des Realismus, ein Raabe und Gottfried Keller , haben dann diesen Stofftreisen eine klassische Prägung berlichen und überallhin durch die Welt der Dachstübchen und Sonderlinge geleuchtet.
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Wir haben so ausführlich bei diesen literarischen Anregern Spitwegs verweilt, weil es galt, die Atmosphäre zu bestimmen, aus der er herauswuchs, die Einflüsse zu kennzeichnen, die ihn zu femen Stoffen führten. In ihm lebt jene spezifisch mündnerische Kulturstimmung, die etwa W. H. Riehl in seinen Schriften geschildert hat, da München noch viel von der Kleinstadt hatte und ein tünstlerisches Leben sich, noch in wunderlich vertracten Formen, eben zu regen begann. So begegneten sich seine persönlichen Einbrücke, sein eigenstes Empfinden mit den Kunsttendenzen der Zeit. Die Genremalerei, die die Kunst der Romantiker und Nazarener ablöste, ist ja die Parallelerscheinung zu dieser Seite unserer Lite catur. Spitzweg nahm nur Gegenstände zu Inhalten seiner Bilder, die überall behandelt wurden; er aber wußte sie innerlicher zu gestalten und mit einem echten Hauch des Lebens, einem über alles Kleinliche hinwegtragenden Zug des Rührenden und Ewigen zu durchdringen. Schon sein erftes Bild ist dafür Beweis:„ Der arme Boet", der 1837 auf der Kunstausstellung sogleich das größte Aufseben erregte und heute in der Wünchener Neuen Pinatothet ist. Wie da der hungrige Dichter im Bett liegt in der falten Dach tammer, in die es hineinregnet, unter dem roten Schirm, und Verse standiert, das könnte Holteis Lorbeerbaum und Bettelstab" illustrieren oder eine Bosse von Nestroy ; aber es ist weder sentimental noch zynisch gegeben, sondern mit einer humorvollen schlichten Güte, die trop alles fleinlichen Beiwertes, aus dieser malerisch reizenden Enge ausstrahlt. Mit einem Wort: Das Sujet ist malerisch gesehen und gestaltet. Das ist es, was Spitzweg über feine Zeitgenossen so hoch hinaushebt und seine Bilder noch heute mit heller Freude und reinem Genießen anschauen läßt. Nicht die Inhalte machen die Welt Spitzwegs aus, nicht die Strickenden und lefenden Mönche, die Ed. Grüßner bis zum Ueberbrug wiederholt hat, nicht die tnidebeinigen Bürgersoldaten, die schon Hep gemalt hatte, nicht die Freuden und Leiden des Philifters, an denen sich die Düsseldorfer nicht minder ergößten. Was aus seinen Bildern uns entgegenlächelt wie ein Gesicht aus guter alter Zeit, das ist die verklärende Wärme eines reichen Gemüts, die in Farben und Formen ausgedrückt ist. Dieser Geist strahlt aus der sauberen blanten Nettigkeit des Ganzen, aus dem bunten, putigen, überlegt gefläubelten" kolorit, aus dem eigensinnig trausen, drollig zierlichen Spiel und Gewirr der Linien, ruht in der spißen feinen Art, wie die Figürchen und Gestalten in den Raum gefezt sind, wie sie sich aus der Natur, aus der Gasse herausheben, liegt in den traulich gehaltenen Tönen, in denen die efeuumsponnenen alten Gemäuer, die Türme, die freundlichen Dächer und Stadtsilhouetten warm und weich gebettet sind, in dem hellblau lachenden Himmel mit den weißen Schäfchen- Wolken, dem heiteren Rahmen aller Spißwegschen Bilder, der das neutrale Braun der Landschaft mit all seinen bunten Tönen und hellen Lichtern zur Einheit zusammenfaßt.
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( stachdrud verboten.)
für die Kleinen.
Wie das Röfeli einen Preis bekam.
Jm Bärental am Feldberg , dem höchsten Kamm des Schwarz waldes, liegt der Gipfelhof. Das mächtige Strohdach reicht auf allen Seiten herab bis fast auf den zwei Meter hohen Schnee, der um den Hof herum aufgetürmt liegt. Aus dem Kamin wirbeln blaue Wölkchen in die falte Winterluft, und alles in dem weißverschneiten Tal ist totenstill. Nur der große Hund bellt manchmal einem am Hof vorüberfahrenden einsamen Stiläufer nach. Drinnen aber in der großen Stube sitzt am Tisch das Gipfelröseli und weint.
Es geht wieder einmal nicht, wie das Gipfelröseli gewollt hat. Dieses drei Käse hohe Mädchen, das an der letzten Ostern in die Schule gekommen ist, hat nämlich von allen harten Köpfen der Gipfelbauern den härtesten. Was es will, das muß geschehen, und wenn's im ganzen Hof drunter und drüber geht. Diesmal aber hatte der Vater ein Machtwort gesprochen und dasselbe mit einigen gut gezielten Streichen mit der Rute gewürzt, die der Sankinitlaus vor einigen Tagen gebracht hatte. Sonst bekam das Röseli nie von den" Fertigen, die nichts kosten", wie sie im Schwarzwald zu den Hieben sagen. Denn es war ein lustiges, gutes und fleißiges Kind; nur eigensinnig, ganz furchtbar efgensinnig. Deshalb glaubte der Gipfelbauer, er müsse es einmal mit der Rute probieren.
Da saß also das Röseli an der Tischede mit verweinten Augen und einem ganz roten Stumpfnäschen, gerade als ob es zu tief in das Glas geguckt hätte. Die Wangen hatte es auf feine zwei kleinen Fäuste geftüßt und immer noch rollten Tränen über das Geficht und hinterließen Spuren, die davon Zeugnis ablegten, daß das Möseli fich gerade nicht sehr gut gewaschen hatte. Das rotgeweinte Geficht war ganz durchfurcht von kleinen schmutzigen Rinnen, in denen die Tränenbächlein liefen.
Und warum nun all dieses Unglüc?
Die Schule, in die das Röseli ging, machte morgen auf Schneeschuhen inen Ausflug auf den Feldberg. Da dürften alle Kinder mit, nur die Erstfläßler nicht. Die waren noch zu flein, sagte der Lehrer, und fönnten auch noch nicht gut genug Schneeschuhlaufen, und schließlich könnte man auch nicht wissen, was so einer Handvoll Menschen passiert bei der großen Kälte, wo Stein und Bein gefroren ist. Das Röseli war aber der Ansicht, daß es gut genug Schneeschuhlaufen könne und daß ihm nichts passieren würde. Ja, die anderen fleinen Buben und Mädchen in der ersten Klaffe, die immer noch Angst hatten, wenn sie der Lehrer nur schief ansah, die follten ruhig zu Haus' bleiben; aber es, das Röseli, war ja schon viel größer. So hatte es den Lehrer gefragt, und der hatte nein gesagt; dann war es zum Vater gegangen, und der hatte auch nein gesagt; schließlich versuchte es der Mutter zu schmeicheln, aber die wollte auch nichts davon wissen. Dann hatte das Röjeli erklärt, es ginge aber doch mit, und dann war der Vater mit der Rute ge kommen.
Das war der Hergang. Da foll einmal so ein kleines Kind nicht weinen!
Am anderen Morgen rüdte die Bärentaler Schule in zwei geordneten Reihen, links die Knaben und rechts die Mädchen, den Feldberg hinauf. Hinten drein der Lehrer und der Bürgermeister. Sie waren alle gut eingewickelt, hatten dicke Handschuhe an und die Mädchen trugen große Tücher um den Hals. Als sie an die Waldecke tamen, wo die filberweißen Tannen einen Torbogen bildeten, durch den man hineinschritt in den Wald, wie in einen weißen Wintertempel, stand auf einmal das Röseli da hinter einer dicen Tanne. Es hatte ein blaues Tuch um den Kopf gewidelt, seine kleinen Schneeschuhe an den Füßen und in der einen Hand einen dicken Stock. Es war zu Hause durchgebrannt, als der Bater die Kühe fütterte und die Mutter mit den Schweinen zu tun hatte, und wollte sich gerade unter die Kinder der zweiten Klasse stehlen, um so unbemerkt mitzukommen. Da aber bemerkte es der Lehrer und schickte es wieder heim. So fleine Kinder können noch nicht mit auf den Feldberg. Aber das Maidele wartete nur bis die Schule im Wald verschwunden war und schlurfte dann langsam aber ausdauernd hinten nach.
Spitzwegs Kunst ist nicht nur eine Freude für die Herzen, sondern auch ein Fest für die Augen. Vom Zeichnerischen, das er zunächst für die Fliegenden Blätter " mit ergößlichem Humor des Striches übte, entfernte er fich immer mehr; immer wärmer und leuchtender wurden seine Farben, immer loderer und leichter seine Harmonien, immer delikater die farbigen Akkorde. Unleugbar hat französische Kunst auf ihn gewirtt; noch stärker freilich der Kolorismus der alten Holländer. Für das farbenreiche Bukett seiner Bilder geben Brouwers kostbar leuchtende, warm flimmernde Farbensinfonien am ehesten ein Vorbild. Die Süße und der Wohllaut seiner Farben, die im Sonnenlicht spielende Helligkeit eines Waldinnern, die lodere Gelöftheit des Auftrags ist ihm dennoch im letten von den Franzosen , vor allem Diaz, dann den Meistern von Barbizon , wie Daubigny , übermittelt worden. Der beste Beweis für die Veränderung seiner Palette durch die französische Reise ist fein herrliches Frauenbad von Dieppe ", das in seinem ganzen Deuvre vereinzelt steht. Wie hier von den feinsten Nuancen des Gelb, Grün und Weiß sich einzelne Töne von Blaurot und Rosa pikant abheben, das ist von einer an Corot oder Chintreuil gemahnenden Feinheit. Spißweg fennt überhaupt nicht die neutralen Töne, die berühmte" braune Sauce", die zu jener Zeit als Einheitston herrschte. Die Schatten hellt er durch rote Lichter, durch hellgrüne, blaugraue Nuancen auf; mit teden Farbensprißern und Tupfen belebt er die Hintergründe durch rote, grüne, gelbe Flede und stimmt die Farben auf das feinfte zueinander. Am liebsten aber schwelgt er in vollen starten Akzenten, in Preußischblau oder Violett, in aparten Nuancen von Ocker und Grün und in seiner Leidenschaft für melodisch weiche Farben wird seine Süße sogar zur Süßlichkeit, wenn er sich in Stalen des Rosa ergeht, von einem milchigen Erdbeerton bis zu Lachsfarben und Pfirsichrosa. An Der Lehrer gab mit dem Taschentuch den in einer langen feinen Sonderlingen und Hagestolzen gefallen ihm vor allem ihre Reihe gehenden Knaben und Mädchen ein Zeichen, und dann ging's Hellblauen und blaugrünen Röde die gelben und mattgrauen mit Hurra los, hinauf auf den Seebuck. Immer fleiner wurden Hofen, die apfelgrünen Westen, die dunkelroten und orangefarbenen die dahineilenden schwarzen Gestalten und die Abstände unter Schnupftücher. So erhalten seine Bilder alle etwas Geschmäck- ihnen immer größer. Bald war der erste oben auf dem Gipfel, lerisches, Delikates, geben eine vollendete farbige Sinfonie. Ja bisweilen steigert fich das sogar zu einem juwelenhaften, unruhigen Leuchten und Schimmern, das die enge Alltagswelt in die Märchenluft von Tausend und eine Nacht taucht. Und dann mag es wohl geschehen durch das Wunder der Kunst, daß plötzlich der Philister zu einem verwunschenen Prinzen wird und der Maler der Kleinstadt zu einem seltsam mächtigen Zauberer... Dr. P. L.
Oben am Feldbergerhof, dem Wirtshaus, wo sich viele Gäste aus der Stadt zum Schneeschuhlaufen aufhielten, wurde für die Bärentaler Schule ein Wettrennen veranstaltet und in den benach barten Kaufhäuschen eine ganze Menge Preise gekauft. Da gab es die herrlichsten Dinge; weiche, weiße Schneemüßen, Spielzeug, Handschuhe, Hosenträger, Orangen und Konfett.
wo er rasch umkehrte und dann von einer Schneewolfe umhüllt in sausender Fahrt oben herab kam, die anderen hinter ihm nach. Gerade als die letzten wieder ankamen und die Knaben und Mädchen zur Preisverteilung auf den Feldbergerhof gehen wollten, stand auf einmal das Röseli wieder da. Jetzt wurde aber der Lehrer wild und schickte es mit groben Worten wieder allein nach Hause. Das war nicht sehr flug und wer weiß, was bei der großen