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den Ministrantendienst in der Kirche und machte im Frühjahr die schönsten Pfeifen. So hielt man es auch für ganz selbstverständlich, daß der Köbeli die große Trommel schlagen fönne. Es wurde eine der Schneiderhans, welcher die Klarinette blies und während des turze Probe abgehalten und der Köbeli dazu geholt. Der Dirigent, Blasens als Taltstock benüßte, unterwies den Köbeli in den erften Elementen der Kunst des Pauken- und Triangelschlagens. Er

nicht zu gehen, von dem unglücklichen Zufall, daß der Zirkus­arzt auch heute gerade unwohl sei; vor allem aber von der unbegreiflichen Bertauschung des Faffes, das zu der Pro­duktion der Brüder zu dienen hatte, mit einem anderen von Holz, von dem fein Mensch wisse, woher es gekommen: eine Erörterung, in der immer wieder von neuem die Ausrufe zu hören waren: Es ist merkwürdig!.. Es ist ganz außer- zeigte ihm, wie er, wenn die Instrumente start spielten, mit Gewalt ordentlich!. Es ist unerklärlich!"

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( Forifegung folgt.)

Der Köbeli."

( Nachdruck verboten.)

Eine Weihnachtsgeschichte. Von Anton Fendrich . Die Zuzihler waren in großer Aufregung. Die von Böglisau wollten dieses Jahr bei der Christmette teine Mufit machen. Gründe wurden von den Böglisauern keine dafür angegeben, was die Zuzwyler besonders tief verlegte. Zwar ließen die Böglisauer da und dort in den Wirtshäusern einmal etwas fallen von wenig eidgenössischer Aufführung bei Gelegenheit des Kantonsschüßen­festes, wo die Zugwyler die Großartigen spielten und die Schüßen Der Nachbargemeinde wie hergelaufene Fözel ansahen. Aber das war der Grund nicht, weshalb die Böglisauer brechen wollten mit Der alten Gewohnheit, die Hälfte ihrer zwölf Mann starken Musik den Zuzwylern zur Christmette zu schicken. Die Sache war vielmehr die: Die Vöglisauer hatten zwar die meisten Instrumente doppelt, twie sich das bei einer leistungsfähigen Musik gehört und auch givei große Trommeln waren da. Aber der Schreinerkari, der sonst als zweiter Mann die große Trommel zu schlagen verstand, lag mit einem gebrochenen Bein im Bett und im ganzen Dorf konnte kein Mensch aufgetrieben werden, welcher sich getraut hätte, die zweite große Trommel mit Stunft zu meistern. Bei der großen Berühmt Heit der Böglisauer im ganzen Kanton als Musikanten war dies eine Blamage, die sie unter keinen Umständen eingestehen durften. Ihren ersten Trommelschläger, den Rasiererhans, fonnten sie bei ihrer eigenen Christmettemusit nicht entbehren. Denn ohne große Trommel war das Gloria eben einfach nicht, was es vom richtigen musikalischer Standpunkt aus sein mußte. Wenn der Lehrer mit den Füßen wie wütend auf den Baßpedalen der Orgel herumtrat, daß es nur so gewitterte, und die Jungfrauen von Böglisau mit Hohen Stimmen wie die Engel das" Gloria in Excelsis " fangen und der gewaltige Tonschwall noch die eigentliche Wirkung durch die Donnerschläge der großen Trommel und das Kling- eling- eling des Dreiangels erhielt, dann fühlte sich jeder Böglisauer, und wenn er sonst auch im Jahr der größte Grobian war, in feinem tiefsten Innern erschüttert und gerührt. Ohne große Trommel war also das Gloria eine einfache Unmöglichkeit. Unzulängliches zu bieten. war aber nicht Sache der Bögislauer, insbesondere nicht bei den Buzivylern, der Proben, die zwar gut zahlten, aber dafür auch meisterlose Mäuler hatten, wenns ans Kritisieren ging. Also wurde von der Böglisauer Mufit Bescheid hinauf nach Zuzwhl geschickt, daß es dieses Jahr leider nichts fei. Da tam aber ein vom Pfarrer und Bürgermeister unterzeichnetes Schreiben zurüd, welches dem Stünstlerstolz der Böglisauer start schmeichelte. Weder Kosten Weber Kosten noch Abung und Trant sollten gescheut werden, hieß es in bem Brief, wenn nur die Gemeinde Buahl wieder einmal des er­Hebenden Genusses der Böglisauer Mufit in der Christmette teil haftig werden könnte". Einem solchen Sah widerstanden auch die Musikanten von Böglisau nicht und so überlegten sie sich die Sache noch einmal. Aber es wollte fich fein Austveg finden. Ta fiel mitten in den fruchtlosen Beratungen, wie die Lüde ausgefüllt tverden könnte, plöblich die Frage: Und der Köbeli?"

Da atmeten alle auf. Das war die Lösung. Der Köbeli war ein Bürschlein von 10 Jahren und der älteste von neun lebendigen Geschwistern. Sein Vater war ein Lump, feine Mutter eine gute Frau und deren ganzer Stolz der Köbeli. An ihrer Stelle führte er oft das Regiment im Haushalt und hielt, jo gut es ging, die Ordnung aufrecht. Ecine Autorität wurde von Peinem der fleinen Geschwisterschaft angezweifelt und wenn es nicht anders ging, hieb er energisch mit einem Stecken dazwischen. Ileber Teinen Menschen im ganzen Dorf wurde fobiel geredet, wie über den Köbelt. Es bildeten sich zwei Parteien, die eine für, die andere gegen ihn. Die einen fagten, er würde zum mindesten einmal Nationalrat oder so etwas, und die anderen hielten thn für einen Erzschlingel, der schon früh mit dem Landjäger Bekanntschaft machen würbe. In der Schule war er immer der erste, aber der Lehrer hatte auch keine rechte Freude mit ihm. Der Köbeli konnte nämlidy amit seinen zwei großen, hellen Augen, seiner fühn in die Lüfte stehenden Rafe und bem schmalen Mund, in deffen Winkeln es immer ein wenig lächelte, ein solches Lausbubengesicht machen, daß e3 den Lehrer und vielen ehrbaren Böglisauer Bürgern beuchte, der Nobeli mache fich eigentlich fortwährend über fie luftig. Aber feine Talente fonnte thm niemand bestreiten. Der Köbeli fonnte einfach alles. Er inte pfeifen und jobeln, wie kein Bub im Dorf, schnitte fielzeug für seine Brüder und Schwestern, versah izcrisches Diminutiv für Jaköbli, Jakob,

Kober,

den Schlegel auf das Fell sausen lassen müsse und wie er beim Piano nur ganz sanft, mehr streichend als schlagend, den Schlegel zu führen habe. Das schwierigite war die Erklärung, wie er int Gloria zu gleicher Zeit die Trommel mit der Rechten und der daran hängenden Triangel mit der Linken zu schlagen habe. Der Köbeli verzog während dieser Unterweisung feine Miene. Man sah ihm nicht an, ob ihm die Sache schwer oder leicht vortam. Als aber einmal ein Versuch mit dem Introitus", dem ersten Stück der musikalischen Meffe, gemacht wurde, da handhabte der Köbeli feinen Bautenschlegel und den Stahlstab des Triangels mit einer Virtuofität, als ob er in seinem Leben nie etwas anderes getrieben hätte. Daß man auch nicht gleich auf den Gedanken verfallen war, den Köbeli als Ersatz für den kranken Schreinertari zu holen!

Die Christmette in Zujtohl begann ebenso wie die in Böglisau um 12 1hr in der Christnacht. Um 9 Uhr marschierten die Bög­lisauer Musikanten ab. Es war sternentlar und der Schmee fo hart gefroren, daß es ein leichtes Gehen war. Die große Trommel trug alle Viertelftunde ein anderer dem Köbeli. Er hatte einen großen, von der Mutter gestridten Shawl um den Kopf gewidelt und seine ganzen Gedanken beschäftigten sich nicht etwa damit, ob er auch mit Ehren bestehen würde, sondern mit den Genüffen, die nach der Christmette seiner warteten. Nach über zweiftündigem langsamem Steigen tauchten hinter einem überschneiten Bergvor­sprung die hellerleuchteten Bogenfenster der Zuzwohler Kirche in der internacht auf. Dann begann es mit allen Gloden zu läuten, und der Kebbeli stellte fich bor , wie er sich an dem Seil hinaufstehen laffen würde, wenn er an der großen Glode mitläuten dürfte. Vor dem Dorf machte er sich an den Schneiderhans heran, der gerade die große Trommel trug, und meinte, hier, wo der Weg eben fei, fönne er ja auch die Trommel tragen. Recht haft," fagte der Schneiderhans, der Künstler gehört zu seinem Instrument!"- nahm die Trommel ab und schnallte sie dem Köbeli auf den Rüden. Als die Musikanten bescheiden in die Kirche traten, die schon ganz gestedt voll war, und die Treppe zur Orgelempore hinaufstiegen, erregte der fleine Köbeli mit feiner großen Trommel allgemeines Aufsehen. Er war stolz darauf, ließ sich aber nichts ansehen. Oben auf der Empore mit den alten, vergoldeten Rokologittern, durch welche man die vielen Lichter in der Kirche blihen fah, hatten die Vögllsauer gerade Zeit, um die Noten herauszunehmen und fie auf die Instrumente zu stecken. Der Kobeli bekam die große Trommel auf einen alten Stuhl geftellt, wo sie mit atvei Holz­scheiten unterlegt wurde. Und dann gings los. Nie hatten die Buzwhler eine herrlichere Musik in der Christmette gehört. Der Schneiderhans blies den Kuhreigen noch nie mit folcher Rührung auf feiner Klarinette und im Gloria war es ein solches Dröhnen, Trompeten und Donnern, als ob alle himmlischen Heerscharen los gelassen wären. Das war aber alles in der Hauptsache Kobelis Kunst zu danken. Er arbeitete in allen Tonstärken und wenn die rollenden Gewitter verstummt waren, dann ließ er das gewaltige ufitgetöse auf seinem Triangel fanft ausklingen.

Kein Wunder, daß den Böglisauer Mufikanten nach der Christmette im Eldgenöffifchen Streus" nichts zu wünschen übrig blieb. Da ftand weißer und roter Wein und auf zwei großen Blatten lagen Schnitten, Schinken, Wurst und Braten in lieb lichem Durcheinander. Zum Schluß gab es Kaffee und mürbe Bregeln. Es war halb bier Uhr, als der Bürgermeister in einer Heinen Ansprache den Böglisauern dankte und dann den Lohir auszahlte. Jeder bekam ein Fünffranfitüd. Auch der Köbeli belam cins. Er hatte schon von dem Schinken, der Wurst und den Brebeln in seinen Taschen in einem besonders zu diesen 3wved mitgenommenen großen roten Taschentuch untergebracht, was er fonnte, und fühlte sich bereits reichlich belohnt. Als er aber noch das Fünffrankenstüd in der Hand fühlte, da geschah dem Köbeli etwas, was thm sonst selten passierte. Er fühlte fich faffungslos. Ein Fünffrankenstüd war für ihn etwas Unerhörtes, etwas, was schon an den Grenzen des Reichtums lag, etwas, mit dem man schon ganz Unglaubliches anfangen fonnte. Aber lange gab er sich diesen Träumen nicht hin. Sein kleines Herz durch zudte auf einmal ein Gedanke: Die Mutter! Das ist für die Mutter!

Hand noch zur Sicherheit in die Hosentasche und dachte dabei Und er hielt es fest in die Hand gepreßt und steckte die immer an die Mutter. Dann erfüllte ihn der ganze Stolz, daßt. feiner Mutter eine solche Freude machen könnte zum Thriftkind.

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Ein Fünflire! Himmel- Donnerwetter! dachte er und pudte mit einer großartigen Geberde aus.

Auf dem Heimweg mußte er aber die Trommel felber tragen. Seine fünf älteren Kollegen hatten dem Wein so zugesprochen, daß fie den Köbelt und seine Trommel faft ganz vergaßen. Sie gerieten balb ins Schwadronieren, daß fie es halt den Zuztoylextr wieder einmal gezeigt hätten, was die Böglisauer für ferle feien