Weib mit den großem ehrlichen Augen im guten Gesicht zog sie mächtig an. Im Leben waren sie getrennt und von ein- ander losgerissen, aber jetzt vereinigten sie sich zu einem Ganzen, das vom Feuer des Wortes erwärmt wurde, das vielleicht viele durch die Ungerechtigkeit deS Lebens gekränkte Herzen längst gesucht und erstrebt hatten. Die Nächststehenden schwiegen, die Mutter sah ihre gierig aufmerksamen Augen und fühlte in ihrem Gesicht ihren warmen Atem. Tritt auf die Bank!" sagte man ihr. Geh fort. Alte!" Gleich nehmen sie sie mitl.. >,Jst die aber frech.. Sprich schnell... sie kommen!" Fort! auseinander!" ertönten die Schreie der Gen» barmen immer näher. Es waren ihrer schon mehr, sie stießen kräftig, und die Leute vor der Mutter schwankten auf den Füßen und griffen nacheinander, mn sich zu halten. Es war ihr, als wenn alles um sie herum wogte, als lvenn alle bereit wären, sie zu verstehen, ihr zu glauben, und sie wollte geschwind den Leuten alles sagen was sie wußte, alle Gedanken, deren Kraft sie fühlte. Diese tauchten leicht aus der Tiefe ihres Herzens hervor und fügten sich zu einem Lied zusammen, aber sie fühlte beschämt, daß ihre Stimme nicht reichte, daß sie heiser wurde, zitterte, übersprang. Das Wort meines Sohnes ist das reine Wort eines Arbeiters mit unbestechlichem Herzen! Lernt die Uichestech» lichen kennen, sie sind unerschrocken und gehen selbst zu ihrem Schaden, wenn das nötig ist, der Wahrheit entgegen!" Ein paar junge Augen blickten ihr voll Entzücken und Furcht ins Gesicht. Man stieß sie bor die Brust, sie schwankte und setzte sich auf die Bank, lieber den Köpfen der Leute erschienen die Hände der Gendarmen, sie griffen nach den Kragen und Schultern, warfen Körper beiseite, rissen Mützen herunter und schleuderten sie weit fort. Alles wurde schwarz, schwankte in den Augen der Mutter, aber sie bezwang ihre Müdigkeit und schrie mit dem lleberbleibsel ihrer Kraft weiter: Vereinigt Eure Kräfte zu einer Macht!" Ein großer Gendarm packte sie mit seiner roten Hand an den Kragen und schüttelte sie. Halt's Maul!" Sic schlug mit dem Hinterkopf gegen die Wand, ihr Herz wurde einen Äugenblick vom beißenden Rauch der Furcht um- fangen, dann flammte es wieder, den Rauch zerteilend, hell auf. Geh?" sagte der Gendarm. Fürchtet nichts! Es gibt keine Qualen, die schlimmer sind als die. die Ihr daS ganze Leben lang ertragt." Maul halten! sage ich!" Der Gendarm faßte sie unter den Ärm und zog sie fort, ein anderer ergriff ihren zweiten Arm, und beide führten sie mit festen Schritten fort. Es gibt keine Qual, die bitterer ist als die, die das Herz jeden Tag still einschluckt und die die Bnist austrocknet!" Ter Spion kam vorgelaufen, drohte ihr mit der Faust ins Gesicht und winselte: Maul halten. Du Pack!" Ihre Augen wurden größer, blitzten, die Kinnlade gitterte. Sie stenimte die Füße auf den glatten Stein- fußbodcn und schrie mit Aufbietung ihrer letzten Kräfte: Eine Seele, die auferstanden ist, kann man nicht töten..." Du Hund!" Der Spion schlug sie mit einer kurzen Handbewegung ins Gesicht. Da hat das alte Luder einen!" ertonte ein schaden- .froher Ruf. - Etwas Schwarzes und Rotes blendete eine Sekunde die Augen der Mutter, salziger Blutgeschmack erfüllte ihren Mund. Vereinzelte laute Zurufe belebten sie. Untersteh Dich nicht, iie zu schlagen! Kinder!" Was ist?" Ach, Du frecher Lump!" Hau ihn!" Man kann nicht die Vernunft in Blut ersticken!" Man stieß sie gegen den Hals, den Rücken, man schlug sie gegen die Schulter, an den Kopf. Mes drehte sich im Kreise, wirbelte im Geschrei, Geheul und Pfeifen dunkel durcheinander, etwas Dichtes, Betäubendes kroch ins Ohr. Zwang in die Kehle und würgte sie. Der Fußboden brach unter ihren Füßen ein, schaukelte, die Beine bogen sich, der Körper zitterte in brennenden Schmerzen, wurde schwer und

schwankte kraftlos hin und her,,. Aber ihre Augen er- loschen nicht und sahen viele andere Augen, die in einem ihr bekannten, kühnen Feuer brannten einem Feuer, das ihrem Herzen nahe war. Man stieß sie irgendwohin in eine Tür. Sie riß die Hand los und klammerte sich an den Tür- Pfosten. Sogar mit einem Meer von Vlvrt löscht man die Wahr- heit nicht aus.. Man schlug sie auf die Hand. Ihr häuft nur Wut auf. Ihr Wahnsinnigen! Tie fallt auf Euch zurück!" Der Gendarm Packte sie am Halse und begann sie zu würgen. Sie röchelte. Ihr Unglücklichen.. Jemand antwortete ihr mit lautem Schluchzen,

tNachdNlck verboten.) l)er fcbwarzc fleck. Von Lisa Wenger -Ruutz. Es tvar einmal eine entzückende, kleine Maus! Ein Fellchcn hatte sie, so weih wie Schnee, durchsichtige, rosafarbene Ohren, ein zartrosa Schwänzchen und ein spitzes und schmales Schnäuzlein mit langen, feinen Haaren. Das schönste aber waren ihre roten Augen I Die weiße Maus hatte einen Vater die Mutter war in einer Falle verunglückt Brüder und zwei Schwestern. Sie hatte auch viele Freundinnen und natürlich sehr viele Freunde. Aber sie durfte sie selten sehen. Der Vater hatte ihr genau vorgeschrieben, wo sie spazieren durfte: dem Getäfel entlang, unten über den Fußboden, in den kleinen Schrank und unter das Sofa. Andere Wege sollte sie keine machen. Und beileibe nicht auf den Schreibttsch klettern, denn dort war das große Tintenfaß und dem durste keine weiße Maus zu nahe kommen. Das Mäuschen gehorckite so lange es ihm möglich war. Dabei lang- weilte es sich aber unaussprechlich, immer mehr und mehr, und zu- letzt konnte es die ungeheure Langewetle gar nicht mehr aushalten. Es mochte überhaupt nicht mehr ausgehen, blieb daheim und knusperte Zucker, weil es nichts Besseres zu tun wußte! Pstl Pst I" machte es eines Tages vor seinem Loch. Die Weiße Maus hob ihren Kopf. Mäuschen, komm' mit!" bat eine junge Ratte mit prachtvollem Schnurrbart,wir wollen ein wenig auf den, Schreibtisch spazieren gehen I" Ich darf nicht!' sagte daS Mäuschen. Man darf manches nicht und tut es doch I' Aber der Vater I" sagte daS Mäuschen. Weiß es nicht I' Die Brüder?" Sehen es nicht!' Die Schwestern?' Erfahren es nicht l' So will ich kommen!' Und sie gingen zusammen. Und richtig! Das schneeweiße Mäuschen kam zu nahe an das Tintenfaß und machte sich an der Seite einen häßlichen, schwarzen Fleck. ES schüttelte sich, bürstete und wischte an sich herum, aber der Fleck wollte nicht weichen. Was wird der Vater sagen!' jammerte es. Die Ratte zuckte die Achseln. Und die Brüder! Die beißen mich tot, sie haben noch nie jemand in der Familie gehabt, der einen Fleck hattet' Die Ratte zuckte die Achseln. Und meine Schwestern! Es wird keine mehr sich mit mir zeigen wollen!" Die Ratte zuckte die Achseln und verschwand in einem Loch unter dem Schreibtisch. Da ging das weiße Mäuschen allein'nach Hanfe. Es ist nicht zu sagen, was es nun alles auSzuhalten hatte! Man höhnte, schalt, verlästerte, verachtete, verdammte und verfluchte daS weiße Mäuschen! Man trat eS, rupfte ihm die Barthaare aus, beschmutzte sein reines Fellchen, man zog sich von ihm zurück und kündigte ihm die Freundschaft. Zuletzt hing die Familie ein Mäntelchen über den schwarzen Fleck, aber man wußte doch, daß er da seil Das arme Mäuschen schämte sich so, daß eS beständig den Kopf gesenkt hielt und das feine Schwänzlein eingezogen. Freundinnen hatte es nun natürlich keine mehr. Aber auch Freunde nicht. Sic sagten, daß eS ihnen unmöglich sei, mit Mäusen zu verkehren, die nicht tadcttose Fellchen hätten! Da sagte sich das Mäuschen trotzig: Nun gehe ich zu den grauen Mäusen! Verachtet bin ich so wie so! Dort kann ich mich wenigstens amüsieren I ES ging. Die Familie sagte: Unser Mäuschen ist tot l Und dann seufzte sie. Wenn jemand von ihn, reden wollte, winkten sie mit den Pioten und sagten: Ach ja!