Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 13.
Sonnabend den 18 Januar.
1908
Sturm.
Lang schon lag auf der Lauer, Leiſe faufend,
Heimlicher Sturm.
Plötzlich näher und näher brausend Ueberfällt er die Welt.
Frühlingsichauer
Bringt er dem atemichöpfenden Cand. Sturm!
Was in verzehrender Sehnsucht harrte, Schier begraben in schweigender Qual, Was die luftspiegelnde Hoffnung narrte, hebt die Häupter mit einemmal.
Januar 1908.
Aus der lähmend erzwungenen Stille Endlich laut gebrochenem Bann Schwillt des Lebens erlöfender Wille Wieder höher und höher an.
Denn nur hörige dulden gelaffen, Was des Rechtes Würde verhöhnt, Freiheitliebende Menschen hallen, Was die Unbill mit Unbill krönt.
Seht, ein Sturm ist langsam gekommen, Heuer bläit er gewaltig ins Horn, Wer hinhorchte, hat längit ihn vernommen Länder reinigt fein herrlicher Zorn.
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( Nachdrud verboten.)
Schilf und Schlamm.
Roman von Vicente Blasco Jbanez. Der alte Vagabund betrachtete sich nunmehr als den geschicktesten Mann des ganzen Albuferasees. Die Gemeinschaft der Fischer von Balmar mußte einer alten Gewohnheit zufolge für jede Otter, die man ihr vorlegte, einen Duro zahlen. Der Alte erhob seinen Preis, blieb aber dabei nicht stehen. Das Tier war ein Schap; er zeigte es den Leuten am Hafen von Catarroja und am Safen von Silla, ja, er ging bis nach Sueca und Cullera , sodaß er förmlich einen Triumphzug um den See veranstaltete.
Ueberall wurde er hingerufen, und es gab keine Schänke, wo man ihn nicht mit offenen Armen empfing.
,, Kommt doch herein, Onkel Sangonera, zeigt uns das schöne Tier, das Ihr erlegt habt."
Dann holte der Vagabund, nachdem et sich die Kehle mit zahlreichen kleinen Gläschen befeuchtet, liebevoll unter seinem Mantel den weißlichen; stinkenden Körper des armen Tieres hervor, ließ seine Haut bewundern und gestattete, daß man ihm mit der Hand über den Rücken fuhr aber vorsichtig bitte um sich von dem feinen Fell zu überzeugen.
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Nie hatte der kleine Sangonera, feit er zur Welt gefommen, so zärtlich in den Armen feines Vaters gelegen, wie dieses schmutzige Tier. Doch die Tage vergingen, und die Leute bekamen schließlich von der Otter genug. Niemand gab mehr etwas aus, um sie zu sehen, nicht einmal ein armseliges Glas Schnaps, und bald wollte sogar niemand mehr in eine Schänke treten, bevor sie Sangonera nicht verlassen hatte, denn er vergiftete alle Welt mit dem unter seinem Mantel hervordringenden Geruch.
Bevor er sich endgültig des Tieres entledigte, 30g er noch einmal Nußen daraus, indem er es in Valencia einem Naturforscher verkaufte, der es ſezieren wollte. Dann erzählte er jedermann von seinem neuen Berufe; er würde jett Otternjäger werden.
Nun legte er sich mit dem Eifer eines Menschen, der dem Glücke nachjagt, auf die Suche nach einem zweiten Tier.
Der von der Gemeinde erhaltene Breis, die Woche beständigen, unentgeltlichen Rausches, und dazu der wahrhaft fönigliche Empfang, den man ihm überall hatte zuteil werden laffen, gingen ihm nicht aus dem Sinn. Indessen wollte sich die zweite Otter nicht fangen lassen. Manchmal glaubte er fie in den entlegensten Stellen des Sees zu bemerken, doch sie versteckte sich sofort, als hätten sich alle Verwandten der ersten die Nachricht von dem neuen Beruf Sangoneras mitgeteilt.
In seiner Verzweiflung fing er an, auf Rechnung der neuen Otter zu trinken, die er fangen sollte, und das war ihm mehr als einmal passiert, bis ihn einige Fischer eines Nachts tot im Stanal fanden. Er war in dem Schlamm ausgeglitten und hatte in seinem Rausch nicht mehr herausgekonnt. Er blieb im Wasser und lauerte nun für ewig auf feine Otter.
Der Tod von Sangoneras Vater hatte zur Folge, daß dieser sich endgültig im Hause des Pfarrers einnistete und gar nicht mehr in seine Hütte zurückkehrte. Die Vikare folgten sich in Palmar, denn es war ein Dorf für Strafversehung, und alle flohen, sobald es ihnen möglich, diesem erbärmlichen Ort.
Sämtliche Geistliche nahmen, wenn sie von der Kirche Befit ergriffen, auch Sangonera, wie ein zum Gottesdienst unbedingt notwendiges Requifit, an. In der Gegend war er allein imstande, die Messe zu bedienen. Wenn er so bedachte, daß er der einzige war, der nicht mit der Ruderstange arbeitete und nicht die Nacht auf dem Albuferasee verbrachte, so empfand er einen ungeheuren Stolz und betrachtete die anderen mit tiefer Verachtung.
Sonntags bei Tagesanbruch eröffnete er, mit hocherhobenem Sereuz, beim Rosenkranzgebet den Zug. Männer, Frauen und Kinder zogen singend in zwei breiten Reihen mit langsamen Schritten durch die einzige Straße des Dorfes und gingen um jedes Dorf herum, um die Beremonie zu vers längern. In dem verschwommener Lichte des Tages, der zu