4

879

stellung für den Monat November zufammengebracht. Es ist eigent lich kein Bild da, das schlecht ist. Die meisten find achtbare Mittel­ware und eine ganze Reihe haben künstlerisch persönliche Geltung. Dahin zu rechnen sind die Landschaften des Belgiers Luyten, der mit viel Feinheit den Stimmungsreizen anspruchsloser Flach­landschaft nachgeht. Ach auf Liedes Waffenständchen" mit den faritierten Typen sei aufmerksam gemacht. Helene Albiler zeigt geschmackvolle Blumenstilleben. Am. Faure   stellt eine Zirkusszene hinter den Kulissen aus; in dunklen Tönen gemalt, aus dem die bunten Kostüme tief herausleuchten.

Kleines Feuilleton.

Der Theatersekretär Robert Blum   und das junge Deutschland  . Der Hundertjährige Geburtstag Robert Blums erwedt die Er­innerung an jene Leipziger   Periode, die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts, da dieser ganze Mensch das junge literarische Deutschland   durch seine glänzende Beredsamkeit für sich gewonnen, da das Kölner   Proletarierkind vielen diefer literarischen Heißsporne Freund und Berater ward. Miniftrant, Goldschmied, Gürtler, Theaterdiener das sind die Phasen, aus welchen sich Robert Blums Leben in vielen Hungerjahren aufbaut. All die Tagelöhnerei hindert ihn aber nicht, sich geistig fortzubilden. Mit eiserner Kraft vertieft er sich in die Klassiker, etwas von der mangelhaften Gymnasialbildung, die er genossen, solange Mutters clende Groschen reichten, fommt ihm dabei zustatten.-

-

Der Theaterdirektor Ringelhardt   nimmt ihn 1832 nach Leipzig  mit, bom fleinen Tagelöhner flimmt er zum größeren empor, als er daselbst Theatersekretär und Kassierer wird.

-

" Durch den Kampf werde ich erst Mensch. Hört denn der Kampf des Lebens früher auf, als das Leben? Mir ist oft, als müßte das Ringen erst recht anfangen, da ich jetzt auf dem würdigen Turnierplage der Geister ein wenig Fuß gefaßt habe. Nur für Arbeit und Mühe verkaufen die Götter das Gute dem Sterblichen!"

-

So dachte diefer stiernadige, stumpfnafige Gesell, dessen Leben in Wahrheit bis zu dieser Zeit nur in erbärmlicher Fronarbeit bestanden hatte.

-

-

Fröhlich mit den Fröhlichen, hingen diese literarischen Modernen an ihm wie die Kletten. In seinem bescheidenen Heim in der Eisenbahnstraße, wo die gescheite Frau Eugenie ihres häus­lichen Amtes frohmütig waltete, ward bei dünnem Bier und Butterbemmen eifrig potuliert und gewettert. Wahrlich, es regte sich damals mächtig in der Bleißestadt. Kritikus Gustav Kühne wette feine scharfe Feder, Heinrich Laube  , der grobe Gottlieb, schimpfte über die Nomantiker, aber bange machen gilt nicht! Stühne macht mit seinen Schriften: Quarantäne im Frren­Hause", Aus den Papieren eines Mondsteiners" die Leipziger  wild, Oswald Marbachs derbkomische Satiren räumen mit all dem füßlichen Geflunker der Clauren und Konsorten auf.

Blum und der budelige Herlossohn werden die Unzertrenn­lichen genannt. Die Herausgeber des Theater- Lexikons" gehören wahrlich nicht zu den fetten Bürgern der Pleißestadt.

-

Proletariermenschen!-

Sarl Reginald Herloßjohn, der fleine verkümmerte Wohemien wie oft stedt er die Füße unter den gastlichen Tisch des Freundes, woselbst Schmalhans Küchenmeister ist!-

-

Wenn die Schwalben heimwärts zieh'n" er, der dies Lied fang und dichtete, der volkstümliche Herausgeber des Komet". endete im Elend, als Bettler starb er im Hospital.

11

Armer, berfümmerter Yorid, der so urtomisch sein fonnte, wenn ihm der Hunger nicht den Hals zuschnürte, der die Zuhörer Tränen lachen ließ, wenn er ihnen Hahn und Henne" borlas, und dann bei seinem Freunde Blum, bitterlich weinend, die beste aller dieser Welten verfluchte.

Für die Armen und Glenden focht er manche Klinge. Und so war es ganz in der Ordnung, daß, als unser Dichter und Barde im Dezember 1849 starb brei Tage vor seinem Ableben hatten die Bäter der Stadt ihm gnädig die Aufnahme ins Spital er wirft es nicht einmal zum Begräbnis reichte.

-

Wenn nicht Oettinger   und Markgraf berumgeschnorrt hätten, wäre Kleinchen Reginald in der Armenequipage auf den Kirchhof hinausgetarrt worden ohne Glüd und Stern ist dieses Genie einfach verhungert, verkommen.

-

Schartenzeln und friechen ist nicht seine Sache, aber ein großes warmes Herz hatte er glüdliche Kinder" nannte er alle, denen eine Stunde geschenkt worden, in der man sterben möchte, weil teine schönere nachfolgen fann!

Zwölf Jahre später, nach jenen glücklichen Tagen( 1836), die uns den Menschen Robert Blum   in seiner warmherzigen Eigen art, seiner idealen Uneigennüßigkeit kennzeichnen, wird am 9. November 1848 an ihm jener empörende Mord auf der Brigitten­au berübt, der noch heute mit elementarer Gewalt zum Himmel schreit. Jene drei Büchsenschüsse," sagt die Schauspielerin Karo­ line Bauer   in ihren Komödiantenfahrten", schrillten schaurig in meine frohen Erinnerungen an jene blütenfrohen Leipziger  Tage hinein."

Robert Blum  , der Jdealist, wird auch in der hier geschilderten Periode seines Lebens unvergeßlich bleiben.- Theater.

Kammerspiele: Der Marquis bon Keith, Schauspiel in fünf Aufzügen von Frank Wedekind  . Im Kleinen Theater, in dem der Dichter in der Rolle des Marquis als sein eigener Interpret auftrat, blieb das Stück ganz eindruds los. Die Burzelbäume des Dialogs, die launenhaften Kreuz- und Querfprünge der Szenen, befremdeten, ohne zu verblüffen, ohne das fich neugieriger Anteilnahme für das Temperament, in dieser bunten Maskerade aussprach, wachzurufen. treden verständige Ton von Wedekinds Organ, das behäbig Philiftröse seiner unterfekten Gestalt, die immer gleich bleibende Starrheit der Gefichtszüge lauter Momente, die ihn bei Dar stellung des utopistisch- doftrinären Apostel Settmann in seiner Hidallah borzüglich unterstützt hatten widersprachen dem Wesen es als Marquis mastierten Hochstaplers, mußten mit Bleigewicht jebe Möglichkeit der Jllusion zu Boden drücken.

Der

Wenn von dem Drama in der Aufführung der Kammerspiele teilweise eine starke Spannung ausging, so war das in allererster Reihe ein Verdienst Paul Wegeners, der dem falschen Mar­quis das Gepräge eines ganzen Kerls und damit zugleich der Phan­tafie der Zuschauer einen substantiellen Kern, dem loſe zusammen gewürfelten Ganzen Halt und Stüße gab. Da das Stüd selbst nicht naturalistisch ist, noch fein will, war der Schauspieler durch aus im Recht, wenn er von vornherein auf den Versuch verzichtete, hier eine mittlere Linie, eine Abtönung herauszufinden, die den äußeren unwahrscheinlichkeiten möglichst viel von ihrer Grellheit nehmen sollte. Er malte einen rafseechten Verbrecherthp, dem Bosheit und Gemeinheit unverkennbar im Gefichte eingegraben waren. Die Frage log nahe, wie denn ein solcher Mensch, dessen 3üge mit der Sicherheit einer Zwangsvorstellung den Gedanken ans Zuchthaus hervorrufen, geriffenen Münchener   Geschäftsleuten Wind vormachen und das Geld für sein verschwenderisches Leben und das Millionenprojekt des Feenpalastes zusammentrommeln fann. Doch ist das am Ende nicht verwunderlicher als so ziemlich alles, was sich in dem Stücke zuträgt, und tommt neben der Wucht, zu der die ziemlich schattenhafte Gestalt durch ihre Wegenersche Ver förperung emporwächst, gar nicht in Betracht. Im Bilde dieses Gauners mit den furzgeschorenen violetten Haaren, dem flobig breiten blassen Anilik, den liftig verschlagenen Augen, erhielt die fiebernde Genußgier, die brutale Energie des Willens, die Ab­lösung von allen moralisch sentimentalen Seelenhemmungen einen groben, doch elementarisch packenden Ausdruck. Wenn er hinkend, auf der Jagd nach einem neuen Einfall, hastig durchs Zimmer stolperte, erinnerte er in der zuckenden Wildheit seiner Bewegungen an einen gefangenen Tiger, der ruhelos und drohend hinter den Eisenstäben seines Käfige hin und her läuft. Das grenzenloſe Selbstvertrauen, der blinde Glaube an sein Glüd, rüdte so in eine Beleuchtung, die den Zusammenhang dieser phantastischen Ver fliegenheit mit dem Grundcharakter aufs lebendigste empfinden ließ. Die ausgezeichnete Leistung gipfelte in den Schlußszenen, wo der Künstliche Bau der Täuschungen und Selbsttäuschungen über dem verwegenen Schwindler zusammenstürzt, ihn auf Augen­blide aus seiner faltblütigen Gefaßtheit schleudert. Der Schmerz darüber, daß die vergötterte Geliebte sich einem zahlungsfähigeren Werber zuwendet, brach rauh und qualvoll, wie der Aufschrei eines verwundeten Tiers hervor; im Schreden vor der völligen Verlassen­heit erklang ein Nachhall längst verwehten menschlichen Gefühls, und vollendes meisterhaft war die Grimasse, mit welcher der aus sich heraus Geschredte sich endlich zum Zynismus seines wahren Jch zurückfindet.

Der Freund des Marquis, der verdreht selbstquälerische Moralist, der sich zum Genußmenschen ausbilden lassen will, hatte in Winterstein einen Darsteller bon überraschend feinfinnigem Sumor gefunden. Die Damen ließen, mit Ausnahme von Tilla Durieur, die die leere Rolle der streberischen Geliebten dekora tib zur Geltung brachte, zu wünschen übrig. Unter den männlichen Episodenrollen wären Wedekinds fühl reservierter Konsul Kasimir und Wiktor Arnolds borzüglich Münchnerischer Bier brauereibefizer Ostermeier noch besonderer Erwähnung wert. Das bis zum äußersten beschleunigte Tempo des Spieles milderte, in etwas wenigstens, die Breiten. Mufil.

Mit 200 Zalern Jahresgehalt und dem Ertrag von Ileineren und größeren literarischen Arbeiten mußte Blum das Unmöglichste möglich machen. Agnes Wallner   erzählt, wie er fie als junges hungriges Ding in sein Haus aufnahm, fleidete und nährte und unterrichtete. Wie unser Blum für das Theater und Theater geschichte schwärmte, dabon fonnten die gastierenden Künstler und Rünftlerinnen ein Liedchen fingen, die in Leipzig   auftraten. Er durchwanderte mit ihnen im Geifte die alten Stätten, auf welchen einft der junge Goethe spazierte, zeigte ihnen Quandts Hof, wo die Neuberin   Lorbeeren erntete und Radenfchläge empfing, trinft und erzählt Schnurren in Auerbachs Keller unter Meister Schierit' Schildereien, berichtet von den Fahrenden und Gauklern, von Fled Zwischen den vergangenen und den zeitgenössischen Künstlern und dem großen Schröder, daß den Komödianten die Augen überstehen wohl immer einige frühverstorbene, die jünger find als selbst gehen und sie staunend dem diden Gesellen in den Mund schauen, gegenwärtige und modernen Ansprüchen vielleicht näher entsprechen der zehntausendmal mehr weiß als fie.- als viele tote und lebend. Meist hält nur eine stille Gemeinde ihr

dt.