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hineinträgt, fie zweifelhaft und unbestimmt macht, die Formen und Umrisse der entschlummernden Szenerie in der Dämmerung verschwimmen läßt: jenes melancholische, fanfte, allmähliche Ersterben des Lebens des Lichtes. Nur in der kleinen Stadt mit den bleichen Häusern erglänzte die Laterne am Ende der Brücke noch von dem Strahl des Tagesgestirns, das fich in ihrer Scheibe spiegeite; aber schon hob sich das Dach der großen Kirche mit den schmalen Bogenfenstern in dunklem Violett von dem fahlen Silber des Sonnenunterganges ab. Dann erschien das Feld mur noch als ein unbestimmter Raum. Dann war der Fluß, der allmählich ein dunkles Grün, dann eine schieferfarbene Tönung angenommen, nur noch ein Murmeln ohne Farbe, in welches die Schatten der Bäume große dunkle Flecken wie von chinesischer Tusche warfen.
Währenddem hatte man die Vorbereitungen zum Abendbrot eifrig betrieben. Ein transportabler fleiner Kochofen war herbeigeholt und auf der Wiese nahe am Fluß aufgestellt worden. Irgend etwas kochte auf demselben im Verein mit den Kartoffeln, die der Herkules geschält hatte. Drei- oder viermal hatte der Bajazzo einige Krebse in einen Refsel geworfen, die hineinfallend, an den fupfernen Wänden ein frabbelndes und plätscherndes Geräusch machten. Der Alte in der Husarenjade kehrte aus der Stadt zurück, feine Gießfanne mit Wein gefüllt. Die Kopfnuß" feßte einige defekte Teller auf den Teppich, auf dem die Gesellschaft sonst ihre Künste zum Besten zu geben pflegte, und um den Teppich herum lagerten sich, bequem hingestreckt und ihre Meffer aus den Taschen hervorholend, die männlichen Mitglieder der Truppe.
Nacht folgte dem dahingestorbenen Tage. Nur noch ein flammender Punkt spiegelte sich fern in der Fensterscheibe eines Hauses am Ende der Hauptstraße der Stadt.
Plötzlich trat aus dem Dunkel eines der Gärten der junge Mann hervor, die Brust nadt, in seine geöffnete Matrojenjacke ein sich sträubendes Tier einhüllend. Bei dem Anblick des Tieres erhellte eine leichte Freude, fast ein Ausdruck der Grausamkeit das Geficht der Frau im Trikot; fie schien sich für einen Augenblick früherer Dinge zu erinnern und ihre Gedanken ihr Bilder aus ihrer Vergangenheit zurückzurufen.
" Lehm!" befahl fie, in die Hände flatschend und mit einer tiefen Altſtimme, einem Alt in feltsamen, ein wenig vibrierenden Kehltönen.
Dann sah man sie mit einer fagenartigen Geschwindig. feit, ohne sich an den Stacheln zu verlegen, den lebenden gel den ihr der Jüngling darreichte, in einen Kloß von Lehm einhüllen, während der Alte ein mächtiges offenes Feuer von trodenen Zweigen entzündete.
( Fortsetzung folgt.)
( Nachdrud verboten.)
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einem schlichten altersgrauen, zweistödigen Bau mit fäulengetragener Ruppelhalle, in der die Beremonie stattfindet. Unten und oben läuft eine Galerie für die mohammedanischen Gäfte die Frauen hinter einem Gitter- und für die Fremden. Dem Gin. 18 Derwische in langen schwarzen Gewändern, die hohe gelbbraune gang gegenüber, vor der Gebetnische, hockt der Scheich, ringsum Filzmüße auf dem Ropfe
Auf dem Chor beginnt der Küfter mit näselnder Stimme eine Art Liturgie, dann folgt unten ein dreimaliger Rundgang um den Blah vor der Gebetnische. Boran der Scheich im grünen Turban, hinterher die Mönche. Jeder verneigt sich erst vor der Nische, dann vor dem stehengebliebenen Vordermann. Eine primitive und doch feierliche Musik in Moll,% aft: dret lange Holzflöten und vier mit Leder überzogene Kupferbeden, die mit Trommelstöden geschlagen werden, begleiten die gemessenen Schritte der Derwische. fommen zum Vorschein, Flöten und Trommeln jeben aufs neue Dann wird das schwarze Obergewand abgelegt, grüne Röde ein, dazu ein monotoner Gefang, lauter Kehllaute, und der eigentliche Tanz beginnt. Die Derwische kreuzen die Arme über der Brust, berneigen fich vor dem Scheich und drehen sich zuerst langsam, dann immer schneller um fich felbft und gleichzeitig im Kreise. Nach dem Bassieren der Gebetnische werden die Hände an die Schläfen gelegt, dann aufs Herz, hierauf die Arme in Schulter. höhe feitwärts ausgestreckt, die rechte Handfläche nach oben, die und um sich selbst. Die Arme bilden das Schwungrad, der Körper linte nach unten. In dieser Haltung dreht sich alles im Kreise die Welle. Die grünen Röde stehen faft horizontal, wie bei einer Ballettänzerin.
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Dieser Teil der Zeremonie dauert über eine halbe Stunde, Irgend welche Wirkung auf die Ausübenden ist nicht wahr zunehmen. Niemand taumelt oder weicht auch nur einen Schritt bon seiner bestimmten Bahn ab. Es ist, als drehten sich dort keine Menschen, sondern Marionetten. Offenbar find teine Neulinge unter den Derwischen. Nur bei einigen verrät das visionäre blaffe Aussehen die physiologische Wirkung des Drehens. Sobald die Musik verstummt, steht alles ftill, tüßt den Scheich und sich gegenfeitig und berläßt in feierlich langsamer Prozession den Saal. Aufregender als dieses Auge und Ohr angenehm berührende religiöse Ballett wirkt die Andachtsübung der sogenannten heulenden Derwische, der Rufaija in der Nähe des großen Friedhofes in der Borstadt Skutari. Ein niedriges Holzgebäude mit fäulengetragenem Innenraum erwedt zunächst teine besonderen Erwar tungen. Fünf grün bedeckte Särge am Eingang enthalten die Ueberrefte früherer Scheits. Die Gebetnische ist mit zwei uralten alten Waffen, Säbeln, Keulen, Morgensternen usw. dekoriert, der serfesten Fahnen der Orden stammt aus dem Jahre 1182Innenraum, statt mit foftbaren Teppichen mit fimplen Schaffellen belegt; an der Dede hängen tambourinähnliche Schellentrommeln, die an Festtagen benutzt werden. Zum Kostüm dieser Derwische gea hört eine halbhohe Müße aus weißem Fila, die mit einem schwarzen Turban umwidelt ist. Der Scheich trägt unter dem schwarzen Rod ein langes, blaues Gewand, der Rüfter ein rotes. Außer den Derwischen nehmen an den Uebungen noch andere Personen teil, die nicht im Verbande der Derwische leben, sich aber zu ihren Lehren bekennen. Neben dem Scheich Iniet zum Beispiel ein reicher Bascha, der dem Kloster große Stiftungen gemacht; mitten unter den Mönchen tanzt ein herkulisch gebauter riefiger Mohr, türkischer Jägeroffizier und aktives Mitglied der heulenden
Tanzende und beulende Derwifche. Derinifde.
Bon Dr. Adolf Heß.
Wer zum ersten Mal die Grande Nue de Péra, die Hauptftraße des europäischen Viertels von Konstantinopel passiert, glaubt fich auf einen Maskenball versetzt. Da gehen französische Nonnen in riesigen, schiffförmigen Hauben neben einem spanischen Jesuitenpater in braunem Mantel; ein vornehmer Türke mit rotem Fez unterhält sich mit einem stattlichen Nabbi der spanischen Juden. Griechische Mönche in langem schwarzen Rod und mitraähnlicher Müze streben ihrer in der Nähe gelegenen Kirche zu. Türkische Matrosen mit rotem Kragen und breiter Schärpe nehmen die Sehenswürdigkeiten der Läden in Augenschein. Hier jagt die Pferdebahn mit schmetterndem Hornsignal durch eine Schar erschredter Truthühner; dort leiert ein griechischer Bettler in zundem Gut und Schaffellmantel seinen monotonen Singfang herunter. Ausfähige mit verkrüppelten Gliedmaßen rutschen durch den Straßenschmub; eine Wahrsagerin greift nach der Hand eines Bassanten; im Schlaf gestörte Hunde schnappen ärgerlich nach den Beinen des Fremden, der über sie stolpert. Saumpferde,-Esel und gebüdte Lastträger suchen behutsam ihren Weg, während auf Gummirädern eine Equipage mit verschleierten Haremsdamen und einem eunuchischen Vorreiter an ihnen vorbeihüpft.
Am Südende der Straße, zwischen der deutschen Schule und dem Klubhause Teutonia lehnen an einem Toreingang ein paar interessante Gestalten. Das lange Mönchsgewand und die hohe Tegelförmige Müße über blaffen, schwarzumrahmten Bügen lassen auf einen ägyptischen Magier oder dergleichen schließen. Dazu paßt auch der finstere Blick und die brutale Gaunerphysiognomic weniger die weltfremden Augen und das Asketen
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des einen lächeln seines Gegenüber.
Die beiden Derwische vom Orden der Mewlewi, die hier ale lebende Reklame vor ihrem Alofter stehen, geleiten den Besucher über einen stillen Hof mit uralter Platane zum Tekke( Kloster)
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Etwa eine Stunde lang dauert hier zunächst der übliche mohammedanische Gottesdienst, dessen gesundheitliche Wirkung man an dem blühenden Aussehen 70- und 80jähriger Greise immer aufs neue fonstatiert. Dieser Gottesdienst, mit seinen systemati schen Leibesübungen, ist entschieden einer der gesündesten, die es gibt.
Erst nach unendlich oft wiederholtem Niederknien, Sichver beugen, Wiederaufstehen, abermals niederfnien, den Boden mit der Stirn berühren, Gebete murmeln usw. beginnen die eigentlichen Uebungen der Derwische. Sie bestehen im wesentlichen in Freis übungen, Rumpfbeugen und Streden, Füße seitwärts stellen, Uebertreten von einem Fuß auf den anderen, unter ständigem Anrufen Allahs und Verneigen bor den beiden Schuhengeln. Alles geschieht rhythmisch, aber ohne Musik. Allmählich werden die lebungen schneller und komplizierter. Der Unterleib wird frampfhaft vorgeftredt und wieder eingezogen; ber Oberkörper in den Hüften gewiegt, dabei der Kopf unter Drehungen stets auf die ent gegengesetzte Schulter geworfen und hierzu noch gesprungen. Diese vertrakten Bewegungen werden unzählige Male immer schneller im Talt wiederholt. Allmählich nehmen die Gefichter einen ver güdten Ausdruck an; der Leib audt jekt schon gana mechanisch, der Atem geht schwer, man hört ihn pfeifen. Oberrod und Mantel sind längst abgelegt, die Derwische sind in weißen Käppchen, der mit tanzende Scheich im blauen Gewande. Am wildesten und etsta tischsten gebärdet fich der Mohr, der Jägeroffizier. Seine Bewe gungen find heftiger als die der anderen; sein Beten inbrünstiger. Einmal schlägt er mit dem Kopf gegen eine Holzsäule und tanzt weiter.
Neben ihm hüpft und springt, wie ein Bidlein auf der Weide, ein 10-12jähriger Knabe, der Sohn des Scheich, und die Troddel auf dem fleinen Fez schlenkert genau so eifrig hin und her, wie Papas Turban.
Wäre das Kind nicht, die entfehliche Spannung und der