Sie Arme schließend, sich kopfschiiitelnd abwandte mit den Worten:Nein, so ist's nicht möglich!" Dann rollte er sich munter mit Nello im Grase umher, wie ein großer Neufundländer, der spielend sich mit einem Möpschen wälzt, und unwillkürlich brach es dabei aus seinem Munde hervor, ohne baß er die Worte an seinem Bruder zu richten beabsichtigte, oder glaubte, von diesen, verstanden zu werden:Ja. ja. Brüderchen... eine neue Produktion ... ein Stück, das man erfinden müßte... eine Piesse für sich, weiß Du... eine Piesse. die in Paris auf den Affichen den Rainen der Brüder.. und sich plötzlich unterbrechend und als wünsche er. Nellos Gedanken von dem Gehörten cibzu- lenken, ergriff er ihn rasch und ließ ihn hurtig ein Dutzend sausender Kopfüber machen, in deren Wirbel der Knabe die Hand Giannis wie die Hand zugleich eines Bruders und eines Vaters stets schützend an seinem Körper fühlte. lFortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten.) fronkichnarn. von Georges Secomte. Mit wahrer Inbrunst sangen die Bewohner von St. Gregor das Lob ihres Pfarrers. Herrn SatignyS. Sein schönes, reines Antlitz, das stets ein Lächeln mystischer Freude zu tragen scheint, läßt glauben, daß ihm all das Leid, dem er Trost spendet, nichts anhaben kann." pflegte in ihrer gewundenen Manier die Frau des Katastereinnehmers zu sagen, die etwas schön- geistig veranlagt, deren lebhaftes Temperament es wohl zufrieden tvar, wenn ihr zartes Gcwiffen sich ohne weitere Gefahr von den Perirrungen dcö Fleisches in der Beichte reinwaschen lonnte. Da haben Sie recht," bestärkte der eine Apotheker(es war der Lieferant des Landadels und der Bourgeoisie) und da er die Kirckienväter ein wenig durchgeblättert hatte, sagte er in deren derben Stilin ein Grab des Schweigens ergießt sich die Fäulnis unserer verderbten Stadt!" Ein wahrer Heiliger, um die Seelen weiß zu waschen," grinste der Notar, der Materialist und Spötter war. All dieses Lob mochte an die stillen, weihhaarigen Greisen- gestalten eines Greuze erinnern. Und zu dem schwarzen Gerippe der Kirche, zu den krummen Straßen des Fleckens, der einst eine befestigte Stadt voller Klöster gewesen, nun, wo es doch weder Lanzknechte noch Räuberbanden gab, ruhig weiter um seinen klingenden Glockenturm, in seinem Gürtel malerisch verfallener Wälle hocken geblieben war. hatte diese Gestalt gepaßt. '.' In Wirklichkeit war Pfarrer Satigny jedoch weder so ver- trocknet, noch so gebrechlich. Sein Gang verriet nock) Kraft; in dem für gewöhnlich ruhigen Blick konnte manchmal eine ungeahnte Leidenschaft auftauchen. Wären die Bewohner des Städtchens scharfsichtig gewesen, sie hätten die inneren Kämpfe dieser Seele erraten. Da sie aber ihr Leben damit verbrachten, sich aus- zuspionieren, waren es schlechte Beobachter. Wie gequält war dieser ungleiche Gang, das magere, verzerrte Gesicht! Ein Heiliger, vielleicht, der aber dennoch schwere Kämpfe mit Satan bestehen mußte. Kaum hatte er ihn durch Gebet gebändigt, so begann die Versuchung von neuem, wenn die Frauen zur Beichte kamen. Sie verließen ihn ruhigen Herzens, erleichtert, getröstet, er aber, ihr Führer, der gerade nur die Kraft besaß, seines Trösteramtes zu walten, blieb in tiefster Erregung über die Sünden zurück, die er gehört. Tann kam eS ihm oft vor. als ob die Luft der Kirche verpestet sei. Um das Gotteshaus, um sich selbst zu fliehen, rannte er barhaupt in Wind und Wetter querfeldein, eine Litanei auf den Lippen, die Augen zum unendlichen Himmel erhoben. Dort war seine Zuflucht. Die große Weite beruhigte ihn. Da gab es weder Fieber noch Versuchung. Ruhig in Blick und Haltung kehrte er zu seiner Pflicht zurück. Einem Maler, der zu Ferien in die Gegend gekommen, siel daS Zerwühlte in des Priesters Antlitz auf. Welch ein prächtiger Kopf voll dramatischen Wahnsinns! bc- merkte er zu den Kameraden, mit denen er einen Werniut trank, als der Priester eines Abends an dem Cafe vorbeikam, wo sie Karten spielten... Der alte Herr mit dem Sehcrblick dürfte noch mal überschnappen. Die Zuhörer nahmen diese Bemerkung aber nicht ernst. Die Frauen gingen weiter mit vollem Vertrauen zur Beichte und sün- digten um so flotter weiter. Die Männer�aber iahen mehr denn je eine Art Gesundheitsamt in dieser edlen Seele, die allen Schmutz der Stadt aufsammelte und reinigte. Eine göttliche Kloake pflegte ihn der kirchenväterlcsende Pillen- drehcr zu nennen. Fronleichnamsfest, am Nachmittag. Die winkligen Straßen sind mit weißen Tüchern, frischen Gewinden und Sträußchen ge» schmückt. Ter Magistrat hatte sich nicht entschließen können, die Pro- Zession zu untersagen(ist unter der Republik in vielen Städten ge- schehen) und den Frauen die Gelegenheit zu nehmen, die wohl- frisierten Köpfe ihrer Kinder und ihre eigenen hellen Sommer- kleider zu zeigen, bei welcher Gelegenheit die Schankwirte mit Limonade ein Bombengeschäft machen. Die bebänderten Mütter drängen ihre Kleinen mit den ge- drehten Locken zu dem prächtig geschmückten Ruhealtar in freier Luft, wo sie eine Stunde lang vor den bewundernden Blicken der Männer und der aufgeblasenen Papas die Engel spielen, Engel allerdings, die sich die Finger in die Nase stecken. Die Männer in sonntäglichem Bratenrock und breiten Uhrketten auf den Bäuchen sitzen feierlich auf den Terrassen der Cafes und bereiten den Absinth mit noch größerer Umständlichkeit als sonst. Plötzlich schwingen die Glocken, streuen ihre lustigen Töne durch die Schirmbretter hinunter, hüpfen und lärmen. Das Kirchentor geht auf und man hört die Orgel brausen. Im Dunkel zittern die Kerzenflammen, zwischen den roten Mützchen, weißen Chorhemden der Chorkindcr, unter dem hellen Geschmetter der hohen Stimmen erscheint der samtgoldene Baldachin, unter dem die ehrwürdige Gestalt des Priesters wandelt, ganz gebeugt von der Last des fest- lich schweren Meßgewandes. Nie war sein Ausdruck gequälter, sein Blick erregter gewesen. Gestern hatte sich wieder eine Flut von Sünderinnen durch seinen Beichtstuhl ergossen; während sie sich heute des strahlenden Sonn» tags freuten, war in seinem Herzen der Bodensatz all dieses Schlammes zurückgeblieben. Während des Hochamts war das Fahrige seiner Gesten, das rauhe Zittern seiner Stimme besonders aufgefallen, doch hatte die Gemeinde das auf Rechnung der großen Hitze, der leidenschaftlichen Ueberanstrengung dieses Asketen gesetzt. Die Glocken fingen weiter ihren Festgesang; der Zug schreitet in die Menge. Die Kerzen scheinen in dem Tageslicht zu verlöschen. der samtgoldene Baldachin jedoch, das glänzende Gewand des Priesters, die duftig blauen Spiralen des Weihrauchs, die weißen Chorhemden und roten Kleider der Kinder, d»e tausende Rosen- blätter, gleich Schmetterlingen, in die Luft streuen, sind wohl ein Bild der Freude. Sogar die Männer vor den CafeS, trotz ihrer Spottlust bezaubert, hören einen Augenblick auf, in dem Absinth umherzulöffcln. Beim Heraustreten aus der dunklen kühlen Kirche in den heißen Sonntag empfindet der Priester einen seltsamen Schwindel, und wie sein Körper zusammensinkt, richtet und regt sein Geist sich auf. Plötzlich schwirrt«hm ein heller Schein durch daS Hirn, und seine herrische Stimme übertönt die Festgesänge: beim Anblick der knienden Frauen, der sich neigenden Männer schreit er seine Beicht- Geheimnisse tragisch heraus. Was ihn solange verfolgt, macht sich in schrecklich wilden Worten Luft, die wie Rutenstreiche auf die Schuldigen niederfallen. Männer und Frauen, die er da brand- markt, schreien vor Scham; sinken zusammen oder versuchen ver- gehlich trotzig den Kopf zu heben. Die anderen blieben gerne, um die geheimen Laster ihres Nächsten zu erfahren, deren Demütigung auszukosten, aber der Zug bewegt sich weiter; vielleicht kommt dann die Reihe an sie. So stiebt alles in panischem Schrecken ausein- ander, und es bleiben nur die, welche nichts gebeichtet, und die sich nun wie bei einer Hinrichtung scheußlich ergötzen. Außer sich, das heiße Gesicht sonnenüberströmt, schreit der Priester sich heiser, erleichtert sich die Seele von all dem aufgesammelten Schmutz. Kaum können die Baldachinträger ihm folgen. Doch versuchen die Honoratioren, die in feierlicher Steifheit die Baldachinschnüre tragen, wenigstens diesem Rachegesang Einhalt zu tun. Sie fassen ihn am Arm, suchen dem Wahnsinnigen mit rauhen Händen den Mund zu schließen. Doch der Priester reiht sich loß, beißt ihnen in die Finger, und jedesmal, wenn er die Lippen frei hat. schreit er eine neue Sünde heraus. Schon hat er etlichen Frauen der ersten Bürger in den Schmutz gezogen, und der Skandal scheint kein Ende nehmen zu wollen. Vergebens läßt eins der Kirchenmitglieder von Chorknaben und Gläubigen den donnernden Choral anstimmen» die rächende Stimme beherrscht den Lärm. Da sind es etliche Männer, die. als deS Priesters Blick auf sie fällt, erraten, daß nun ihre Schande an den Tag kommen soll; und sie stürzen sich auf ihn los. ohne Achtung aus seine Priester- würde, sie fesseln ihn wie einen Uebeltäter und schleppen ihn mit verbundenem Mund nach der Sakristei. Es war der in den Kirchen- Vätern belesene Apotheker, der mit schwermütiger Feierlichkeit die Monstranz m die Kirche zurücktrug... Man spricht heute noch von diesem AeraerniS, wenn in den CaföS der Absinth geinischt wird, und die Frauen find seitdem weniger eifrig daran, ihre Sünden zu beichten, um lustig wieder von vorne anfangen zu können. (Deutsch von Dr. Kät« Schirmacher» kleines feuilleton. Rothenburg im Wandel der Zeiten. Der wunderliche Lauf der Geschichte bringt es bisweilen als seltenes Geschick mit sich, daß der Strom der fortflutenden Zeit, der erbarmungslos die Wahrzeichen alter Vergangenheit mit fortspült, über ein kostbares Fleckchen Erde spurlos dahinrauscht. Dann ragt mitten hinein in daS moderne Leben und Treiben ein Stück altvaterischer Vorzeit» herübcrgrüßend aus dem Märchcnlande verklungener Träume in