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lich, aber Rudolfs Geficht war afdhgrau geworden und wenn sie ihn jeht angesehen hätte, würde sie gemerkt haben, wie grenzenlos er fich vor ihr schämte. Und nach seinem verpfuschten Leben war das ja nicht mehr als in der Ordnung.

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In elfter Stunde, als Fräulein Eva schon morgens und abends mit Kummer vor dem Spiegel fonstatiert hatte, daß die ver­flossenen Jahre deutliche Spuren auf ihrem hübschen, feinen Geficht zurüdgelassen hatten, tam ein Witter in gesezten Jahren und mit diversen Kindern und fragte fie, ob fie feine Frau werden wollte. Sie sagte dankend ja, was ja auch nicht mehr als in der Ordnung war, denn wenn die Sonne unterzugehen beginnt, be­deuten Schönheit und Licbreia wenig im Vergleich zu einer an­ständigen Versorgung.

Ein Zeitungsverfäufer wirft wohl hin und wieder einen Blick auf die Ware, die er feilbietet, in der Hauptsache twohl deshalb, um den phantastischen Ereignissen, die er da ausruft, einen Anflug von Wahrheit zu geben. Aber oft findet er nicht die Zeit dazu und in seiner Kenntnis der Zeitgeschichte flaffen bedenkliche Lücken. Deshalb wußte Rudolf Waldau auch nicht das geringste von der Verlobung und Hochzeit, bis er sie, vor deren Schlitten er einmal galoppiert war, am Arm eines älteren Herrn mit rotgedunsenem Geficht über den Platz kommen sah, auf dem er seine Beitungen ausrief.

Als Rudolf Waldau fich im selben Augenblick auf sein langes Bein erheben wollte, um die Weltereignisse auszurufen, wie sie fich seinem Blid in der Presse darboten, stolperte er, fiel quer über das Straßenbahngleise und ein vorüberfahrender Straßenbahn­wagen vermochte nicht schnell genug zu stoppen, so daß seine Näder über den unglücklichen Rudolf hinwegfuhren und seinem verfehlten Leben ein jähes Ende machten.

Frau Eva sah es und vergoß- als sie nach Hause gekommen war einige Tränen.

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Kleines feuilleton.

Literarisches.

ausstattete, Stürme fröhlicher Heiterfeit entfesselt. Wer hätte ahnen fönnen, daß dieses so lebendigen Humor, der selbst durch die schlimmsten Zumutungen des Autors fich nicht aus der vergnügten Laune bringen ließ, der Mund so bald geschloffen werden würde. In Altona   geboren, erhielt Engels seine Ausbildung auf der Ham burger Zeichenschule. Üleber den Umweg der Theaterdekorations­malerei gelangte er zur Bühne. 1870 bereits, ein Vierundzwanzige jähriger, belam er ein Engagement nach Berlin  , wo er es im Wallner- Theater raich zu großer Popularität brachte.

L'Arronge gewann ihn 1883 bei Gründung des Deutschen Theaters für sein neues Unternehmen, und hier wurde er, der bisher in Schwänken und Lustspielen der Moser, Schönthan   und L'Arronge ausschließlich für das Amusement zu arbeiten hatte, vor Aufgaben fünstlerischer Art gestellt, die ihm erlaubten, seine tieferen und feineren Anlagen in origineller Ausprägung des Individuellen freier zu entfalten. Hier spielte er zum ersten Male die Rollen, die er bann in neuerer Zeit auf der Reinhardt- Bühne mit gleich glänzendem Erfolge wiederholt hat: den Wirt in Minna von Barnhelm, den Hofmarschall Kalb in Kabale und Liebe  . Am berühmtesten ist in der Beit der Brahmschen Direktion des Deutschen Theaters sein Kollege Crampton geworden, ein Porträt, in dem er mit liebevollstem Nach empfinden das Weiche, Rührende und menschlich Liebenswürdige im Wesen von Hauptmanns alkoholisch- berlübertem Akademieprofessor herausarbeitete. In ihrer Art war diese Leistung nicht weniger ein beitlich und überzeugend als der schroffnaturalistisch düster gehaltene schwer- pathologische Crampton, den Bassermann im Vorjahre in dem Leffing- Theater spielte, und vor allem hatte fie die größeren Sympathien für sich. Sein rasches Ausscheiden aus der Rhein­hardtbühne, der Uebergang ins Lustspielhaus, wo seine Straft in Un­bedeutenheiten fich verzetteln mußte, ist viel bedauert worden. Berkehrswesen.

Aber ihr verständiger Mann zog bei einem Oberbeamten der Gin Eisenbahnfortschritt in China  . Straßenbahngesellschaft sorgfältige Erkundigungen über das Boricht so viel von dem Erwachen Chinas   gesprochen, daß es faft un leben des Verunglüdten ein und sagte tröstend zu seiner Frau: erklärlich erscheint, wie ein in dieser Beziehung besonders bedeut Reg Dich nicht so auf, Kind, der Kerl soll von früh bis fames Ereignis fast unbemerkt hat bleiben tönnen. Es ist nämlich spät betrunken gewesen sein, so daß er weder sah noch hörte. Es im Lauf dieses Jahres die erste Eisenbahn in China   zum Bau ift also kein solches Unglüd um ihn, eigentlich ist es nicht mehr und stredenweise bereits zur Eröffnung gelangt, die ausschließlich als in der Ordnung." ein Werk chinesischer Ingenieure und chinesischen Stapitale ist. Dies ist die Bahn nach Peking  , nach dem berühmten Tor in der Großen Mauer bei Nantou, und weiter nach Salgan. Diese Bahn und ihre voraussichtliche Erweiterung hat ihre besondere Borgeschichte, die in der Desterreichischen Monatsschrift für den Orient erörtert wird. In einem Abkommen zivischen England und Rußland   vom Frühjahr 1899 erhielt Rußland   das Recht, Eisenbahnkonzessionen für das Gebiet nördlich der Großen Mauer von China   zu erwerben, Gerald Massey  . Am 29. Oktober starb in London   der wobei ohne Zweifel der Plan, eine Bahn von Wissowaja an der frühere Chartist und Dichter Gerald Massey  . In den vierziger und Großen Sibirischen durch die Wüste Gobi   nach Kalgan zu führen fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts gehörte er zu den be- und so die Verbindung von Europa   nach Beting noch weiter au fanntesten politischen Schriftstellern und Dichtern. George Eliot   verkürzen, den Ausschlag gab. Später ist dann ein weiteres zeichnete fein Borträt in ihrem politischen Roman Felix Holt  , der Abkommen zwischen Rußland   und China   getroffen worden, daß diese Radikale." Massey wurde im Jahre 1828 geboren. Sein Bater war Bahn, falls Rußland   sie nicht bauen würde, nur von China   selbst, Bootsruderer, der mit einem Wochenlohne von 10 Mart seine unter Ausschluß fremder Beihülfe, geschaffen werden dürfte. Die Familie zu ernähren hatte. Im achten Lebensjahre mußte der eine großen Ueberschüsse, die von der Nordchinesischen Bahn während Gerald in eine Zegtilfabrit, wo er für einen Wochenlohn von der Kriegsjahre 1904 und 1905 ergielt worden waren, sind nun 1 Mark 12 Stunden täglich arbeitete. Der einzige von der chinesischen Eisenbahnverwaltung in vernunftmäßiger Weise Lichtpunkt feiner Kinderjahre war eine Feuersbrunft, die zur Verwirklichung des neuen Plans verwendet worden, so daß die Fabrik in Asche legte. Maffey pflegte in späteren der Bau der Eisenbahn nach Nantou im Sommer 1903 begonnen Jahren die Szene dieses Feuers zit schildern und zu von der innigen Freude zu erzählen, mit der seine jugendlichen Leidensgenossen der Einäscherung der Fabrik zusahen. Aber die Freude war von kurzer Dauer. Gerald wurde bald in eine Stroh flechterei gefchickt, wo er bis zu seinem 15. Lebensjahre arbeitete und seine Gesundheit erschütterte. Im Jahre 1843 verließ er seine Baterstadt und tam nach London  , wo er die Stelle eines Geschäfts­dieners erhielt. Die Wogen des Chartismus gingen damals hoch, und Massey besuchte Boltsversammlungen und schloß sich der Be­wegung an. Wissensdurst ergriff ihn, er las alles, was ihm in die Hände kam: Geschichte, politische Dekonomie, Reiseschilderungen, Zeitungen, die er mit seinem fargen Wochenlohne oft

werden konnte. Die Wichtigkeit dieser Bahn kann kaum überschätzt werden, da sie den ganzen Berkehr zwischen der Mongolei   und Nordchina vermitteln wird. Wegen der überaus schwierigen Ver­bindung zwischen den nordwestlichen Provinzen und denen am oberen Vangtse dürfte die Bahn vielleicht sogar den Verkehr von ersteren nach Schanghai   hin an fich ziehen. Gegenwärtig gehen allein 10 000 Stamele und Maultiere täglich zum Warentransport zwischen Kalgan und Tientsin. Uebrigens rechnen die Chinesen darauf, nächstens auch ihren Schienenbedarf aus ihren eigenen Stahlwerken bei Hankou zu beziehen. Medizinisches.

unter Verzicht auf die Mahlzeiten taufte. Er begann Die Verbreitung der Cholera und Best. In dem bald für radikale Zeitungen zu schreiben und auch Ge- benachbarten russischen Reiche hat die Cholera wieder einmal dichte und Lieder 811 verfassen. Schon im Jahre 1847 schreckliche Einkehr gehalten und nach den letzten amtlichen Be­gab er einen Band Poems and Chansons" heraus und drei Jahre päter Voices of Freedom and Lyrics of Love"( Stimmen der Freiheit und Ihrische Liebesgedichte). Inzwischen war der Chartismus zusammengebrochen. Die chriftlichsozialen Führer Kingsley und Maurice zogen Massey an sich, und er wurde nach und nach Patriot und dichtete Kriegslieder an Ehren der Helden" des Krim frieges und der Sieger im indischen Aufstande. Dann verstummte feine Muse. Er berfiel dann dem Spiritismus und ähnlichen myftischen Strömungen und hielt Vorträge in Amerika   und in den britischen Kolonien. In den letzten Jahrzehnten war sein Name in England taum bekannt.

Theater.

m. b.

Georg Engels, deffen Tod wir bereits mitteilten, hat nur ein Alter von 61 Jahren erreicht. Witten   in seiner Tätigkeit, die noch keinerlei Anzeichen einer von Krankheit oder Alter geschwächten Kraft aufwies, traf ihn der Pfeil. Noch vor zwei Wochen hatte er durch die trocken- behagliche Komit, mit der er in der legten so Kimmerlichen Bremiere des Lustspielhaufes einen alten Sonderling

richten sind ihr bereits Tausende von Menschenleben zum Opfer ge­fallen. Auch in Deutschland   werden in den Grenzprovinzen ver einzelte Fälle beobachtet. Ebenfalls kommt die Bestgefahr niemals vollkommen zur Ruhe und es vergeht kaum ein Monat, daß nicht in der einen oder anderen europäischen   Hafenstadt ein Schiff wegen Pestverdacht angehalten wird. Wenn wir auch bei den umfassen­den sanitären Schuhmaßregeln feinen unmittelbaren Grund zur Besorgnis haben, so dürfte es doch interessieren, in welcher Weise die Ausbreitung dieser beiden schredlichen Geißeln der Menschheit fich bollzieht. Die Werbreitung der Pest erfolgt hauptsächlich direkt von Mensch zu Mensch, dann spielen aber auch die atten dabei eine große Rolle. Die Hebertragung von einem Mensch auf den anderen tann entweder direkt durch die Erkrankten selbst ers folgen oder indirekt in der Weise, daß die infizierte Wohnung, Wäsche oder sonstige Gebrauchsgegenstände die Bwischenträger ab geben. Die Infektion mit den von den Pestkranken ausgeschiedenen Beftfeimen erfolgt entweder von der Haut aus burch fleinste, in der Regel unbemerkt bleibende Verlegungen, unbedeutende Krak. wunden, Insektenstiche ufto, oder von den inneren Schleimhäuter

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