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noch der gesunde Mensch. So ift es z. B. bekannt, daß Teilnehmes von Nordpolexpeditionen 50 Grad unter Null schadlos ertrugen. Hingegen kommt es oft vor, daß schon bei ganz mäßiger Kälte, wenn der Thermometer nur einige Grade unter dem Gefrierpunkt steht, bedeutende Uebel, sogar mit tödlichem Ausgange zustande kommen, wenn die Menschen blutarm, schlecht ernährt, oder geistig niedergedrückt find. Greise, Kinder, bleichsüchtige Mädchen, Säufer, namentlich Branntweintrinker, Leute, welche einen schlechten Herzmuskel haben, bekommen leicht Frostbeulen und ers frieren sogar sehr schnell, wenn sie bei starker Kälte müde und schläfrig werden. Es tritt alsbald ein Zustand von Betäubung ein, und sobald sie sich dann niedersehen, um auszuruhen, schlafen fie in scheintotem Zustande, atmen noch ein ganz klein wenig, und auch ihr Herz macht noch leise Anstrengungen, etwas Blut hin und her zu treiben.

Gerade diese Herzbewegung ist es, welche den Scheintod so lange erhält. Sie übt auf die Lungen einen leisen Drud aus und bewirkt auf die Lungen eine Art fünftlicher Atmung, welche aber so gering ist, daß Laien und selbst Aerzte Erfrorene ofte mals für tot halten. Middeldorfs Atidopeirastik ist die sicherste Methode, den Scheintod zu erkennen, sicherer als der Fußsohlen­schnitt und das Brennen mit Siegellad und alles andere. Man stößt eine lange Nadel zwischen fünfter und sechster Rippe in das Herzfleisch, was bis zu einer gewissen Tiefe ganz ungefähr lich geschehen kann. Die Nadel ist so lang, daß ungefähr die Hälfte derselben außerhalb der Bruft sichtbar ist. Sind noch die geringsten Herzbewegungen vorhanden, so bemerkt man dies an einem leisen Bittern der Nadel.

mit den sogenannten pointillierten Stempeln ins Leder gepreßt; so winzig dieses Motiv ist, das zuerst die französischen  Meister Le Gascon unt Florimond Badier angewandt haben, so wurde es doch bald überall nachgeahmt. Ein Streben nach ver­feinerten Schmudformen lassen etwa um die Mitte des 17. Jahr­hunderts auch die Ginbände italienischer und deutscher Buchbinder erkennen: der Fächerstil bildet sich aus, der die Bandrahmen, die Ecken und freien Felder mit fächerstabförmigen Viertel- Halb­und Ganzkreisen füllt. Und in Frankreich   jetzt sich die Entwicke­lung, die mit dem Bandnekstil der Renaissance begann, bis ins 18. Jahrhundert hinein fort, denn nur eine Abart jenes Stils ist auch das zarte Spitenornament, das jetzt ähnlich den leichten Epizenmustern auf den Porzellanen dieser Zeit die fran­ zösischen   Buchdeckel umzieht. Ein Meister dieses Stils ist Derome le Jenne, und von ihm stammen höchstwahrscheinlich auf der Leip­ ziger   Ausstellung die zwei schönen roten Lederbände, die mit ihren, aus fleinen Zeilstempeln zusammengesetzten goldenen Spigen mustern schon für sich wie zarte Gedichte wirken. Ein Blick auf verschiedene Einbände für den französischen   Hof lehrt uns noch, daß Frankreichs   Könige, wo sie von dem allgemeinen Stil der französischen   Buchbindetunst abiichen, die vornehmste Schönheit in äußerster Einfachheit sahen; eine schlichte, kräftige Goldrandborde, vier Lilien in den Ecken und in der Mitte das Wappen, das ist häufig der ganze Schmuck, aber dieses Wenige atmet höchste Würde. Es fällt einem schwer, nach dem Anblick so geschmackvoller Er­zugnisse sich für die deutschen Einbände der Renaissance und der späteren Zeit sonderlich zu begeistern. Die blind gepreßten, bleichen Pergaments und Schweinsleberhüllen, die so häufig wieder tehren, sind kaum ein Labsal für das Auge. Für den Reiz reiner, Wird die Erwärmung der Erfrorenen zu rasch bewerkstelligt, flächiger Schmudformen hatten die deutschen Buchbinder noch wenig so tritt eine so heftige Reaktion ein, daß die Behandelten daran Gefühl und so preßten fie, ganz im Einbernehmen mit dem heute sicher zugrunde gehen. Gefrorenes und wieder aufgetautes Blut noch nicht einmal überwundenen deutschen Durchschnittsgeschmad, ist zwar noch rot, aber ladfarben. Der Blutfarbstoff hat sich von das Bild eines Fürsten oder auch eines Mannes wie Luther   mit den Blutzellen getrennt. Solches aufgetaute Blut erzeugt im Plattenstempeln ins Schweinsleder. Erträglicher wirken diese normalen Blute Gerinnungen, und man kann sogar ein gesundes Blindpreffungen von Bildnissen auf braunem Kalbleder, und in Tier töten, wenn man aufgetautes Blut in seine Gefäße sprint. Verbindung mit dem Kalbleder trat auch allmählich die Gold Anders aber gestaltet sich der Vorgang bei Erfrorenen, welche sehr preffung häufiger auf, gegen die sich die konservativen deutschen langsam erwärmt und belebt werden. Wird nämlich eine ganz Buchbinder lange gesträubt haben. Daß die pfalzbabe fleine Menge des erfrorenen Blutes wieder aufgelöst, und dem rischen Fürsten auf reicheren Schmud der Büchereinbände Wert Organismus zugeschwemmt, so wird derfelbe diese kleine Menge legten, beweisen Kalblederbände, die für Otto Heinrichs Schloß- Gift überwinden. Aus diesem Grunde darf auch, wenn man bei bibliothek in Heidelberg   und für seinen Nachfolger Friedrich III.   Erfrorenen Wiederbelebungsversuche anstellt, die Erwärmung und gefertigt sind. Aber wiederum charakterisiert es den primitiveren Flüssigmachung der Säfte nur langsam vor sich gehen. Am besten Geschmack der Deutschen  , daß man sich nicht wie in Frankreich   mit legt man Erfrorene in Schnee und reibt sie mit Schnee, nimmt der Goldpreffung und ihren mannigfachen Variationen begnügte, fogar öfters wieder frischen Schnee, und ersetzt dann diesen durch sondern bald in Farbenbuntheit zu schwelgen begann. Das Band- recht taltes Wasser. Endlich gibt man in einem ungeheizten werk wurde mit Ladfarben bemalt, der goldbepunzte Grund noch immer ein faltes Bad, reibt Brust und Herzgrube recht mit farbig getüpfelt, auch weißes und rotes Leder wohl aufgelegt, und frischem Wasser, dann erst kann man den Erfrorenen in ein faltes wie in Einzelheiten so in der Gesamtanlage der Buchdeckel das Bett legen, mit falten Decken einhüllen und ihm ein faltes Waffer. orientalische Berzierungsprinzip vielfach nachgeahmt. Den flyftier geben. Höhepunkt dieser deutschen Renaissance- Buchbinderkunst stellen die pruntvollen Arbeiten des in Zwidau geborenen Buchbinders Jakob Krause   für Kurfürst August von Sachsen  ( 1553-1586) dar, und man muß gestehen, daß besonders jene Einbände, auf denen sich orientalisches Ornament mit dem Goldnesstil der Fran­30sen verbindet, in ihrer Art von großer Schönheit find. Des deutschen Fächerstile ist schon gedacht worden. Im 17. und 18. Jahr hunderts ging von Norddeutschland eine besondere Vorliebe für die dekorative Verwendung naturalistischer Blumen motive aus. Blüten- und Blätterornamente tehren auch in der In den gewöhnlichen Verhältnissen unseres Lebens werden sehr selbständigen, durch großen Prachtaufwand gekennzeichneten jedoch derartige Unglüdsfälle nur selten zur Beobachtung kommen, englischen Buchbindefunst vielfach wieder. Was das 19. Jahr- desto zahlreicher sind aber die Klagen über erfrorene Finger und hundert dann geleistet hat, wissen wir; es warf entweder alle Behen, Ohren und Nasen, oder über quälende Frostbeulen. guten Traditionen über den Haufen und schmückte" die Buchein- Werden solch fleine Körperteile der Kälte preisgegeben, so ziehen bände fogut wie Häuser und Möbel mit allen möglichen Motiven, sich die Adern zusammen und treiben das Blut gegen das Zen­die überall anders, nur gerade dorthin nicht paßten, oder es trum. Die Rüdflächen der Finger und Zehen erfrieren zuerst, brudte mit der Maschine die üppigsten Grobier- und Gascon werden bald gefühllos, die Glieder selbst steif und bewegungslos. Muster auf Leder aus Pappe" und fügte so zu der Proßerei den Nach einiger Dauer gefriert das Blut in den Adern zu Eis; alle Betrug. Erst in unseren Tagen haben die Künstler und Buchbinder Gewebsfasern werden spröde und brechen sehr leicht. Erfrorene meister wieder begonnen, dem Bucheinband einen ehrlichen und Glieder sind aber nicht tot, langsam erwärmt, genesen sie wieder seinem Charakter gemäßen Schmud zu schaffen.

Dr. Karl Weichardt  .

( Nachdrud verboten.)

Vom Erfrieren.

Das Sinken der Temperatur in verschiedenen Gegenden Europas   und die aus allen Gebirgen gemeldeten Schneefälle laffen auf baldigen Wintereintritt schließen. Eine der größten Gefahren des Winters ist das Erfrieren. Der sogenannten Mittel gegen das Erfrieren find es unzählige; viele davon befördern es eher, als daß fie es berhindern, z. B. der Alkohol.

Gute Ernährung, eine gewiffe Abhärtung, ein energischer Charakter und ein gesundes Herz find die besten Schutzmittel gegen das Unglück des Erfrierens. Einen großen Einfluß übt allerdings die Individualität aus. Werden grelle, rasche Ueber­gänge vom Warmen ins Kalte und vom Kalten ins Warme ver­mieden, so kann ein gesunder Mensch allerdings sehr hohe Kälte­grade ohne Schaden aushalten, namentlich wenn er geistig erregt, energisch, tätig, muskelfräftig ist und einen gesunden Herzmuskel, das heißt einen regelmäßigen, kräftigen Puls hat. Tempera­turen, bei welchen Weingeist und Quedjilber gefrieren, erträgt

Einige blasen mit einem Blasebalg frische Luft in ein Nasen­lech, während sie das andere Nasenloch und den Mund gut zu halten. Allein hierbei kommt die Luft weit mehr in den Magen als in die Lungen. Will man eine fünstliche Atmung einleiten, so ist es viel besser, abwechselnd des Kranten Arme an feine Brust hin zu drücken und dann wieder über seinen Rumpf hinauf­zuheben, oder noch einfacher mit unseren beiden Händen langsam ( alle awei bis drei Sekunden) Brust und Bauch des Erfrorenen zusammenzudrüden.

vollkommen.

Der erste Grad dieser Entzündung macht die Glieder blaurot, violett, geschwollen und glänzend gespannt.

Erfrorene Glieder find anfangs talt und schtver betweglich, machen stechende Schmerzen, gerade wie ein eingeschlafenes Glied, namentlich abends bei naßkaltem Wetter. Im Frühjahr und Sommer verschwindet oft das ganze Uebel, manchmal tritt es aber auch mitten im Sommer wieder auf. Im ersten Winter sind die Schmerzen heftiger als in den folgenden.

Ein zweiter und höherer Grad der örtlichen Erfrierung ento steht, wenn höhere Kältegrade eingewirkt haben oder die Erwär mung noch ungeschickt rascher war.

Alle Symptome sind dann heftiger. Die Oberhaut der Finger berstet, und es entstehen schmerzhafte Nisse, Blasen, Geschwüre.

Als dritter Grad bezeichnet man jene Gefrierungen, wo das erfrorene Glied entweder sofort brandig wird, oder wenn es fich vorher heftig entzündet hat, in Brand übergeht. Jedoch geht der Brand felten tief, sondern er beschränkt sich meist nur auf die Cberhaut, welche grau, schwarz und troden wird. Unter diesem oberflächlichen Brand findet man gewöhnlich ein gutartiges heils bares Geschwür.

Hat man tatsächlich das Unglüd gehabt, sich ein Glied zu erfrieren, so daß es blaß, fteif, talt, gefühl- und bewegungslos