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Das Mäuslein aber hatte nun ein luftiges Leben! Es sprang herum, wo es wollte, tanzte, wenn es lustig war, über Stock und Stein und Heß seinen schwarzen Fled Fled fein.

Es hatte Freunde und Freundinnen

fich vergnügt mit den grauen äufen.

die Menge und unterhielt

Und wer begrüßte plöglich das weiße Mäuslein wieder freudig und liebenswürdig? Alle seine früheren Freunde!

Und eines schönen Abends erschienen auch seine Brüder unter ihnen. Das Mäuslein sperrte seine roten Augen weit auf.

Was! Ihr fennt die grauen Mäuse! Ihr habt mir doch gefagt-­

Aber die Brüder zwinkerten nur mit den Augen und taten als fennten fie die Maus nicht.

Da geschah es, daß eine Ratte sich in sie verliebte. So fürchterlich verliebte, daß ste zur Maus fagte: Ich will bich heiraten!"

Du!" warnte die weiße Maus, vergiß meinen schwarzen Fleck nicht 1"

Wenn ich dich heirate, so haßt du keinen schwarzen Fleck mehr!" Die Natte war die reichste Ratte weit und breit. Sie besaß riesige Kellereien, ungeheuere Vorräte an Weizen und Obst und Fett und Nüsse und Zuder, furz, ihr Reichtum war unermeßlich.

Und als die Ratte die weiße Maus geheiratet hatte, gingen fie zu der Maus Vater. Der machte große Augen.

" Herr Schwiegervater, ist es nicht merkwürdig, wie der schwarze Fled auf dem Bela meiner Frau schon verblaßt ist?" Der Vater der weißen Maus nahm ein Bergrößerungsglas und sah hindurch, und sagte mit einer Stimme, die ganz ölig war von Freundlichkeit: Ich sehe den Fled überhaupt nicht mehr!"

Dann ging die Ratte zu den Brüdern, führte sie in ihre Kellereien und vor ihre Vorräte und fragte: Was sagt Ihr zu dem Fled meiner Frau?"

D

Er ist verschwunden, erklärten die Brüder bestimmt.

Und die Schwestern sagten, man hätte den Fled überhaupt faum je bemerkt. Sie aßen und tranten alle auf der Ratte toften, und holten sich aus ihren Vorräten, was sie brauchten. Auch er­zählten sie jedem der es hören wollte, von der reichen Heirat ihrer Jüngsten.

Da strich fich die Ratte zufrieden den Schnurrbart, und gab eine große Gesellschaft, mit allen Herrlichkeiten, die sich Mäuse nur wünschen können.

Und meiden ängstlich den, der minder reich. Sie hoffen, jeder Kirchgang hier auf Erden Wird ihnen treulich angerechnet werden, Und halten Gott für einen Handelsmann, Den man mit Schläue auch bemogeln faun Und wie a tonto betet seine Herde, So betet nur per Kasse mancher Hirt, Ins predigt er Verzicht auf dieser Erde, Indes er felber immer fetter wird. Die Kirche rechnet schon bei deiner Laufe, Sie liquidiert, führst du ein Weib ins Haus, Und aus dem Regen kommst du in die Traufe, Stößt du einmal den lezten Seufzer aus; Denn solltest nichts du hinterlassen haben, Muß deine Witwe bitten um Geduld, Dann, lieber Freund, ist's deine eigne Schuld, Dann laß dich selber nur getrost begraben. Wo nur die Pfaffen Menschenfreiheit wittern, Gleich frächzen sie mit wütendem Geschrei Und schleppen der Verleumdung Schmuz herbel, Das Leben solchem Kezer zu verbittern. Sie jammern Betermordio und Wehe Bei dem Gedanken an gemischte Che Und fluchen dem, der staatlich nur getraut; Sie schelten seinen Bund mit zorn'ger Stirne Kontubinat! Sein Weib ist eine Dirne, Sie leben wie die Tiere 1" heißt es laut. Der aber, der von Schulden hart gequält Sich aus Berechnung seine Gattin wählt, Die Schlächtertochter, die den Herrn Baron Sich fürt zum Manne gegen Provision, Der Millionär, der kaum vor Asthma schnauft Und noch als Greis ein blühend Weib fich fauft, ( Ein junges Blut, das, um sein Glück genarrt, Von feinen Eltern selbst verschachert ward), Sie alle schließen gottgefäll'ge Ehen,-

Falls in die Kirche sie zur Trauung gehen,"

( Aus Karl Ettlinger , der Neue Juvenal", Verlag von Dr. P. Langenscheidt, Groß- Lichterfelde - Dst.)

Aus Canovas Leben. Ueber den Heinen Fleden Bossagno in Sie fragte jeden Eingeladenen im Geheimen: Was sagen Sie der Provinz Treviso , dessen wenige Häuserreihen sich an einen zum Fled meiner Frau?" Und jeder einzelne antwortete:" Wastahlen Hügelrücken hinziehen, ragt ein seltsam prächtiger Bau für einen Fled meinen Sie? Ihre Gemahlin besitzt den entzückend­ften weißen Belz, den man sehen kann!"

Da ging die weiße Maus wieder fröhlich herum unter den anderen weißen Mäusen, und vergaß zuletzt selbst, daß sie einmal einen schwarzen Fled auf ihrem feinen Bela gehabt hatte 1

Kleines feuilleton.

Der Neue Juvenal .

Eins fällt mir auf", hört' Juvenal ich sagen, " Daß fast auf jedem Plazz, zu dem ich komm', Ich eine Kirche seh' zum Himmel ragen, Seid ihr denn wirklich in Berlin so fromm? Wir hatten nämlich auch so manchen Tempel, Doch unsre Frömmigkeit war nicht weither,- Wir pfiffen meistens auf den ganzen Krempel, Ins imponierte der Olymp nicht mehr. Man opferte, weil es mal Tradition, Man plauderte mit allerlei Bekannten, Beäugelte inzivischen mit Passion Zum Aerger aller unbemannten Tanten Die neueste Hetärensensation,-

Kurz, jedes Genre war am heiligen Ort

Vertreten, jeglicher verbot'ne Sport,

Die Zungen übten sich in Wig und Hohn,

Bergessen war nur eins, die Religion."

"

Die Art des Heuchelns fann mich nicht verblüffen," Bersetzte ich auf Juvenals Bericht,

Denn auch bei uns hier wimmelt's von Tartüffen, So plöglich ändern sich die Menschen nicht. Die wenigsten, die unsre Kirchen füllen, Treibt wahre Andacht, echter Glaube hin, Auch ihnen steht wie Euch danach der Sinn. Sich in der Demut Lammfell einzuhüllen. Sie schwören auf das Christentum und preisen Das Evangelium als Duell des Heils, Doch es durch Taten praktisch zu beweisen, Da, lieber Freund, da hapert's größtenteils. Sie beten: Herr, vergib uns unsre Schuld, Wie wir auch unsren Schuldigern vergeben", So heißt es in der Kirche, doch im Leben Kennt man nicht Mitleid, Nücksicht, noch Geduld. Die Kinder lehren fie: Du sollst nicht lügen", Sie selber aber gaunern und betrügen. Sie sagen: Herr, vor dir sind alle gleich".

leuchtend empor, halb eine Kirche, halb ein Bantheon, das herr liche Säulenhaus bekrönt von stolzer Suppel, das Monument cinea großen Geistes mitten in idyllisch ärmlicher Sphäre. Der größte Sohn Bossagnos, Antonio Canova , deffen Geburtstag sich am 1. November zum 150. Male jährt, hat hier seinem kleinen, zuvor auf keiner Karte verzeichneten Heimatsörtchen einen Teil seines eigenen Ruhms verliehen. Und noch ein zweiter Bau des Fleckens ist von diesem großgesinnten flassischen Kunstgeiste erfüllt. Es ist das Canovamuseum, in dessen weiten Sälen man einem Ueberblick gewinnt über das Lebenswerk des Meisters. Vor hundert Jahren pilgerten wohl andächtige Kunstfreunde nach der Geburts stätte des Künstlers, den man zu den größten Genien rechnete und dem Phidias oder Prariteles gleichstellte; vor fünfzig Jahren bea schauten Neugierige die herrlichen Werke, die er geschaffen, und scheuten nicht den Umweg über den in den Bergen verstedten Ort. Heute verirren sich nur noch wenige nach Bossagno, und der strahlende Glanz, der einst den Namen Canova umleuchtete, ist start verblaßt. Nachdem sich uns die Schönheiten der Antike in einem viel reineren Lichte erschlossen haben, als sie der ahnende Geist Winckelmanns einem noch in Rokokoträumen befangenen Jahrhundert vorhalten konnte, find wir vielleicht sogar ungerecht geworden gegen die zärtlich hinschmelzende Weichheit seiner Gea stalten, gegen die charakterlos schmeichelnde Gefälligkeit seiner Kunst. Wohl ist der Künstler Canova unendlich überschätzt worden, und nicht die ewige Kraft antifen Bildnergeistes hat er neu er­stehen lassen, sondern höchstens die Stimmung des Classizistischen Empire fein ausgedrüdt. Aber imponierend und gewaltig war doch die stolze Ruhmesbahn seines Aufstieges, der Anblick einer ge­schlossenen, tvingenden Künstlerpersönlichkeit, die der italienischen Plastik nach der Verwilderung und Ausartung des Barocks, nach der Erschlaffung der späteren Zeit wiedergeschenkt wurde. Wie aus fleinem Ort tam Canova auch aus niederem Stande empor. Steins meßen waren seine Ahnen gewesen und als ein Erbe väterlichen Blutes regte sich in ihm früh der Drang, zu formen und zu gea stalten. Schon in seinem 12. Jahre hat er für die Tafel des Guts­herrn des Fledens einen prächtigen Löwen von Butter modelliert, der allgemeines Aufsehen erregte und den Nobile veranlaßte, den begabten Jungen zu einem Bildhauer in die Lehre zu geben. Der boshafte Fernow, der ja als der erste das Dogma von der künft­Terischen Unfehlbarkeit Canovas zerstört hat, will aus dieser an­fänglichen Tätigkeit in Butter den Sinn für das Weiche, Glatte und Mürbe herleiten, das seine Marmorbehandlung später zeigte. Aber die ersten Werke des jungen Bildhauers bekunden ein sehr ernsthaftes Ringen. In Venedig errang er die ersten Erfolge, in Rom ward durch das Grabmal für Clemens III ., durch seine von edlem Patriotismus erfüllte Perseus- Statue der Grundstein seines Weltruhms gelegt. Kein Wunder, daß ihn bald auch der Konsul Bonaparte nach Paris berief, um seine Taten durch Canovas