lunst stecken aber zugleich malerische und dekorative Werte, die be- deutungsvoll erscheinen. Die Zeichner des..Simplicisfimus" traten in seine Fußstapfen. Und selbst der literarische Stil unserer Zeit(stehe Ludwig Thoma  ) ist von ihm, der auch im Vers sich feinen eigenen Stil schuf, beeinflußt. Der Lausbub Ludwig Thoma's   ist weiter nichts als eine Uebertragung des Max und Moritz   und des Hans Huckebein   ins Literarische, und den scharfen, harten und wie willkürlich gesetzten Strichen, Schnörkeln und Klecksen einer Zeichnung von Busch entsprechen die kurzen, knappen Sätze Ludwig Thoma's  . Ja, man kann sagen, es täte der Literatur gut, ginge sie bei Busch noch mehr in die Schule, um Prägnanz, Schärfe, Charakter zu gewinnen und immer mehr sich dem Leben zu nähern, ihm gerade und furchtlos ins Gesicht zu sehen und aus dieser Betrachtung des Lebens einen eigenen, literarischen Stil zu gewinnen. Wie alles plötzlich und seltsam in Büschs Leben war, so auch das Ende. Lange vor seinem wirklichen Tode ist er gestorben. Ein seltener Fall, daß sich ein Talent, ein Genie, das von allen Seiten anerkannt und gepriesen wird, von selbst ein Ziel setzt und aufhört mit dem Schaffen, wo alle Welt von ihm noch viel erwartet. Ja, so energisch trennte sich Busch von seiner Kunst, daß er unliebsamen Fragprn gegenüber tat, als wisse er aar nichts von seinen Schöpfun- gen. Er selbst war sich unverstänolich geworden, er wollte von seinem früheren Schaffen nichts mehr wissen und konnte nicht begreifen, daß die Welt davon so viel Wesens machte. Merkwürdig wie seine Faulheit war sein plötzliches, beinah eruptives Schaffen, und ebenso merkwürdig war das Aufhören. Dieses Werk, das die ganze Welt bewunderte, trennte er selbst von sich mit einer phleg- matischen Kaltblütigkeit, die unerklärlich scheint, man müßte denn eine dickköpfige Hartnäckigkeit, die sich um das llrteil der Welt den Teufel kümmert, als Grund annehmen. Nun er wirklich starb, wundern wir uns, daß er noch lebte. Aber sein Werk lebt. Und daS ist doch schließlich das Ausschlaggebende. kleines feuUUton. Die Kälber und der Wolf. Ein politisches Märlein von Fedor Solojub. I» eine Herde war ein Wolf eingebrochen und begann die Kälblein und die Zicklein wegzuraffen. Er schleppte sie weg, immer mehr und mehr, zerriß sie mit den Zähnen, zerfetzte sie mit den Krallen, zerrte sie nach dem Wald und fütterte seine Wolfsbrut mit dein Fleische der Kälblein und Zicklein. Und er war so groß, und er war so böse, und er war so grau. Nun, da schaffte man. wie so üblich, die bissigsten, allerbissigsten Hunde an. Die Hunde schnüffeln um die Herde herum, bellen die Rächte hindurch, lassen die guten Kälblein nicht schlafen; nur der Wolf macht sich aus ihnen herzlich wenig. Er schleppt und schleppt die Kälblein und die Zicklein fort, iininerfort. So groß, so böse, so grau er war. Einmal stand da die Kuh«nd kaute, was ihr zukam, bewegte gemächlich ihren Kuhschwanz, blickte aus stumpfen Augen auf das Gras und dachte an nichts und wieder nichts. Da horte sie, wie ihr junger Kuhsohn, das garte Kälblein, also sprach: Wir jungen Kälblem und Zicklein müssen jede Hoffnung auf unsere Hunde aufgeben. Nie und nimmer werden sie unserem argen Erzfeind, dem grauen Wolf, beikommen, umsonst ist all ihr Gekläff, schrecken nur noch unsere Kleinen. Da ging aber gestern der Fremde vorüber, und wir hörten von ihm das listige Wort:In der Einig- kcit ist die Kraft." Und so sind auch wir übereingekommen, brave, gute Kälblein und Zicklein, wollen wir uns alle zusammentun, auf nach dem Walde, in die Wolsshöhle hinein, erwürgen wir den bösen grauen Wolf, machen wir der argen Wölfin den Garaus und die Wolfsbrwt wollen wir auch nicht schonen". Die Kuh bewegte gemächlich ihren Kuhschwanz, kaute, was ihr zukommt, guckte aus das Söhnlein, so stumpf sie konnte und sprach zu ihnen das leise Kuhwort: Segne Gott unsere Kälblein, auf daß sie den Wolf verjagen. Doch sagt mir mein Verstand, daß ihr nichts ausrichten könnt. Ihr rennet selber dem Herrn Wolf in die Klauen, euch allen wird der Herr Wols eure gottergebenen Seelen ausblasen. Denkt doch lieber an das alte erprobte Sprichwort:Bleibe zu Hause und nähre dich redlich I" Doch daö Kubsöhnlein, daS junge verwegene Kälblein, hörte nicht aus sie. Und ganz recht tat es daran. Alle Rälblein und Zicklein der Herde versammelten sich, machten sich auf nach dem Wald zum grauen Wolf, umzingelten seine verdammte Höhle und zerstampften mit den Hufen die ganze Wolfssippe. Und alsdann verjagten sie auch die Hunde, auf daß sie die Nächte hindurch nicht bellten und den Kleinen Angst einjagten. Theater. Kleines Theater: Der König Kandaule«, Drama in drei Akten von Andrä Gide, deutsch von Franz Blei  . Der französische   Verfaffer Gide  , der zum Kreise der Parnassiens und Symbolisten gerechnet wird, mag das GygeSdrama, in den» Friedrich Hebbel   den gleichen Sagenstoff gestaltete, nicht gelesen haben. Zu seiner Ehre sei es angenommen. Dies ragende Gebäude kennen und dann noch eine solche Puppenstube auszuschnitzeln und ihr gegenüber aufzustellen, würde einen nicht mehr leicht denkbaren Grad von Urteilslosigkeit verrateu. Hebbel   hat den Mythus von de:: orientalischen König, der dank einen: unsichtbaren Zauberring seinen Freund die hüllenlose Schön- heit der Königin im ehelichen Schlafgeiuach schauen läßt, und die dann als Opfer ihrer Rache heischenden beleidigten Scham fällt, ins Großsymbolische erhoben. DieKönigin, dem fernen geheimnisvollen In- dierland entstammend, erscheint bei:hm als Repräsentantin einer träum» umfangenen Seelenart, die ihr Gepräge völlig durch überkommenen Glauben, überkommene Sitte erhalten hat und jede Abweichung davon als Auflehnung wider ein Heiliges empfindet. Dcn Kandaules aber formt er, das häßlich Brutale seiner Handlung nach Möglichkeit abmildernd, zu einem Typ beweglich leichten Denkens, das die Scheu vor dunkeln, in jahrhundertealten Traditionen wurzelnden Instinkten zweifelnd unterhöhlt. In diesen: Sinn begeht er die Tat. Wenn dann im weiteren dramatischen Verlauf die Zuspitzung der Gegensätze, echt Hebbelsch, so weit fortgetrieben, die begrenzte Schuld so weit gesteigert wird, daß das unmittelbare Empfinden des Zuschauers schließlich nicht mehr mitgeht, kann der Verstand trotz allem dem Eindruck wuchtiger gedankenschwerer Kraft sich nicht entziehen. Was Andre Gide   mit der dramatischen Behandlung jener Fabel wollte, bleibt schlechthin unklar. Der Name des deutschen Essaisten, der das Stück übersetzt hat, schien zu verbürgen, daß die Dichmng wenigstens durch irgend eins besondere, für das moderne Deka- dententum charakteristische Nuance ausgezeichnet sei. Doch auch danach sucht man vergebens, wenn nicht etwa die erotische Spekulation in der Ausmalung der Schlafzimmerszene als Merkmal der Modernität passieren soll. So belanglos die Personen, so gänzlich unmotiviert find die Vorgänge. Nirgends eröffnet sich ein Ausblick auf allgemeine Hintergründe. Aus dem Gyges, der bei Hebbel Candaules treuester Genosse ist, macht Gide   einen Fischer. dem der König ein paar Stunden vor der Schlafgemach- szene zum ersten Mal begegnet ist. Dadurch wird die Handlung von vornherein bis zum läppischen unwahrschein- lich. Und warum faßt der Gidesche König auf einmal solche Zuneigung zu den: Fremden? Weil er. waS Majestät bei keinen: seiner Untertanen für möglich gehalten hatte, veritabel arm ist, und tveil er sein Weib, als es des Ehebruchs bezichtigt wird, ohne ein Wort zu sagen, niedersticht. Das steigert nur des guten Königs Mitgefühl. Plötzlichkeit ist überhaupt d:e starke Seite der Figuren. Der eben Witwer gewordene Fischer wirft sich am Morgen nach der Nacht, da er den Anblick der Königin hat ge- nießen dürfen, ihr zu Füßen, schwört Liebe, erzählt die Schuld des Königs, wird als Rächer akzeptiert, durchbohrt ÄaudauleS und ist dann zwei Minuten später Rodopes Gatle und König des Reiches. Er ftihrt sie zur Tafel und heißt sie sich verschleiern. Sie aber, die Fanatikerin der Scham, trumpft da auf einmal ganz ge» waltig aus. Mit der Verhüllung ihrer Schönheit sei es jetzt vorüber! Vermutlich lvird sich die verletzte Unschuld zu einer Messalina   häuten. Diese Schlußpointe kommt dermaßen abrupt, daß sie bei der Vor- stellung starke Heiterkeit hervorrief. Interessante schauspielerisch« Leistungen waren bei der zerfahrenen Art des Stückes ausgeschlossen. ät. Literarisches. Friedrich Spielhagen  : Ausgewählte Werke. (L. Staackmann. Leipzig   1907.) Dichter find Phantasiemenschen, daher meistens schlechte Mathematiker. Mit dem Studium der Philosophie, Juristerei und Medizin war es bei dem jungen Spiel» Hägen, wenn nicht ähnlich bestellt, so doch auch nur so lange ertrag» Iick>. bis aus dem Träumer, aus dem für die Welt HomerS   schwärme» risch Hingegebenen der wagemutig ins blühende Leben hineinstürmende Kämpfer geworden. Er ging durch die Schule der Erfahrung, indem er bald als Schauspieler, bald als Hauslehrer, bald auch alS Journalist und Redakteur sein Brot verdiente. Aber das waren ja doch nur Durchgangsstadien der künstlerischen EntWickelung. Von dem Moment an, Ivo sild Spielhagen seiner dichterischen Schöpfer- kräfte bewußt ward, strebte er auch nach Unabhängigkeit und Freiheit. Er bringt also nicht bloß Talent, sondern auch einen sich im Sturm stählenden festen Charakter mit. Ungesundes hastet nicht an ihm, oder es wird energisch weggeworfen. damit der Blick ein Bild des Weltganzen gewinne. So leicht ist das nicht. Man muß auch politisch denken, muß die menschlichen und Wirt- schastlichen Verhältnisse, muß daS Volk nach seinen Ständen und Klassen, nach seinen Begierden und Leidenschaften, Zielen und Be- dürfnissen kennen kernen. Das alleserfordert den zähen Willen zur Macht des Wissens; und bedarf der allumfassenden Liebe nicht minder. Beides sind die Pole des Welterkennens und Menschenumfasiens. Ein eigener selbständiger Denker und Gestalter muß einer schon sein. um alle Erscheinungen richtig zu verstehen. Je tiefer er in das Wesen der Dinge zu schauen vermag, je klarer er über sich selbst ist. desto sicherer kann er die eigene Persönlichkeit behaupten. Jeder Bildner sieht die Menschen und die Verhältnisse stets nach dem Maße seiner Individualität. Je stärker diese ist, desto markanter hebt sich die jeweilige Umwelt ab. Daß der Dichter oder Künstler sich auch an den politischen und sozialen Kämpfen des TageS praktisch betätigen müffe, ist nicht unbedingt erforderlich; daß er aber mit seiner ganzen Anteilnahme dabei stehe, um sie auch künstlerisch verarbeiten zu können, das ist