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In der Art der Charakteristik der männlichen Gestalten denkt man zuweilen an Meunier; in der weichen Art der LuftFehandlung, die alle Konturen weich auflöst, erinnert Steinlen an Carrière; am eigensten ist er in den weiblichen Typen.
als er hierin ficher far, fich, auf diese Weise einbeinig stehend, voll ist der Streit". Die Schar der Streifenden zurildgewichen niederzusetzen und einbeinig wieder zu erheben. Wieder etwas vor dem Militär; eine Mutter hebt ihr Kind hoch; Sumpfe, fahle später leitete Gianni, vor dem Kleinen stehend, die eine Hand Farben; zudende Gewalt in den Linien. vorsorglich auf der Herzgrube desselben, ihn ganz, ganz allmählich an, den Oberkörper und Kopf nach hinten über zurüdzubiegen, jeden Moment bereit, ihn in seinen Armen aufzufangen, wenn er fallen sollte. Sobald das Rückgrat Nellos Eine Reihe Studien zeigen, wie unmittelbar Steinlen feine genug Geschmeidigkeit in diesem Zurückbiegen erlangt, stellte Menschen, seine Gesichter und Bewegungen aus der Umgebung, man ihn zwei Fuß weit von einer Wand auf, mit dem Rücken aus dem Milieu der Großstadt holt. Es sind Blätter voll scharfer nach derselben, gegen welche er fich fopfüber rückwärts so weit Charakteristit, denen der Künstler durch besonders betonte, fpar zurüdbiegen mußte, daß er sie mit den unteren Flächen der fame Verwendung der Farbe Reiz verleiht; diese Studien zeigen die Hände berührte: eine Uebung, die jeden Morgen derart wieder- eruste Arbeit. holt wurde, daß er an jedem Tage die Wand um einige Linien tiefer mit den Händen zu berühren hatte, bis er schließlich, vollständig in zwei Halbkreise gebogen, mit den Handflächen seine Fersen berührte. So wurde auf diese Weise ganz allmählich und nach und nach, ohne Hast und ohne Ueberstürzung, lediglich durch den Antrieb mittels Bonbons und qutem 31 reden und schmeichelhaften Lobeserhebungen, die sich an die Eitelkeit des werdenden Kleinen Gymnastikers wendeten, die volle Biegsamkeit des jugendlichen Körpers erlangt. Des weiteren ließ man Nello täglich, immer in der Nähe einer Wand, welche dem Anfänger, ähnlich den vorgestreckten Armen des Gehenlernenden, als eine kleine Beruhigung diente, eine Beitlang auf den Händen laufen, um seine Handgelenke zu stärken und seine Wirbelsäule im Finden und Innehalten des Gleichgewichts zu üben.
( Fortfebung folgt.)
Der Kunstsalon Eduard Schulte lädt zu einer Besichtigung alter Runft ein. Die Sammlung eines Engländers. Solche Privat fammlungen haben meist besonderes Jnteresse. Es kommt der Geschmack eines Liebhabers zum Ausdruck; das Einheitliche erfreut und gibt Stimmung.
In diesem Fall hat der Sammler fich konzentriert auf die holländischen und französischen Landschafter von der Mitte dieses Jahrhunderts. Reizvoll wirken die Bestrebungen ineinander. Man spürt, wie lückenlos fich die französische Landschaft aus der holländischen entwickelte. Das Anspruchslose, Intime der Holländer wird fünstlerisch verklärt durch die feine Gestaltung der Franzosen , in denen unverkennbar noch die Grazie des Rototo bor herrscht. Passage intime" heißt diese Landschaftskunft in der Kunstgeschichte.
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auf denen der Mond hell liegt, bezeugen die feine Empfindung des Mondscheinlandschaften voll zartesten Stimmungsgehalts, Häuser, Künstlers. Wie er anch in breit und fräftig gemalten Wiesen, über denen geballte Wolfen schweben, sein Natur- wie sein Stilgefühl betätigt.
Eigenartig find die Katzenbilder. Da gibt Steinlen das Geschmeidige in den Linien, das Weiche in den Farben mit zwingender Gewalt. Er stimmt die Farben eigenartig; das Ganze ist matt ge balten; eine graue Stazze auf violettem Stiffen auf brauner Bank. Es find auch fleine Bronzen solcher Katzen nach Entwürfen Steinlens angefertigt worden; graziöfe Arbeiten, die in der nervösen Beweglichkeit, in der malerischen, nur stizzierten Behandlung der Oberfläche viel Eigenart haben.
So zeigt sich Steinlen als ein vielseitig begabter Künstler, der seine Beit mit eigenen Augen ansieht, mit eigenen Sinnen erlebt.
Die Kunstfalons erteilen bem Bublifum einen regelrechten funftgeschichtlichen Unterricht. Die moderne französische Kunst lernen toir in allen Arten fennen und nun führt uns der Kunstsalon Kassirer eine Delacroig Ausstellung vor. Delacroig lebte von 1798 bis 1863; seine Hauptzeit fällt etwa mit der der deutschen Romantiker, ber Overbed, Cornelius zusammen.
Dennoch
Was zuerst auffällt, das ist das Vorherrschen des Künstlerischen, des Artistischen; schon in einer Zeit, in der die deutsche Kumft noch gar nicht an die rein künstlerischen Probleme von Technik, Linie und Farbe dachte. Man merkt das Rokoto, im Technischen, in der Betonung des Malerischen. Auch Delacroig malt Geschichtsbilder; er läßt sich anregen von Rubens und den Venetianern. tritt das Inhaltliche faſt zurüd. Man sieht eine Fläche von wundervoll verteilten Farbenflecken;( er bevorzugt Grün, Blau, Rot, Orange) wenn auch der Vorgang als folcher tar bleibt, so betont sich doch das Malerische. Wüßten wir es nicht, so fönnte man daraus ab lefen, daß Delacroix ein solches Bild nur auf Farbe hin anlegte und dann erst, nachdem diese verteilt war, die genaue Zeichnung einfügte.
einem weichen, schmelzenden Schwarz, ohne andere Farbe. Nur der Bon prachtvoller Schönheit im Ton find zwei Borträts. In braungraue Hintergrund. Und speziell die weibliche Figur, bei der die Konturen io leicht verschwimmen, da ein grauweißes Taschentuch neben dem Schwarz eine interessante Note gibt, ist ein Wert ersten Ranges.
Alles kleine Bilder. Man fucht auf fleiner Fläche die apartesten Schönheiten zu entfalten, so daß solch ein Wert beinahe wie eine Miniatur erscheint; edelsteingleich blißen die Farben. Man be- über eine umfassende Bildung verfügte, war, das zeigen dann die Wie lebhaft das Temperament dieses Malers, der biel las und schränkt sich; man überträgt den Eindruck und doch bleibt die fanfte Beichnungen; fleine Blätter, voll nervöser Beweglichkeit in den Lyrik der idyllischen Natur, die hier so still belauscht wird, un- springenden Linien, farbig geschickt und eindrucksvoll. So scharf beobachtet, daß man manchmal an die Japaner denkt. Können des Mannes, dessen Wert wir so unmittelbar noch genießen, Kurz, man ift erstaunt über die lebendige Anschauung, das frische darüber hin nachdem schon eine Reihe von Jahrzehnten gegangen find.
gefünftelt erhalten.
So malt Corot die zitternde Luft, die leichte, vibrierende Schönheit der Blätter an hohen Bäumen; grau und silbern ist seine Atmosphäre. Daubigny ist fräftiger, er will malerischer, breiter sein. Er liebt das fatte Grün, das er in träftigen, frischen Flecken berteilt. Seine Flach
landschaften,
Wiesen erinnern in ihrer Sauberfeit an Hollands Künstler. Diaz läßt aus dunklem Dickicht Körper rolig aufleuchten, auf Kleinem Raum breiteste Behandlung. Millet zeigt in Gestalten von Landarbeiterinnen die große Silhouette, die seinen Werten eigen ist, die das Monumentale im Einfachen, Alltäglichen fuchen. Monticelli gibt eine alte Bartszenerie mit Schloßfassade, ein Feuerwerk brillanter Farben. Nach Holland führen uns Israels ( mit Stimmungsvollen Interieurs, deren Luft so still und heimlich ist) und Maris( in dem die alte Tradition der holländischen Landschaft in ihrer Schlichtheit und Ehrlichkeit sich rein erhielt).
Noch leidenschaftlicher war der Vorgänger von Delacroix , Theodor stellung im Kunstfalon Gurlitt stattfindet. Er war der erste, der Géricault( 1791-1824), bon dem zu gleicher Zeit eine Ausrefolut mit der flassischen Tradition brach. Er malte das„ Notflop der Medusa" und behandelte damit einen Stoff, der unmittelbar Er studierte unmittelbar nach der Gegenwart entnommen war. der Natur und holte fich die Modelle zu dieſent Bravourgemälde aus den Hofpitälern. Eine fabelhafte Bucht im gemälde Zeichnerischen, Charakteristischen, wie im Malerischen, ist seinen Berken eigen. Wie packend find die Bildnisse ztveier Geistestranten, wie markant in dem Ausdrud der Mienen und zugleich, wie malerisch find diese Porträts aufgefaßt, mit breitem Strich, mit Wie fein ist wenig Farben voller Leidenschaft heruntergestrichen. auf dem Bildnis eines Soldaten das Rot der Achselflappen zu dem blizenden Gelbweiß des Küraß gestimmt. Mit besonderer VorDen Es ist dann noch eine interessante Kollektion des französischen Stopf eines Schimmels malt er mit so fabelhafter Verve, daß man liebe widmete fich Géricault der Wiedergabe des Pferdes. Malers und Zeichners Theophil Steinlen zu sehen, dessen fatirisch- soziale Sfizzen der franzöfifchen Karikatur eine besondere meint, ein Porträt zu sehen, und zugleich ist das Ganze ein Physiognomie verleihen. Schwelgen in flatterndem Weiß, aus dem ein dunkles Auge blizt. Arbeiterizenen. Feierabend"; as mattem, fablem Hintergrunde Auf dem Bilde eines Negers ist die schwarze Farbe des Gefichts löfen fich zwei Arbeitergestalten, die nach vorn schreiten. Der fein zu dem matten Rot der Jade geftimmt. Und das fleine Bildchen, Karren"; wieder dieselbe fahle Luftstimmung; über die Brüde zieht das eine Ansicht vom Montmartre gibt, ist eine Landschaft von ent ein müdes Pferd den Wagen; die magere Silhouette ber Borstadt züdender Frische.
Und so ist es interessant, trotzdem man den Zusammenhang von Holland und Frankreich merkt, die Berichiedenheit zu konstatieren: in Holland ein bodenständiger Realismus, in Frankreich ein ebenso eigenes Hinneigen zur artistischen Behandlung, bei der die malerische Geltung des Rokoko noch durchſchimmert.
im Hintergrund. Rohlenarbeiterinnen"; bläulicher Dunst umhüllt Der Respekt vor der Natur, das Ringen um die Kunft erobert die Gestalten, deren Bewegung, deren Gefichter momentan erhascht diesen Franzosen unsere ungeteilte Bewunderung.
find; es ist etwas unheimliches, Phantastisches in den Gestalten,
beren Umrisse faft zerfließen Grubenarbeiter"; in langem Zuge
Das Barenhaus 23ertheim hat in seinem Kunstsalon, der
ziehen ernste Gestalten vor dunlem Hintergrund fahin. Eindruds- nachmittags unentgeltlich geöffnet ist, eine recht sehenswerte Aus