da» Wunderkare, bis e» ihm endliS gelingt, gutritt zu der vniber»fität zu erhalten. Doch auch hier dauert sein Martyrium fort. Ermartert sich dort über Rätsel und Sinn des Lebens aufreibend weiter.ein friedloser, moderner Prometheus. Die bittere Eelbstbeichte istzugleich ein grausames Gericht über die beste aller Welten. Keinewüste Elendsfchilderei, sondern ein einziger Schrei aus zerrissenerSeele. Seine Seele möchte die Welt lieben und die Menschen, dieheimatlos, gekränkt, gebrandmarkt, erniedrigt und geknechtet sind.Diese Menschlichkeit fiebert durch daS Buch, den Unglücklichen ist eSgewidmet.In Liebesgewalten, kleinen an den neueren russischenDichtern geschulten Novellen, ist Poritzky weicher und wärmer.Zwar bleibt er auch hier der schneidend-tühle Beobachter, aber esgeht wie ein Rausch durch die Geschichten: die Verkündigung derLiebe. Nicht der geschlechtlichen Lieb«— obwohl er auch deren Liedzu singen weiß—.sondern jener unseligen und seligen Macht, die Menschenzu Märtyrern und Heiligen, zu Königen und Sklaven macht. Er zeigtoer größeren Liebe tötende und gebärende, niederreißende und aufbauende Kraft, jene starken Empfindungen und heißen Triebe, diedem Menschen zum Schicksal werden. Die Liebe zur Kunst, die Liebezu einer Idee, die Mutterliebe, die Kindesliebe, das große Mitleidenmit der Menschheit— davon reden die Skizzen mit leidenschast-lichem Gefühl, poetisch und stiinmungsvoll. War Pontzky in.MeiueHölle" der große Zweifler und Verzweifler, hier ist er der großeGläubige. Wenn er von der Liebe zur Mutter spricht, findet er diezärtlichsten und innigsten Töne und es gelingt rhm, wie im vor»genannten Buche, so auch hier— den Leser zu bewegen.Schalom Asch: Bilder aus dem Ghetto, Novellen.S. Fischer. Berlin.Das Buch ist sympathisch um seiner Ehrlichkeit willen. Mankönnte es als ein Stück jüdischer Heimatskunst bezeichnen. Poritzkystrebt mit allen Fasern seiner Seele hinaus ins Licht, Schalom Aschhat sich seine Ghetto-Seele bewahrt und verharrt inbrünstig bei denGebräuchen seiner Väter. Mit einem kleinen, aber gewandten Talentleuchtet er in diese orthodoxe Welt, in der eS von Talmudsprüchenund Sentimentalität trieft. Er hält sich fast ausschließlich an dieseSentimentalität und darum bekommen seine Skizzen eine Melancholie.die auf die Nerven fällt. Wer nicht niehr in dem Buche sucht, alseine getreue Milieuschilderung, wird diese Bilder von betenden.arbeitenden, zankenden, scherzenden und schlauen Juden mit Interesselesen. Die Jargon-Skizzen bleiben indessen unbefriedigend an derOberfläche. Sie verweilen mit Umständlichkeit beim Aeußerlichen;wo das Menschliche gepackt werden soll, kommt der Verfafler überFlachherten nicht hinaus. Der Geist des Ghetto wird viel wenigerlebendig, als z. B. in den Büchern von Franzos oder Bernstein.*Edward Stilgebauer: Der Börsenkönig, Roman.R i ch. Bong, Berlin.411 Seiten Tcxt l Diese wichtige Bemerkung setzt der Verlagjeder Anpreisung des neuesten Artikels von Ed. Stilgebauer hinzu.Allem Anschein nach ist es eine Spezialität Stilgebauers, seineBücher nach Gewicht herzustellen. w»e schon die ungeheuerenQuantitäten Papier belviesen, die für die Qualität des tantieme-fetten Götz Krafft entschädigen sollten. Gewiß, es gibt viele Lese-futterfabrÜanten. Ed. Stilgebauer aber ist der alleroberste Macher.Wahrlich es ist eine Geschichte mit vielen Kapiteln für sich, wie hierein leerer Geist,«in Schreiber ohne jede dichterische Inspiration undKünstlerschaft dem Lesepöbel Sand in die Augen streut l Freilichmuß man zu solchem literarischen Caglioftto-Kunststückchen Arm inArn: mit einein reklamekundigcn Verleger gehen, wie Herr Bongeiner ist. Da kann's nicht fehlen, daß die Hintertreppenerzeugnissevoll breitmäuligstem Reporterdeulsch wie ein.zündenderFunke iu die deutsche Leserwelt" einschlagen. Die letztepapierene Untat: Der Börsentönig nennt der Verlags-Waschzettel mit derselben nnver— krorenen Barnumrellame.einmächtiges Kulturbild von lückenlosem Ausbau aus dem Babeljüdischer Millionäre, die von, Glauben ihrer Väter abgefallen find".Stilgebauer schildert„die Lügner des Lebens" im großen Stil.inihrer Sünden Maienblüte". In der Tat, man kann sich nichts Eben-bürtigereS zu diesen, phrasenhaften Küchendeutsch denken, alsStilgebauers mauschelnd- sentimental- gerisieneS Buch. In diesemfamosen Waschzettel steckt der ganze Geist deS StilgebauerschenRomanS, der nichts weiter ist, als die sensationell mit allen Grusel-affekten auflackierte Schanergeschichte vom Glück und Ende einesFrankfurter Kaligrubenbesitzers. An diesem König der Börse und semerFamilie läßt Stilgebaner seine ganze unheimliche Kolportagephontafieaus. Es ist zum Totlachen, wenn's nicht fo traurig wäre, daß einegroße Leserschicht auf solche Geschmacksversenchung hereinfällt. Alles,was den Bilsen der Minderjährigen im Geiste hebt und die Haaresträubt, geschieht in dem Roman in prafielnder Reihenfolge: DerKalikönig wird verrückt, seine Arbeiter versaufen in der Grube,seinen Schwiegersohn trifft der Schlag, ein junger edler Jude.mitDichterträumen in der Seele" wird von Pferden zerstampft, unddes Börsenkönigs Töchterchen kriegt erst einen Prinzen und danneine Fehlgeburt.... Wa« will man schließlich mehr? Finger-fertigkcit, ihr ungelesencn Dichter I Lernt bei Stilgebauer, wie'S gemacht wird! I Und künnneit Euch nicht um Ideale, foudern mn dieunterste,, Instinkte der MenzelVinzenz Faulhaber. ein Schelmenroman von WilhelmSchuber. Deutsche Verlagsanstalt. Stuttgartund Leyzzig.Wie sehr haben sich doch in unseren Tagen die Schelme ver»ändert I In den alten Schelmenromanen großen Stils, da hattenfie ein rotbäckiges Geficht, leichtes Blut, in ihrem Kopf flattertentausend lustige Gedanken und zu ihren tausend tollen Stteichenlachten fie. lachten ausgelassen und munter. Wilhelm SchusserSSchelm, der Torfstecher Vinzenz Faulhaber hat ein bleichesNeurasthenikergesicht, sein Blut fließt träge und schwer, in seinemKopf wälzen sich philosophische Gedanken und seine Stimmung isttrübselig, reflektierend! Er ist ein Pesfimist, wie die großen Schelmeder Grimmelshausen, Gil Blas, Rabelais usw. Optimisten»»d Welt-verlacher waren. Es ist daher auch gar nicht kurzweilig und Humor-voll, mit diesem hysterisch belasteten Kind deS 20. Jahrhunderts zuspazieren, keinesfalls bringt es den Gewinn, den der echte Schelmen-roman uns bringen soll: das befreiende Lachen I Vinzenz Faulhaberverläßt sein armes Dorf, um nach allerlei Irrfahrten, bei denen ersogar Zeiwngsredakteur und Nietzscheleser wurde— armer Schelm—zuletzt als Vagabund wieder in seinen, heimatlichen Ried zn landen.Wollte der Verfasser an dieser humorlosen Fabel die Schimäre derWelt zeigen und die wnnschlose Einfalt predigen? Dafür hat erseine Feder in zu viel Galle getaucht? dafür fehlt auch seinemGestaltungsvermögen viel zu sehr die große Einfachheit Simplizität,die über den Dingen steht. J. V.Kleines f euilleton*Kunstgewerbe.Zur Befichtigung der Kartons und der Farbensklzze zu einemgroßen dreiteiligen Glasgemälde, das für das Treppenhaus desneu erbauten Provinzial-Landesmnseums in Münster i. W. bestimmtist, hatte Melchior L e ch t e r eingeladen. Man muß die Genauig-keit und Beherrschung im Zeichnerischen daran bewundern. Einbreites Mittelfenster, flankiert von zwei kleineren Seitensenstern. DieKomposition greift über diese Trenimng hinlveg und faßt das Ganzeals Einheit zusammen. Die Kunst ist als heiliger Quell dargestellt,von den. Gestalten in feierlichen Gewändern, die die einzelnenKünste symbolisieren aus Schalen trinken. Ein hoher, kathedrak-artiger Bau wächst, schlank sich verjüngend, darüber empor mid ver-schwindet in Wolken.Die Farbenskizze gibt einen Anhalt für die Farbenwirknug.Tiefblauer Himmel mit silbernen Sternen. Ein dunkelgrüner Hügelbesät mit kleinen gelben Blumen. Vor diesem Hintergrund, defienGlut tief aufleuchtet, baut sich in strenger architeltomscher Schönheit das Ganze aus und erinnert in dieser konzentrierten Farben-schönheit an dt« Pracht alter, mittelalterlicher Glassenster.Der strenge Stil, linear und flächig, ist durch die Technik be-dingt. Lechter beherrscht fie vollkommen und es ist fein Verdienst,daß er uns diese alten Fenster wieder in modernem Sinne auflebenläßt. Mit der Liebe der alten, mittelalterlichen Handlverker behandelt er jedes einzelne Glasstückchen— es sind etwa 7000 Teile—selbst, um aus diesem langwierigen Wege den Enttvurs in Materialumzusetzen. Diese Stückchen werdet, geätzt, mit Silber unterlegt,ausgekratzt, und unter schwierigsten Versuchen kommt endlich die ge-wünschte Wirkung in der Farbe heraus.Lechter stammt aus Westfalen. Seine Kunst ist noch deutlichein Abglanz jener tiefem beinahe mystischen Kunst, von der wir inden Kunstdenkmälern Westfalens Proben erhalten haben. Ein strengerStil, eine glühende Phantastit. Das ist die ganz persönliche Notein dem Schaffen Melchior Lechters. die ihn abseits von der modernenKunstentwickelung stellt. Sein« Kraft wächst aus einem tiefen Ge-fühl, das alle Dinge durchströmt.Das Provinzialmuseum in Münster i. W.— dem GeburtsortLechterS— wird noch anderen, bedeutsamen Schmuck aufweisen.Lederer hat Plastiken dafür entworfen, Bruno Paul richtet eine Reihevon Zimmern her. Diesem Milieu wird sich Lechters Arbeit als ernsteSchöpfung passend einfügen. e. s.Medizinisches.Rachenerkrankong und Genickstarre. VonDr. Westenhöffer in Berlin ist zuerst die Behauptung aufgestelltworden, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Eni»stehung der Genickstarre und den Wucherungen d«S Ras-nrachen»raiunes bestehe. Diese Theorie ist zwar von verschiedenen Seitenangefochten worden, aber sowohl die klinischen Untersuchungenwie die Beobachtungen am Sektionstisch bewiese», daß Dr. Westen-höfser mit seiner Annahme Recht hat. Zunächst find regelmäßigim Rachcnsekret die sog. Meningocoecen gefunden worden, dannist festgestellt worden, daß die an Genickstarre erkrankten Kinderin größerer Zahl wie die gesunden Wucherungen im Rachen aus-weisen. Diese Rachenerkrankung ist am heftigsten in den erstenKrankheitstagcn, während sie manchmal nach acht Tagen schon V«»schwunden ist. Die Rachenerkrankung erklärt auch, warum dieSchule niemals die Vermittlerin der Krankheit ist, obwohl dieGenickstarre vorwiegend eine Kinderkrankheit ist«nd Kinder vomSäuglingsaltcr an bis zum 14. Lebensjahr ergriffen werden. DieUrsache liegt darin, daß die Kinder niemals auswerfen, sondernimmer den Auswurf hinunterschlucken. Die Verbreitung erfolgtdaher nicht durck Kinder, sondern durch erwachsene Personen,