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haus für immer verlassen, weil es ihm widerwärtig war, ansehen zu müssen, wie seine Herren ganz andere Grundsäße hegten, als sie in den Büchern, die sie lasen, verzeichnet waren Sie waren genau wie alle anderen; auch sie quälte der Wunsch nach dem Besitz des Nachbarn, sie dachten an das Essen, an die Kleidung, flagten unaufhörlich über den Verfall der Frömmigkeit, wenn fein Geld in ihren Klingelbeutel fiel, sorgten für den nächsten Tag und zweifelten an der Güte Gottes, der seine Geschöpfe nie verläßt.
Er hatte den Glauben, er lebte von dem, was man ihm gab oder von dem, was er fand. Auch nicht eine Nacht hatte ihm eine Handvoll Stroh, gefehlt, mit der er sich sein Bett hatte machen können, und nie verspürte er so großen Hunger, daß er vor Schwäche umgefallen wäre. Der Herr, der ihn am Ufer des Sees hatte geboren werden lassen, hatte ihm auch alle Mittel zum Leben gespendet, damit er ein wahrer Gläubiger bleiben fonnte.
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den alten Bauern, den Dienstmädchen mit dicen Baden und den fleinen pausbädigen Kindern, die als Kunden aus- und eingehen, bei den Stelzbeinen und allen Mütterchen, die nachdenklich verträumt auf der Bank sizen und warten. Als Spißweg seine Malerlaufbahn begann, da hatte er schon sein Stoffgebiet gewählt und manche Stizze, manches sauber ausgeführte Blatt gezeichnet; er schloß sich aber nun an die alte Münchener Tradition an, die schon seit langem neben der offiziellen idealen Malerei blühte und gerade damals in Bürkels fräftiger stunft fich Geltung verschaffte. Es waren das die Dillis, Wagenbauer, der Tiermaler Domenico Quaglio mit seinen feinen Architekturen, der bisweilen so föstliche humorvolle Peter Heß, und Adam, der Soldatenschilderer. Sie alle hatten noch vom Rococo gelernt, von seiner hellen luftigen Harmonie; sie studierten an den alten Niederländern die Delifatesse farbiger Wirkung und die Feinheit des Pinselstriches. Spitzwegs besonderer Lehrer war Eduard Schleich , mit dem er zum Studium der Natur auszog und von dem er die gesättigt warme Beleuchtung der Landschaft lernte. Mit Schleich hat er auch 1851 eine Studienreise nach Paris , London und Antwerpen gemacht; aber am liebsten wanderte er doch durch die kleinen Städtchen, in denen sein Auge so viele entzüdende Motive und eine ganze runde Welt des Schönen zu finden wußte, nach Nördlingen oder lieblichen Wunder Rothenburg a. d. T., kurz überall dahin, wo Dinkelsbühl , nach Meersburg oder Landsberg , vor allem nach dem man auch heute noch ein Etwas von seinem Geiste walten und sich regen sieht, und saß dann still in seinem Atelier, drei Stiegen hoch, wo die alten Giebel miteinander Zwiesprache halten und von wo man das weite Land und die blauenden Berge sehen kann, malte fleißig und unermüdlich vor sich hin, schwer von seinen eigenen Leistungen befriedigt, stets bereit, mit dem Messer dreinzufahren und auszumerzen und von vorn anzufangen, und doch ein Bild Jeder hat sein besonderes Vergnügen. Er fannte fein nach dem anderen sich zur Freude schaffend und den Bielen , die größeres, als die Schönheit der Dehesa zu betrachten. Andere in liebten und ehrten. So hat er gemalt, bis er nicht weit entfernt war von dem Alter seines erlauchten Malerpatrons Tizian , schwärmten für das Geld, und er weinte oft in Beund dann hat ihm der Tod den Vinsel aus der Hand gewunderung eines Sonnenunterganges, wenn die Feuchtigkeit nommen.... der Luft zur Stunde der Dämmerung, die auf dem See noch schöner war, als auf dem Festlande, die Feuer der Sonne langsam auflöſte. Die Schönheit der Landschaft drang ihm in die Seele, und wenn er sie durch mehrere Gläser Wein betrachtete, so seufzte er gerührt wie ein fleines Kind. Er wiederholte es noch einmal, jeder nimmt sich da sein Vergnügen, wo er es findet. Canamel z. B., indem er unnüß Geld aufstapelte, und er, der mit so großem Entzücken den Albuferasee betrachtete, daß sich in seinem Haupte schönere Lieder erhoben, als man sie je in den Schenken hörte; er war überzeugt, wenn er wie die. Stadtherren lebte, die in den Zeitungen schrieben, er fönnte, wenn er getrunken hatte, ganz merkwürdige Dinge erzählen.
Tonet lachte über Sangonera. Wenn er so rein war, warum betranf er sich dann? Schickt ihn Gott von Schenfe zu Schenke, damit er später mit dem schwankenden Gange eines Trunkenboldes auf allen Vieren wie eine Stage troch? Doch der Vagabund verlor nichts von seinem feierlichen Ernste. Sein Rausch schadete niemand, und der Wein war etwas Heiliges. Schon darum, weil er tagtäglich beim Gottesdienst benutzt wurde Die Welt war wahrhaftig schön, aber durch zwei Gläschen Wein gesehen, war fie heiterer, strahlte in lebhafteren Farben, und man mußte ihren allmächtigen Schöpfer noch mehr bewundern.
( Fortsetzung folgt.)
Der Maler der deutschen Kleinstadt.
( 8u Spikwegs 100. Geburtstag, 5. Februar 1907.) Karl Spitzweg , dessen 100. Geburtstag am 5. Februar in den Herzen die Erinnerung an den liebenswürdigen Maler deutscher Kleinstädterei wieder wachruft, war ein echtes Münchener Kind. Gar nicht weit von der Stelle, auf der der alte Peter, Münchens ehrsames Wahrzeichen, steht, hat auch sein Geburtshaus gestanden, und der stillzufriedene, behagliche Geist echt bayerischer Gemütliche teit hat über seinem Leben wie über seiner Kunst gewaltet. Der Vater wollte nichts wissen von des Sohnes Neigungen zur Kunst; er ließ ihn Apothefer werden, und in der Münchener Hofapotheke hat der junge Spitzweg Lehr- und Provisorjahre verbracht. Man fagt bekanntlich den ehrsamen Herren Villendrehern nach, daß fie einen besonderen Vogel im Kopf hätten, und des Schnurrigen, Kuriosen und Kaußigen schwirrte wohl genug unter den Fläschchen und Mixturen herum, früher noch mehr denn jetzt. Die beiden großen Apothekerlehrlinge der modernen Literatur, Ibsen und Fontane , haben hinausverlangt aus der engen Welt des Ladens; Spißweg wußte seinem Berufe die besten Seiten abzugewinnen. Lange Jahre hat er hinterm Ladentische gestanden, bis zum achtundzwanzigsten, bis der Vater starb und ihm die Freiheitsstunde schlug, die verschwiegenen Wünsche seines Innern ans Licht zu bringen. Das Behutsame, fein Abwägende, sorgsam Mischende, mit dem der Apotheker seine Tränklein bereitet, ist ihm auch in feiner späteren Malarbeit eigen geblieben. Da hantierte er brummig und doch im Innern feelenvergnügt in seiner wunderlichen Werkstätte herum, strichelte und fragte wieder aus, bis endlich aus all den sonderbaren Prozeduren, unter Schimpfen und Stöhnen ein solch buntes blankes Wunderding von einem Bild fertig war, das dem grämlichen Meister selbst ein befriedigtes Lächeln ablodte. Gern ist der Maler Spitzweg immer wieder eingekehrt in dies krause und absonderliche Milieu seiner Jugendjahre, bei der altertümlichen Architektur des alten Hauses, bei dem gemütlichen Herrn Prinzipal und dem gewichtigen Provisor, bei
Spißweg war fein originaler großer Künstler, der ein neues Empfinden, ja nur eine eigenartige Note in die Kunft gebracht hätte. An Ursprünglichkeit des Gefühls, an Stärke und Fülle der Phantasie überragen ihn Schwind und Richter, von denen beiden er mancherlei gelernt hat. Besonders dem Freunde Schwind ist er in manchen romantischen Nachtszenen, in Serenaden und Märchenftimmungen gefolgt. Das Romantische lockte ihn nicht, nicht zog's ihn zum Schweifen in ferne Traumlande, noch nach den dämmernden Fernen der Vergangenheit. Wo er alte Einsiedel und Mönche, Herenspuk und Nymphentänze gibt, ist es nicht der Duft einer wundersamen Waldstimmung, das Phantastische einer Vision, sondern das Behaglich- Jrdische, Traulich- Verstedte einer eng um. schränkten Existenz. In Spitzweg hat sich jene Einkehr der Romantik in der Wirklichkeit vollzogen, die schon Jean Paul in der Literatur vorweggenommen hatte. Es ist jene Uebergangszeit von Romantik zu Realismus, zu deren reizvollsten Vertretern er gehört. Der Umschwung vollzog sich zuerst auf dem Gebiete der Literatur, da das biedermeierische Element stärker vordrang. Die Dichter ließen ab von der unendlich weiten Wanderung nach der blauen Blume; sie blieben bei ihren Rosen stöden im Hausgarten. Bon den Wundern der Ber gangenheit, der Legende und der Sage, von all den traumhaften Berzüdungen einer übersteigerten Phantasie wandten sie sich der Umgebung zu, dem Leben, und sahen sie in dem bunten Glanz ihrer romantischen Brillen wunderlich gefärbt. So hat E. T. A. Hoffmann, gespenstisch- unheimlichen Spuf rings um fich wie einen Schwarm Fledermäuse aufflattern sehen, bis noch zuletzt sein Blid, aus des Betters Edfenster schauend, gesundete. Brentano sah die Wirklichkeit in dem Berrspiegel philiftröser Dummheit, und Eichendorff wurde sie zur gemütlich, still verträumten Jdylle. Aber fie alle reizt noch das Skurrile in der Erscheinung; die Originale und Querköpfe, die sonderbaren Käuze und wunderlichen Heiligen waren ihre Leute. Und andere folgten ihnen. Weisflog, ein Schüler Hoffmanns, schilderte seine braven Organisten und Dorfschullehrer, denen das große, bunte Schnupftuch aus der Tasche hängt, und die in Bachs und Schillers Werken schweben, während die Schuljugend tausend Bossen treibt. In Schwaben , in den Gedichten Moerides wie in den Novellen von Hermann Kurz , traten die alten Herren Dorfpaftoren auf, in tiefe Lektüre eines erbaulichen Buches verloren, während um sie die Hühner gadern und die Levkojen blühen, dann die Liebespärchen, als der Großvater die Großmutter nahm", die zwischen den bunten Kugeln des Gärtchens schüchtern feurige Blide tauschen oder sich ehrsam linkisch um den Hals fallen, während der Postillon zum Abschied bläst. Stifter malte mit seinen fein gestrichelten Worten die etwas mürrisch gravitätischen jungen Herren mit den bunten Westen und den blasierten Mienen, das Ehepaar beim Spaziergang oder einem harmlos spießbürgerlichen Spaß, Edmund Hoefer suchte sich die alten Stadtsoldaten mit ihrer bärbeißigen Jovialität für seine Geschichten aus, Karl von Holtei das lustige Völkchen der Fahrenden in seiner grotesken Mischung von Glanz und Schein, Elend und Humor. Auerbach gab seine etwas geledten Bäuerinnen; Franz Trautmann, ein engerer Landsmann und Gesinnungsgenosse unseres Spitzweg, schuf seine mittelalterlich verschnörkelten Ritter-, Räuber-, Mönchs- und Abenteuergeschichten. Die Meister