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Seelengelle im Verein mit dem Richte erschließt! Wir zwingen in einer Entfernung von hundert Meilen den Lichtstrahl, aufzu­zeichnen, was unfer Stift eben dem Papier anvertraute und was der Draht in elettrijdjen Wellen eilig fortgetragen hat. Wir fönnen aber auch das Telephon givingen, uns alle Veränderungen als Bestechung. Dieser aber wies es nicht zurüd. der Helligkeit an einem Orte, der uns gar nicht zugänglich ist, treu­lich mitzuteilen, wir können die optischen Zudungen einer Bogen­lampe in tönende Laute verwandeln und können das Tageslicht givingen, das Gas oder die elektrische Lampe in einer einfam auf den Bogen schaufelnden Leuchtboje anzuzünden und wieder aus­zudrehen, wenn die Helligkeit es erfordert. Aber es wird gewiß fein Befer erwarten, daß fich fobiele feltfame und schwierige Dinge in den paar Spalten eines furzen Feuilletons verständlich machen laffen.

Der ehrliche Mann machte sich mit bundert der beffen Späher auf den Weg. Der Mandarin ahnte, daß ihm Gefahr droht, und wurde zu Tode erschreckt.

Da saudte er dem ehrlichen Manne eine große Summe Geldes

( Nachdruck verboten.)

Die Gefchichte einer Amme.

Bon W. Doroschewitsch.

Autorisierte Neberfegung von Baul Barchant. Der chinesische Kaiser Doiry- Li- Q, genannt Chao- Lou- Li- San Che- Nun, zu dentico Die Gerechtigkeit felbft", erwachte eines Morgens und fühlte sich unwohl.

Am Hofe begann man so allerlei zu munfeln. Mander hörte auch auf, den ersten Minister zu grüßen. Der Hofpoet ging an die Abfaffung einer schwungvollen Begrüßungsrede für den Nachfolger auf dem Throne.

Wie Espenlaub bebend untersuchten die berühmten Merate unter unzähligen Berbeugungen und Entschuldigingen die Majestät und flisterten unter einander, Entsetzen auf den vor Ehrfurcht und Ernst langgezogenen Gesichtern. Der Oberarzt stürzte der Majestät zu Füßen und rief aus:

D, vergönne mir, Trost der Menschheit, die volle Wahrheit zu fpreden!"

Rede"

" Sohn des Himmels, in Deiner unfaßbaren Gnade fteigst Du bisweilen zu uns Menschen hernieder und geruhi die nämlichen Krankheiten anzunehmen, an denen die verächtlichen Sterblichen leiden. Heute ist der Tag Deiner huldvollsten Herablaffung; so höre denn: Du hast Dir den Magen verdorben."

Die Majestät war höchft bestürzt.

Sollte es möglich sein? Zur Nacht habe Jch nichts getrunken außer der Milch von Memer Amme. Jhr wikt ja. Jch nähre Mich feit den 360 Monaten Meiner Regierung mit der Mitch von Ammen, fo wie es mir geziemt. Ich habe auch 360 Ammen gewechielt und noch nie ist mir ähnliches jugestonen. Wer forgt für das Effen der Amme? 1"

Es wurde sofort eine Untersuchung angestellt. Es erwies sich jedoch, daß ihr nur die besten Speisen gereicht waren, und obendrein in geringen Doien.

Sollte sie von Natur frant fein? Bo find sie, die fie Mir ausfindig gemacht?! Man föpie fie!"

Sie wurden geföpft. Dann aber stellte es sich heraus, daß die Amme terngeiund war.

Da ließ die Majestät die Amme felbft holen.

Bodurch wurde Deine Milch verdorben?" fragte Er streng. Sohn des Himmels, Wohltäter der Menschheit, Gerechtigkeit felbst!" versetzte die Amme bebend. Niemand hat mir ichlechte Speise gereicht, noch habe ich selber zu viel zu mir genommen. Auch von Geburt aus bin ich mit feiner Krantheit behaftet. Nur dadurch wurde meine Milch schlecht, da ich immer daran denten muß, was bei mir dabeim vorgeht."

Dreimal wechielte der Mond am Himmel und der ehrliche Mann mit seinen hundert Gebülfen untersuchten noch immer. Und da der vierte Monat zur Neige ging, erichien der ehrenhafte Mann vor der Majestät, stürzte ihr zu Füßen und begann:

"

Will die Gerechtigkeit selbst die volle Wahrheit erfahren?" Die volle!" befahl die Majestät.

Wenn es auf der ganzen Erde, die nur Dir allein zukommt und sonst niemand, einen Winkel gibt, um den man weinen dürfte, fo ift er die Proving Bee- Tichi- Li. Oh, Sohn des Himmels! Selbst dem bittersten Drachen müßte es Tränen entloden. In der ganzen Broving bitten alle um Almojen, und niemand ist da, der ein Almojen reichen könnte, denn alle bitten darum. Die Häuser find eingeäichert, die Reisfelder liegen bracht. Und dies nicht etwa, weil fich die Einwohner der Faulheit ergeben, fondern weil ihnen der Mandarin alles entreißt, was sie sich durch ihren Schweiß erworben haben. Beim Gericht findet man feine Gerechtigkeit, und nur der behält recht, der der Habgier des Mandarins am meisten opfert. Die Zeiten, da gute Girten geherricht haben, find längst vergeffen. Sobald Ki- hi nur ein Mädchen fiebt, deren Blid ibn im Vorüber gehen streift und an der er Wohlgefallen gefunden hat, da entreißt ez sie dem Bater, der Mutter Ja, nicht nur Mädchen, selbst verheiratete Frauen nimmt er."

Nicht möglich!" rief die Majestät aus.

Richt nur der Mond, auch die Sonne fönnte aus der Wahrheit meiner Worte leuchten," verfegie der ehrenhafte Maun. Alles, das im hier geiproden babe, ist lantere Wahrheit. Die gierde Deiner verrichaft, die Blüte der Provinzen, die Provinz Pe- Lichi- Li, geht zugrunde!"

stürzung und Trauer. Die Majestät griff nach dem Haupte, zum Zeichen tieffler Be

Man muß nachdenken, was zu machen ist, man muß nachdenken." felbit aber entfernte Sich nach Seinem Gemach, ging in Zimmer auf Er befahl dem ganzen Hof, in der großen Halle zu warten. Er und ab und dachte nach. So verging der ganze Zag. Als der Abend heranbrad, trat Er vor den veriommelten Hof, nabm feierlich unter dem Baldachin Blaz und während alle mit dem Gesicht zur Erde fielen, verkündete er alio:

Um die Provinz Be- Tichi- Li steht es sehr schlimm und daher bestimmen Wir: Man nehme nie mehr aus dieser Provinz eine Amme für die Majeität."

Und seitdem nimmt man nie mehr aus der Proving Be- Licht­eine Amme für die Majestät.

Kleines feuilleton.

ist ein halbes Jahrhundert dahingegangen seit dem Tage, an dem Bom Harfenmädchen zur großen Tragödin. Am 4. Januar das Leben der größten französischen   Schauspielerin, der Rachel, geendet hat. 37jährig erlag die förperlich schwäch iche Frau, deren unscheinbare Gestalt nur durch die Glut einer auflodernden Feuer­feele zu dämonischer Größe entfacht wurde, den Aufregungen, in die sie durch zwanzig Jahre ihre Kunst, der Ruhm und ihre un­bezähmbaren Leidenschaften gestürzt hatten. Sie stammte aus einer armen jüdischen Schweizer Familie und war mit den Eltern nach Paris   gekommen, wo sie auf den Straßen mit zitternder Stimme zur Harfe sang, um den Vorübergehenden ein Almosen Was geht denn bei Dir daheim vor?" fragte die Majestät. atzuloden. Ganz unwissend, kaum der französischen   Sprache recht Ich bin aus der Provinz Be- Tichi- Li gebürtig, defien Ber  - mächtig, versuchte sie fich zur Eängerin auszubilden und ceregte waltung Du dem Mandarin Ri- Ni anzuvertrauen die Gnade hatteft. Er aber wüter dort fürchterlich. Unfer Haus hat er verkauft und das Geld an sich gerissen, weil wir ihm feine io hobe Bestechung geben fonnten, wie er fie von uns gefordert. Meine Schweiter nahm er als Rebsweib, und damit der Mann sich nicht beschwerte, fieß er ihm den Kopf abschlagen. Dann ließ er auch meinen Bater löpfen und warf meine Mutter in den Kerker. Und so wie mit uns, so verfährt er mit allen. Wenn ich an all das nur denfe, muß ich weinen; daher wurde meine Milch schlecht."

Die Majestät wurde höchst zornig.

Er ließ alle Räte versammeln. ts fle vollzählig erfchienen waren, befahl Er strengstens: Sofort einen ehrenhaften Menschen auffinden!"

Man fand einen solchen.

Da sprach zu ihm die Majestät alio:

war nicht durch ihre Stimme, aver durch die Eigenart ihrer Persönlichkeit das Interesse des Schauspielers Saint- Aulaire, der ihr den ersten schauspielerischen Unterricht erteilte. Raum sieb zehnjährig tam sie an die Comédie- Française und fand hier die Bühne und die Stücke, die ihre große Seele mit neuen Inhalten erfüllen sollten. Ein eingeborener Trang nach Größe und Bathos trieb diese heroische und wilde Natur zu den Werken der großen klassiter, die die Romantik damals eben endgültig abgetan zu haben glaubte. Wie ein Geist der Rache erhob sich aus dem Lager der Romantit selbst die große Künstlerin, die den Heldinnen der Corneille und Racine die düftere Wut und die träumende Leiden­schaft ihres Zeitalters einzuhauchen verstand. Die Alegandriner, die Théophile Gautier   für eintönig und langweilig erklärt hatte, erhielten fortstürmende Lebendigkeit, die Gestalten im flassischen Faltenwurf wurden durchströmt von dem heißen Blut eines ge­waltigen Fühlens. Mit der schwülen Wildheit ihres Tempera melancholisch graufigen Grundzug ihrer Kunst wurzelt die Rachel durchaus im Romantischen, wie es die Victor Hugo   und Alexandre Tumas der Aeltere geschaffen; aber die ergreifende Wahrheit ihres Echmerzes, die Hogeit einer Richterin, die in ihr lag, hoben ihre Schauspieltunst in das Gebiet jenes reinen geschlossenen Stils, der den antiken Tragikern wie den Eichtern aus der Zeit Ludwigs XIV. gemeinjam ift. Der rätselvoll faszinierende Ein­drud, der von ihrer Gestalt ausging, läßt sich heute ebenso wie die Erscheinung Paganinis   nur schwer definieren, aber die Zeit

Der Mandarin Mei- hi, den Jch als höchften Vollstreder Meines Billens nach der Provinz Be- Tichi- Li gefchickt, hat dort soviel Un- ments, der unheimlich grandiosen Düfternis ihres Wesens, dem heil gestiftet, daß bei meiner Amme jogar die Milch verdorben wurde. Reise sofort dort hin, stelle in Meinem Namen die strengste Unterinchung an, und dann berichte Mir alles. Jedoch Jch warne Dich, verhehle Mir nichts und übertreibe auch nichts. Die Wahrheit foft aus Deinen Worten leuchten, wie der Mond leuchtet aus dem stillen, schlummernden See. Du weißt, wenn Du in einer stillen Nacht hineinblickst. Du lannst nicht unterscheiden, wo der wirkliche Mond ist und wo sein Spiegelbild- im See oder am Himmel. Zegt geb'1