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Andenten aufrecht; aber gerade die fortschrittlichen und speziell die] bollstümlichen Bestrebungen der Beit tönnten aus solchen Künstlern mehr herausholen, als gewöhnlich geschieht. Zwar reicht der Tod in des 42jährig verstorbenen Adolf Jensen  , eines der größten und augänglichsten aller lyrischen Komponister, ins Jahr 1879 zurüd; boch noch immer würden seiner Verbreitung namentlich weitere Kreise dankbar sein. Vor sieben Jahren starb der Nach­romantiker Julius Zellner, bor   zehn Jahren der Bayreuther  Freund Paul Kuczynski  . Die besonders dankbare Aufgabe, Zellner gerecht zu werden, ist noch ungelöst; die undankbarere, für Kuczynsli einzutreten, wurde von einer eigenen, nach seinem Namen benannten Stiftung übernommen. Sie stammt von der Gattin des Komponisten, der seinen musikalischen Beruf wohl nur äußerlich und aus Familiengründen durch den eines Finanzmannes ergänzte. Seit feinem Tode ward in der Fachliteratur vielfach auf seine Kom pofitionen und auf feine literarischen Erinnerungswerke hingewiesen. Erst jest tam eine öffentliche Gelegenheit, eine größere Reihe musikalischer Werte von ihm zu hören. Das Konzert, das seine Stiftung in der Singakademie gab, rechtfertigte die ohne Reklame erregte Spannung. Es waren lauter Gesangsstücke, zu Terten des Kom­ponisten selbst. Zwar wird der Historiker die Einflüsse zeigen können, die Kuczynski von Richard Wagner   sowie von Adolf Jensen  empfangen hat; er wird auch nicht verschweigen, daß manchmal der Eindruck einer Kunst für die Kunst" hervortritt. Allein gerade, wenn ein Künstler so ganz ohne Rücksicht auf Effelt schafft; wenn er dann, sei es auch ohne reformerische Neutönung", in der Tat etwas Eigenes zu sagen hat und wenn schließlich dieses Eigene den Hörer so sehr bei seinen menschlichsten Gefühlen ergreift, wie Kuczynskis Töne von der Sehnsucht als dem raftlos hämmernden Gast der Seele": dann wird auch ein fühler Kritiker warm, zumal wenn er über musikalische Außensprache hinaus musikalische Innensprache fucht. Die symphonische Dichung für großes Orchester, Solis und Chor­gefang: Die Fahrt zum Licht", führt uns durch eine längere Reihe von instrumentalen Themen und von ihren Verarbeitungen hindurch auf die Höhe eines Gefanges, der erst dem erloschenen Auge das Licht der Erlösung" leuchten läßt.

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Den zahlreichen Spielern und Sängern, die zu diesem so sehr aus dem Alltag des Konzerttreibens herausragenden Abend bei trugen, fönnen wir unmöglich im einzelnen gerecht werden. Um so lebhafter sei den Bertretern volkstümlicher Mufitpflege eine Aufmert famkeit auf die heute berührten Komponisten nahegelegt.

Technisches.

8Z.

Das Relais als Erzieher. Jm modernen Geschäfts. leben heißt die Devise: Alle Vorteile gelten. Gelingt es, den lieben Geschäftsfreund übers Ohr zu hauen, so wird es getan. Profit ist das alleinherrschende Losungswort, jede Gelegenheit muß wahr genommen werden. um einen recht hohen Profit herauszuschlagen. Auch die Technik wird davon beeinflußt. Da die Versicherung perfön­licher Ehrenhaftigteit im modernen Geschäftsleben teine Bedeu­tung hat, wurde die Technik vor die Aufgabe gestellt, für die Kon­trolle der Geschäftsbeziehungen der Leute untereinander scharf­finnig ausgeflügelte Apparate zu ersinnen, man denke nur an Registriertassen, Stechuhren, Wächteruhren und dergleichen. Ganz hübsch wird diese Tatsache illustriert durch die geniale Neuton­struktion eines Apparates, der jest von einer hiesigen Weltfirma auf den Markt gebracht wird. Es handelt sich um ein sogenanntes Ueberlastungsrelais.

Vertreter

Es geht nichts über die Ehrlichkeit!

Hoch die Technik, bie den modernen Geschäftsmann wenigsten bestimmten Fällen zur Ehrlichkeit erzieht.

Humoristisches.

Jus primae noctis.

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Das war in der guten alten Zeit ( Gut für die Herren Barone   und Grafen!), Da geruhten dero Herrlichkeit, Die Töchter des Volkes zu beschlafen. Und spielten die Fiedler zum Hochzeitstanz, So holte der Junker den Junfernfranz. Und girrten und gurrten die scheuen Zauben, Sie wußten, fie mußten alle dran glauben. Der Herr legt sich zu der Braut ins Nest Für den dumnen Bauern les beaux restes! Wie anders heut, da die hohen Herrn Vor Tugend und Hämorrhoiden stöhnen! Da tanzen fie, statt mit den Töchtern, gern Leutselig mit unferes Voltes Söhnen. Da ladet ein Graf bei der Damenwahl Gemeine Soldaten zum Liebesmahl Und spendiert ihnen Bier und Champagner und Braten Und begeistert sie so zu edlen Taten. Das ist wieder

-G

so hat mich ein Weiser belehrt-

Das jus primae noctis

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nur umgefehrt.

( Edgar Steiger   im Simpliciffimus".)

- Aus dem Schreibheft Hermann Bachnides. Der Reichstagsabgeordnete Hermann Bachnide, deffen jüngste Bro­schüre Liberalismus als Kulturproblem" die hohe Anerkennung des Reichskanzlers fand, hat, wie wir verraten fönnen, eine neue Schrift, betitelt: Der neue Macchiavelli, vollendet, aus der folgende Säße hervorgehoben feien: Liberalismus ist die erhabene Weltanschauung, die einem hehren, begeisternden Jdeale bient, nämlich dem Jdeale des Er­reichbaren. Diese prinzipielle Grundlage gibt dem Liberalismus unüberwindliche Stärke, da dieses Jdeal nicht zu überbieten ist: man fann dieses Jdeal nicht steigern, da man zwar von dem Er­reichbaren, aber weder von dem Erreichbareren noch von dem Er. reichbarsten sprechen fann. Da auch die Konservativen dem Jdeale des Erreichbaren dienen, ruht der Bloc auf einem unerschütterlichen Fundamente. In der Politik fiegt man dadurch, daß man sich dem Gegner unterwirft. Der Liberalismus, der alles tut, was die Konservativen wollen, ist start..." Die Chinesen sandten unlängst je einen Mandarin nach Deutsch­ land  , England und Japan  , um zu erfahren, welche Verfassung sich am besten für China   eignen würde. Die Berichte aus England und Japan   lauten negativ.

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Blazes

Notizen.

Jugend")

- Die Mauer der Föderierten gerettet. Bir Bekanntlich steht der Konsument, der elektrische Energie von haben seinerzeit berichtet, daß die proletarische Märtyrerstätte auf dem Père Lachaise   von dem Schicksal bedroht war, parzellenweise einer elektrischen Kraftzentrale bezieht, zu dieser in einem bestimm für Gräber zahlungsfähiger Familien abgegeben zu werden. Das ten kontraktlichen Verhältnis. Entweder bezahlt er den elektrischen Komitee, das sich zur Rettung der Mauer" gebildet hatte, hat indes Etrom je nach Verbrauch, dann wird ihm ein Stromzähler hin­die zuständige Gemeinderats. gestellt, der den jeweiligen Stromverbrauch anzeigt. Oder aber mit Erfolg eingegriffen und ihm die immerwährende es wird eine bestimmte Durchschnittssumme festgesetzt. Der fommission einstimmig befchloffen, des Konzession Sie berfügte auch, einzuräumen. des Elektrizitätswertes Kon­beim besichtigt sumenten die Anlage, nach ihrem Umfange wird ein Durchschmitts, daß das aus den Ruinen der Tuillerien stammende Gitter, das ein berbrauch bon Strom angenommen, eine Durchschnittsmiete mal von pietätvoller Hand vor der Mauer aufgerichtet, aber auf festgesetzt. Nun fann der findige Geschäftsmann feine Anlage Befehl des Präfekten   in einer Nacht herausgeriffen worden war, aus dem städtischen Depot den Eigentümern zur Verfügung gestellt Beispiel bestehend aus 10 Bogenlampen angeben. Er schaltet aber in verschwiegenen Räumen, die er dem Elektrizis werde. Sie dürfen es wieder in der ursprünglichen Weise anbringen. tätswert nicht angemeldet hat, noch einige Lampen mehr ein, will Endlich hat sich die Stommiffion, im Widerspruch zum Gutachten des sich also mehr Strom aneignen wie er bezahlt. Daß sich Kraft. Seinepräfekten, in bezug auf die vom Komitee geplante Errichtung gentralen gegen derartige Fälle schüßen müssen, beweist vorliegende eines Monuments zustimmend geäußert. Konstruktion eines solchen Relais.

zum

Der Apparat wird in den Hauptstrom eingeschaltet. Der Etrom geht durch ein Stück Rheotandraht, welches der erforderlichen Stromstarte entsprechend bemessen ist. Steigert sich die Strom stärke über ein bestimmtes Maß, will der Konsument mehr Strom entnehmen wie er soll, so wird der Rheotandraht rotglühend, weich, biegiam. Sein freies Ende ist als Kontaktplatte ausgebildet und legt sich durch gelinden Federdruck auf eine Kontaktschraube. Da durch wird ein Relaisstromkreis geschlossen, der Hauptstrom so lange unterbrochen, bis der Konsument wieder weniger Lampen ein­geschaltet hat, der Rheotandraht talt wird und in seine erste Lage zurüdgeht. So macht der Konsument sicher ein langes Gesicht, wenn er in seinem Keller steht und verbotenerweise eine Lampe mehr einschaltet. Das Relais, in einem verschlossenen Kasten, dem Elettrizitätswerk gehörig, beginnt zu arbeiten. Der Strom wird unterbrochen. mit einem Male gehen alle Lampen aus, und awar bleiben die Räume so lange in Dunkel gehüllt, bis die zu­lässige Lampenzahl wieder eingeschaltet wird.

Er hatte die Cochonnerien fatt. Lautenburg  , der frühere Direktor des Berliner   Refidenz- Theaters, der die Leitung des Wiener Raimund- Theaters niedergelegt hat, ist offenbar ein viel verkannter Mann. Wenigstens möchte er gern in dieser Rolle auf treten. Irgendwelche ungreifbaren Mächte haben ihn sein Leben lang genötigt, Bariser Ein- und Zweideutigkeiten zu spielen. Und nun da Doch hören er endlich von dieser Schichalslaft befreit wurde.. wir, was er einem freundlichen Manne in die Feder biltierte: Man wollte mich( in Wien  ) veranlassen, phantastische Rollen und Schwänke aufzuführen. Seitdem Gretchen" eine operettenhafte Laszivität im Bürger- Theater Erfolg hatte, hatte ich überhaupt keine Ruhe mehr. Ich erlärte aber, ich gebe teine Cochonnerien. Ich habe das Residenz Theater in Berlin   aufgegeben, weil mich das Repertoire in den legten Jahren angewidert hat, und da soll ich nach Wien   kommen, wo ich ein fünstlerisches Feld zu beadern glaubte, und französische  Schwänke darstellen: das tue ich nicht."

Wir haben es immer geglaubt: Lautenberg wird noch einmal ein Heiliger.

Verantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin  . Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruderei u.Berlagsanstalt Baul Singer& Co..Berlin   SW.