begann er in dem Geschäft Bescheid zu wissen und so gut Umfcte er die Trägheit der türkischeil Kausleute auszunutzen. Bald trat er. abgesehen davon, daß er selbst ein kleines Lager bei sich hielt, in Verbindung mit einem Korrespondenten in London und einein Korrespondenten in Paris , wo der Ankauf durch einige Künstler in diesen unnachahnilichen Erzeugnissen deS Kunstfleißes begann, die v�n einer farbcnsinnigen Be- völkerung hergestellt werden und in deren Kettenschuß unter den feenhaften Abschattierungen zuweilen hier und da sich eine haarfeine Linie markiert, welche die jedesmalige Tagesarbeit der Frau bezeichnet, die langsam und mühevoll den Teppich bis zum Kulminationspunkt seines Glanzes herangeknüpft. Bescap6 wurde beinahe reich, und der Reichtum brachte ihm zugleich mit der Solidität die Versuchung, irgendwie selbst Herr zu werden. So auch als Lestrapade. der Direktor des Circo Olympico, ihm den Vorschlag machte, ihn und seine Truppe in den fernsten Osten zu begleiten, wo er hoffte, ein großes Vermögen zu machen. Bescapü klopfte bei seinen Ge- fährten auf den Busch, brachte diejenigen heraus, welche keine Lust hatten, solche Reise mitzumachen, und gewann sie mit seinem gewandten, überredenden Schwatzen für den Plan, sich unter seine eigene Direktion zu stellen und mit ihm nach der Krim zu gehen, wo. wie er nach eingezogenen Erkundigungen die Gewißheit hatte, ein Zirkus mit der lebhaftesten Gunst aufgenommen werden würde. Lestrapade, der zehn von seinen Leuten eingebüßt hatte, verzichtete deswegen nicht auf seinen kecken Plan. Er reiste eines Morgens mit einer noch ziemlich ansehnlichen Gesellschaft nach Moskau ab. begab sich von da nach Wiatka, zog quer durch Sibirien , hatte in der Wüste von Gobi ein Gefecht mit den Mongolen zu bestehen, verlor den größten Teil seiner Mitglieder, die getötet wurden, verlor seine sämtlichen Pferde und gelangte nur wie durch ein Wunder nach Tientsin, weiter niemand mehr bei sich als seine Tochter, seinen Schwiegersohn und einen Clown. Der tapfere Direktor erreichte Tientsin am Tage nach der Niedermetzelung deS Konsuls und der Barml>erzigcn Schwestern: doch ohne den Kopf zu verlieren und sich entmutigen zu lassen, machte er sich aufs neue auf den Weg und erreichte Shanghai , wo er seine Truppe durch einige Matrosen und chinesische PonieS wieder vervollständigte und sich nach Japan ernscijisfte. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten.) McKt mehr als in der Ordnung. Von Alfred von Heden st ierna. Llutorisicrte Uebcrtragung von Martha Sommer(Lübeck ). Im Sommer kletterte er ihr zuliebe auf die schattigen Bäume des geräumigen Hofes, die jetzt gefällt worden sind und Miets- rascrnen Platz gemacht haben, und im Winter, sobald der erste wchncc eine dünne Schicht über Hof und Straße breitete, galoppierte er vor ihrem Schlitten. Sie war Kanzleirat Klinks hübsche, dunkle, fünfjährige Eva und er war Hausdiener Waldaus zwölfjähriger Rudolf, ein blonder, kräftiger Junge. Seine Mutter war früher Dicnstmätxben gewesen. daß er also der kleinen Eva als Pferd diente, war nicht mehr als in der Ordnung. Der Kanzleirat bewohnte mit feiner Familie eine Wohnung von sieben Zimmern in der zweiten Etage, und Hausdiener Wal - daus Frau und Rudolf bewohnten eine Kammer mit Küche unter dem Dach. Ter Hausdiener selbst war selten dabcim. Eigentlich war es Eva verboten worden, mit den Kindern kleiner Leute zu sprechen oder ihnen zu antworten, wenn sie von ihnen angeredet wurde, aber Rudolf Waldau war immer allein und so still und anständig, so daß stillschweigend mit dem, der für sie auf die Bäume kletterte und sie im Schlitten zog als sei es seine Lebens- aufgäbe, eine Ausnahme gemacht wurde. Die beiden hatten einander recht gern, aber als sie älter wurden, trennte sie der Standesunterschied, was ja auch nicht mehr als in der Ordnung war; denn zwischen einem halherwachsenc» Mädchen aus guter Familie und einem der jüngsten Lehrlinge in einer Kramerei liegt ja ohne Frage eine tiefe soziale Kluft. In einer Hinsicht� waren sie sich aber trotzdem gewissermaßen näher gekommen, insofern, als der Kanzlcirat gestorben war, die älteren Kinder das Haus verlassen hatten und die Kanzleirätin mit Eva ganz nahe bei Waldaus Mansardenwohnung eine bescheidene Zwei- zimmcrwohnung bezogen hatte. Sprechen durften Fräulein Klink und Rudolf Waldau natürlich nicht mehr miteinander, geschweige denn sich den gemeinsamen alten Vergnügungen hingeben, denn es muß nun mal ein Abstand zwischen gebildeten und ungebildeten Leuten geben, weil das nicht mehr als in der Ordnung ist. Aber daß er bescheiden grüßte und daß sie freundlich lächelte, wenn sie sich zufällig aus den alten Spiel- Plätzen trafen, und daß Fräulein Eva Sonntags stundenlang auf Rudolfs hübschen Bariton lauschte, der aus der kleinen Küche, die Rudolf jetzt bewohnte, zu ihr hinüber klang, konnten die sozialen Borschriften nicht verhindern. Auch in gesellschaftlicher Beziehung kamen sie sich ein wenig näher, ohne daß sie sich selbst darüber klar geworden wären. Denn zwischen einer armen Bcamtentochtcr, die billige Klavierstunden erteilt und einem jungen Handlungsgehülfen, der sich selbst erhält und in seinen Mußestunden einen Handelskursus durchzumachen gedenkt, liegt entschieden kein so großer Unterschied mehr wie zwischen eine m kl einen Mädchen der höheren Stände und dcnr Sohn eines Hausdjeners. Als Hausdiener Waldau seinem Sohn Rudolf den Handels- kursus von seinen Trinkgeldern bezahlt hatte, Rudolf eine beffere Stellung und höheres Gehalt bekmnmen und sich aus eigene Rech- nung ein Mansardenstübchen gemietet hatte, traf er Eva Klink eines Abends auf einer der billigeren Eisbahnen. In dem dichten. lebhaften Menschenhaufen grüßten sie einander mit Zurückhaltung. aber auf dem Heimwege trafen sie sich zufällig in einer stillen Straße wieder und wechselten seit vielen Jahren zum erstenmal eine paar gleichgültige Worte. Hinterher dachte Fräulein Klink, daß sie sich am Ende doch etwas vergeben hätte und Rudolf Waldan fand, daß er sich naseweis benommen hätte. Es gibt in großen Städten sehr viele hübsche, liebenswürdige und arme Mädchen, und lange nicht allen glückt es. sich standes- gemäß zu verheiraten. Es gibt auch arme junge Männer, die in kleinen Verhältnissen aufwachsen und durch Fleiß und Energie trotzdem etwas im Leben erreichen. Hätte Rudolf Waldau sich gut geführt, hätte er Geschäftsenergie gehabt und obendrein die sittliche Kraft, deren man bedarf, um es in der Welt zu etwas zu bringen. so kann man nie wissen, was schließlich noch daraus geworden wäre. Aber Rudolf Waldau liebte es, in fidelcr Gesellschaft Punsch zu trinken und zu singen. Deshalb sang er gern bis in die späte Rächt hinein, solange er noch einen Ton in der Kehle hatte unv trank, solange noch ein Tropfen in der Flasche war. Er erfüllte seine Obliegenheiten im(Jicschäft nicht mehr so gewissenhaft wie früher und sein Chef konstatierte, daß er anfing, schon am Vor- mittag nach Alkohol zu riechen. ß-inmal befand er sich gegen Morgen in besonders lustiger Gc» scllschast und er selbst war witziger denn je. Er machte alle mög- lichen Schauspieler nach, sang eine Unmenge Lieder und leistete mehr als ein ganzes Variete. Schließlich suchte er auf eineuZ Balkon Kühlung, der kein Balkon war, sondern ein Fenstervorsprung des altmodischen Holzbaues, in dem sich das Restaurant befand, und stürzte hinunter. Als man Rudolf Waldau aufhob, war er ohne Besinnung, und alö er nach vielen Monaten aus dem Krankenhause entlassci, wurde, war sein Vater gestorben, sein Rückgrad gekrümmt, sein rechtes Bein um zwei Zoll kürzer als das linke und sein Ruf als Wüstling soweit befestigt, daß ihm die vorteilhafteren Stellungen in seiner Branche verschlossen waren. Aber fidel und guter Dinge war er bei alledem doch, seine gute Laune und seine Stimme verließen ihn nicht und er brachte noch einen letzten Schimmer davon in die verzweifelte Familie deS kleinen Kaufmanns, der ihn kurz vor dem Konkurs engagierte. damit er ihm, im kleinen Kontor bei der Portcrflasche fidel vor sich hinsingcnd, die gesetzlich vorgeschriebenen Kassenbücher zu- sammenphantasicrte. Das Ganze endete mit Zeugenvernehmung und Meineid. Einen Monat nach dem Unglücksfall, der in der Presse be» sprachen worden war, konnte Eva es nicht länger aushalten, sondern klopfte an die Tür der Witwe Waldau und fragte,»wie es mit Herrn Rudolf stände?" Welches das Endresultat des Unglücksfalles sein würde, davon erhielt sie einen ziemlich richtigen Begriff, dagegen erfuhr sie. daß der junge Herr Waldau bei diesem Unglück vollständig nüchtern gewesen sei und daß daran selbst nur die unerhörte Nachlässigkeit eines Kellners schuld sei, der vergessen habe, den Schlüssel aus einer Tür zu ziehen, vor der sich zwölf Jahre lang eine Wendel- treppe befunden habe, die jetzt zur Reparatur fortgcnommen sei. Fräulein Eva zerdrückte eine Träne in ihren schönen schwarzen Augen und kehrte zu ihrer Mama zurück, die der Ansicht war. daß jeder so läge, wie er sich gebettet habe, und daß, wenn es auch hart für die Mutter und Herrn Rudolf sei, es doch nicht mehr als in der Ordnung sei, daß es schließlich so gekommen war."-- Als Fräulein Eva zwei Jahre später an einem der lebhaftesten Straßcnbahnknotcnpunkte ihrer Vaterstadt den Wagen wechselte, hörte sie plötzlich wieder jene Baritonstimme, bei deren Klang sie noch immer zusammenzuckte. Aber dieses Mal waren es keine Lieder, die an ihr Ohr schlugen. Die Stimme rief laut und klangvoll die Namen der verschiedenen Tageszeitungen aus und dazu eine Menge geradezu sagenhafter Ereignisse, die der neu- gierige Käufer in diesen Zeitungen lesen konnte. Als Fräulein Eva verwirrt zum anderen Straßenbahnwagen hinübcreilte, hob Rudolf Waldau sich auf sein langes Bein und verstummte plötzlich, und als Eva ihm dann vom anderen Wagen aus einen scheuen Blick zuwarf, sah sie nur noch den Rücken seiner schäbigen Joppe und hörte wie im Traum,daß der Zar ermordet se», Petersburg in Flammen stände und die mandschurische Armee »hrc Generale niedermache." Die Baritonstimme klang voll und kräftig wie vorher, die GestaU hielt sich trotz des krummen Rückens so ausrecht wie mög-