffen durch die von dem berühmten sprach wissenschaftlichen Verlage Langenscheidt in Berlin   herausgegebenen Londinis men" und" Parisismen". Ich kann nur jedem, der, von der richtigen Einsicht in das Wesen einer ge­sprochenen Sprache erfüllt, den Wunsch hegt, die beiden Sprachen wirklich zu bemeistern, diese beiden Arbeiten warm empfehlen. Die Londinismen" hat H. Baumann in London   mit dem Neben­titel Slang und Cant  , Wörterbuch der Londoner Volkssprache fowie der üblichsten Gauner, Matrosen-, Sport- und Zunftaus drücke" herausgegeben und mit einer wissenschaftlich sehr wert­vollen Einleitung, ja sogar mit Musterſtüden bereichert. Soeben erscheint davon eine stark vermehrte neue Auflage, die nach zahl­reichen von mir vorgenommenen Stichproben an Bollständigkeit taum irgendetwas zu wünschen läßt.

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sprache sind eben bei keinem Volte so scharf gezogen, daß sie nicht von hüben wie von drüben zuweilen überschritten werden. Eduard Engel  . Aus der Vorzeit.

daran gewöhnt, die Üranfänge der Kultur aus dem näheren Orient, Aus der Urgeschichte des Eisens. Man ist so sehr namentlich aus Aegypten   und Babylon, herzuleiten, daß es faſt überraschend wirkt, wenn einmal von einem bedeutenden Kultur­fortschritt behauptet wird, er sei in Mitteleuropa   entstanden. Diese Ansicht hat Professor Ridgeway in einem Vortrag vor der anthro­Bezug auf den Ursprung der Eisenbearbeitung vertreten. pologischen Abteilung der englischen Naturforscherversammlung mit Das eigentliche Zentrum in der Benutzung des Eisens als Metall sucht kommen, daß sie sich von der Landschaft Noricum  , also in der dieser Gelehrte im Herzen Europas  , und ist zu dem Schluß ges Gegend des heutigen Ober- und Niederösterreichs  , weiter in die welt und unter die Völker verbreitet hat. Diese Auffassung ist neu, denn man nahm bisher an, daß Aegypten   die eigentliche Heimat des eisernen Zeitalters gewesen sei. Professor Ridgeway stellt dieser Meinung die Behauptung entgegen, daß in Aegypten  das Eisen zwar früher eine Verwertung gefunden habe, aber nur in dem natürlichen Mineralvorkommen als Haematit oder Not­eisenerz, und daß es daher nicht als ein Metall, sondern als ein Stein behandelt worden sei. Außerdem ist häufig die Rede davon gewesen, daß die Bewohner von Inner- Afrika schon vor sehr langer Zeit Eisen verwandt haben, aber der englische   Forscher hält diese Annahme für unwahrscheinlich. In Uganda  , also in der Gegend der großen Seen von Ostafrita, ist das Eisen erst seit etwa 500 Jahren bekannt geworden, und es liegt daher wohl kein Grund vor, der Bevölkerung der noch weiter nach dem Innern gelegenen aller Metalle zuzutrauen. Auch von den Völkern jenseits des Teile von Afrika   eine sehr viel frühere Kenntnis dieses wichtigsten Staspischen Meeres und an den Küsten des Indischen Ozeans   be­fibt man keine Kunde von einer frühen Verwendung des Eisens, und es ergibt sich daher gewissermaßen aus negativen Gründen der Schluß, daß der mitteleuropäischen Bevölkerung das Berdienst der ersten Einführung des Eisens zuzuerkennen wäre. Diese Ansichten von Professor Ridgeway haben allerdings nicht die Zustimmung aller Sachverständigen gefunden. Namentlich ist in der Erörte­rung darauf hingewiesen worden, daß man zwischen einer Be­fanntschaft mit dem Eisen und seiner allgemeinen Benußung unter­scheiden müsse. Beispielsweise war nach Professor Naville das Eisen im sogenannten neuen ägyptischen Reich noch nicht im all­gemeinen Gebrauch, obgleich es schon zur Zeit des alten Reichs nicht unbekannt gewesen ist. Professor Petrie, der Leiter der groß­artigen Ausgrabungen von Nippur   in Mesopotamien  , hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Bekanntschaft mit dem Eisen etwa bier Jahrtausende älter ist als seine allgemeine Benukung. Artur Evans  , der glüdliche Entdecker der ältesten Reste menschlicher Stultur auf der Insel Streta, vertritt die Ansicht, daß überhaupt Gründe dagegen sprechen, daß in Mitteleuropa   ein eisernes Beit­alter früher eingetreten sei als im Orient, da im südlichen Bosnien  sowie in Griechenland   und auf Kreta   ältere darauf bezügliche Funde gemacht worden sind als beispielsweise in dem berühmten Gräberfeld von Hallstatt   in Oberösterreich  , nach dessen Inhalt eine große Stulturepoche als Hallstatt  - Periode bezeichnet und als älteste Eisenzeit angesprochen worden ist.

Notizen.

Die" Parifismen"( Pariser Argot) hat einer der Verfasser des berühmten Sachs- Villatteschen Wörterbuches, der Professor Billatte, herausgegeben. Für jeden Kenner der englischen   und französischen   Schriftsprache ist schon das Blättern in diesen beiden merkwürdigen Büchern ein philologischer Hochgenug. Allerdings fein ganz reiner, denn sehr sauber geht es in solchen Büchern natür­lich nicht zu. Für die Jugend, besonders für junge Mädchen, etwa zur Ergänzung ihrer mangelhaften franzöfifchen und englischen Töchterschulweisheit sind diese Bücher weder bestimmt noch ge­eignet. Indessen auch für kräftige Männergemüter ist der aus den beiden Wörterbüchern aufsteigende Brodem manchmal gar zu start. Bei einer Vergleichung der beiden Werke fönnte man leicht zu dem Glauben kommen, die niedere Volkssprache der Engländer sei reinlicher als die der Franzosen  . Dies trifft in der Wirklichkeit der Dinge nicht zu. Der Bearbeiter der Londinismen" hat sich nur von der nun einmal in England herrschenden größeren Zimper­lichkeit nach außen ein wenig ansteden lassen und hat die ärgsten Derbheiten der Aufnahme nicht gewürdigt. Das mag streng philo­logisch ein Verlust sein, für die Zwede des täglichen Verständnisses wird das Buch dennoch ausreichen. Freilich, wer aus Liebhaberei - Gin märkisches Wandertheater. Die Gesellschaft. oder zu Studienzweden sich in den Matrosenschenken des Londoner Oftends bewegt oder gar an noch schlimmeren Stätten in die für Verbreitung von Voltsbildung und die Schillertheater- Gesellschaft Grundsuppe des Lebens der Riesenstadt an der Themse   hinabsteigt, in Berlin   haben sich zur Errichtung eines Wandertheaters, das der dürfte Herrn Baumann mancherlei Bereicherungen seines in fleinen Ortschaften der Mark Brandenburg gute volkstümliche nahezu 300 zweispaltige Seiten starten Bandes liefern. Stücke zur Aufführung bringen soll, entschlossen. Als Leiter des Der Herausgeber der Pariser Sprache hat keinerlei Rücksichten aus tüchtigen Kräften zusammengefeßten Ensembles ist Herr der Zimperlichkeit walten lassen, sondern hat mit philologischer Dr. Geyer, früher Regisseur am Schauspielhause in Düsseldolf, In den Spielplan der ersten Tournee, Unerschrockenheit aus jeder Schlammschicht des Lebens die Perlen" gewonnen worden. am 21. Oktober beginnen beginnen soll, find aufgenommen dieser Schlammsprache herausgewühlt. Die Wissenschaft adelt auch die Minna von Barnhelm"," Kabale und Liebe", Die folche Tätigkeit, um so mehr, als ihre Ergebnisse oft sprachlich worden: von hohem Reize sind. Lebensfrische Anschaulichkeit, sprachlicher Geschwister"( Goethe) und Der eingebildete Stranke"( Molière) Wit, fühnfte Vergleiche und Anspielungen finden sich in den Tiefen beide Stüde   an einem Abend und Der Herr Senator". Eine einer Sprache oft in größerer Fülle als auf den Höhen. Gegen- oder mehrere Vorstellungen werden zunächst stattfinden in Altdöbern  , über der langsamen Berarmung der meisten Schriftsprachen erregt Dahme   i. M., Drossen, Finsterwalde  , Friesad, Gassen, Ludenwalde, der Ueberreichtum der Ausdrüde für dieselben Begriffe in den Lychen  , Beitz, Strausberg  , Templin  , Treuenbrießen, Triebel, Welten, Volkssprachen, trob dem sich beimischenden Widerwillen, doch Wittenberge   und Wittstock  . Nähere Auskunft über die Bedingungen geradezu Bewunderung. Auf jeder Seite, zumal der Parisismen", der Beteiligung an dem Wandertheater in anderen Ortschaften er findet sich mindestens ein Ausdruck für die Dinge, von denen man teilt die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung, Berlin  in der guten Gesellschaft entweder gar nicht oder nur in zarter NW. 21, 2übederstr. 6. Blumensprache redet, und die doch die zartesten Herzen nicht ent­behren können.

- Der Pianist Alfred Reisenauer   ist in 2ibau an einem Herzschlage gestorben. Er gehörte zu den bekannteren Ver tretern der Lisztschule.

H. Sienkiewicz  , ber polnische Romanschriftsteller, ar­beitet zurzeit, wie polnische Blätter berichten, an einem Roman aus dem politischen Leben der Gegenwart. Die Gegenfäße der natio­nalen und sozialistischen Arbeiterbewegung, die in Russisch- Polen zu blutigen Kämpfen geführt haben, sollen den Hintergrund der Er­zählung bilden.

Daß übrigens auch die höchste Papiersprache nicht frei von Ausdrücken der Boltssprache ist, das wird der sprachgebildete Leser zu seinem Erstaunen nahezu auf jeder Seite dieser beiden Er­gänzungswörterbücher des Englischen   und Französischen entdecken. Wir sprechen eben alle, auch im Deutschen  , ein wenig flang", und ohne es zu wissen lassen wir sogar einiges davon drucken. Die Grenzen zwischen Hoch- und Tiefsprache, Papier- und Sprech Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.- Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.