Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 34.

34]

Dienstag den 18 Februar.

( Nachdrud verboten.)

Schilf und Schlamm.

1908

Sie verbrachten ganze Wochen in der Dehesa und führten hier das Leben von Urmenschen  . Tonet hatte in seinem rubigen Leben in Palmar oft Sehnsucht nach seinen Striegs­jahren empfunden, nach der grenzenlosen und gefahrvollen Freiheit des Guerillero, der stets den Tod vor Augen hat, feine Schranke und fein Hindernis fürchtend, den Karabiner in der Faust, alle seine Wünsche befriedigt und fein anderes Gesetz als das des harten Muß anerkennt.

Die Gewohnheiten, die er sich in diesen Jahren seines

Roman von Vicente Blasco Ibanez  . Der Onkel Paloma hielt es bei seinen Prinzipien der Autorität. die er über die aanze Familie zu befiben alaubte. zuerst für seine Pflicht, dem Enfel mit einem guten Ruder­hieb den Kopf entzwei zu schlagen. Aber bei längerer Ueber- Striegerlebens angeeignet, tauchten hier in der Dehesa, zwei legung dachte er plöglich an die Neger, die der Kubaner in der Ferne selbst niedergeschlagen hatte. Achtung! Einen folchen Menschen schläat man nicht. selbst wenn er aur Familie gehört. Trotzdem flößte ihm die Drohung, Tonet würde den schönsten Fischbezirk der ganzen Gegend wieder in seine eigene Regie" übernehmen, eine große Furcht ein.

Der Onkel Paloma soa es deshalb vor. ihn bei der moralischen Seite au packen. Wenn er ihm kein Geld gab, so geschah das mur deshalb, weil er seinen Charakter zu genau kannte und weil das Geld in den Händen junger Leute nur Unheil anrichtet. Er würde es vertrinken oder mit Taugenichtsen verspielen, die in den Schenken von Saler aufamemnfamen: darum wollte er das Geld lieber behalten, und wenn er es tat, erwies er Tonet einen Dienst. Wer bekam denn schließlich alles, wenn er starb? Doch nur sein Enkel..

Doch Tonet hatte keine Lust, sich von Hoffnungen blenden au laffen. Er wollte haben, was ihm zufam, oder sein Recht wieder an sich nehmen. So entschloß sich denn der alte Schiffer eines Tages nach langem Feilschen, das nicht weniger als drei Tage dauerte, seine Geldfaße zu öffnen und mit schmerzlicher Miene einen Haufen Duros herauszuholen. Er fonnte sie nehmen der Elende der Herzlose Wenn er sie in ein paar Wochen durchgebracht, sollte er nur kommen, um andere zu verlangen. Der Alte fonnte ja um­Fommen. O, er fab flar, wie es ihm in der Zukunft, im Alter gehen würde. Er mußte arbeiten wie ein Stlave, da­mit der Herr ein vornehmes Leben führen könne.... Und er entfernte sich von Tonet, als hätte er für immer das schwache Gefühl der Zuneigung verloren, das er früher für ihn empfand.

Als der Kubaner Geld in der Tasche hatte, fehrte er nicht in die Hütte seines Vaters zurüd. Er führte das Leben eines regelrechten großen Mannes und gewann sich seine Nah­cung mit Pulver und Blei. Zunächst kaufte er sich ein etwas besseres Gewehr als die ehrwürdige Waffe, die in seinem Hause aufbewahrt wurde, Sangonera, der am Tage nach Tonets Vertreibung durch Canamel vor die Tür gefeßt wor­den war, schlich fortwährend um ihn berum, als er ihn müßig und von dem arbeitsreichen Leben, das er in der Hütte feines Baters führen mußte, angewidert, in der Gegend sich herum­treiben sah.

Der Kubaner tat sich mit dem Vagabunden zusammen. Das war ein guter Gefährte, der ihm gewiß nüßlich sein Tonnte. Er hatte eine Wohnung, die, wenn sie auch schlimmer als eine Hundehütte war, doch als Behausung und Zufluchts­ort dienen konnte.

Schritt von einer Bevölkerung, wieder auf, die vom Gesetze regiert wurde und einer regelrecht eingesetzten Behörde unter­worfen war. Von etwas trockenem Reisig baute er sich mit seinem Gefährten in irgend einem Winkel des Gehölzes Hütten, in denen sie zusammen schliefen. Hatten fie Hunger, so erlegten sie ein paar Kaninchen oder wilde Tauben, die auf den Zweigen gurrten, und brauchten fie Geld oder Patronen, so nahm Tonet sein Gewehr, und in einem Vor­mittag hatten fie einen Haufen Wild erlegt, den Sangonera in Saler oder Catarroja verkaufte; von dort kam er dann stets mit einem kleinen Haufen Geld zurück, den sie im Walde versteckten.

Tonets Gewehr, das unverschämt in der ganzen Dehesa knallte, war gleichsam eine Herausforderung für die Feld­hüter, die ihr ruhiges Einsiedlerleben aufgeben mußten, um den Wilddieben nachzuspüren.

Sangonera blieb auf der Lauer wie ein Hund, während Tonet jagte, und wenn der Landstreicher mit seiner außer­gewöhnlichen Witterung das Herannahen der Feldhüter merkte, pfiff er seinem Gefährten, damit dieser sich schnell verstedte. Eines Tages hatte ein Feldhüter auf ihn geschossen, aber sofort als Antwort eine Stugel an seinem Ohr vorbei­zischen hören. Mit dem Guerillero durfte man sich in ein solches Spiel nicht einlassen, das war ein Schurke, der weder Gott noch den Teufel fürchtete. Er schoß ebenso gut wie sein Großvater, und wenn die Kugel nicht ihr Ziel erreichte, so lag dies einfach daran, daß er fie nur als eine Art War­nungssignal abgeschickt hatte. Sich mit ihm in einen Stampf einzulaffen, hieß also dem Tade entgegengehen. Die Feld­hüter, die eine zahlreiche Familie hatten, ließen sich das gesagt sein. Sie schlossen einen stillschweigenden Baft mit dem un verschämten Säger, und wenn sein Gewehr in der einen Richtung ertönte, so beeilten sie sich schleunigst, nach der ent­gegengesetzten zu laufen.

find fiel"

Sangonera, den man auf allen Seiten als Boten benutzte und der häufig geprügelt und gestoßen wurde, verbarg jetzt im Vertrauen auf Tonets Schutz seinen Stolz nicht mehr, und fam er nach Saler, so betrachtete er die Welt mit der Unver­fchämtheit eines kleinen Hundes, der sich von seinem Herrn unterstützt weiß. Als Entgelt für diesen Schutz wurde er immer wachsamer und raffinierter, wenn er auf der Lauer stand, und kam hier und da der eine oder der andere Feld­hüter aus der Ebene von Ruzafa, so erriet fie Songonera gleichsam, bevor er sie sah, gerade, als wenn er sie hätte riechen fönnen. Die Dreispitze," fagte er zu seinem Gefährten, da Tonet sollte der Jäger sein und er der Hund. Alles sollte An den Tagen, an denen die Dreispitze und die gelben ihnen zur Hälfte gehören, Nahrung und Wein. Ob der Büffelleder rekognoszierend durch die Dehesa streiften, Bagabund damit einverstanden wäre, fragte er. Sangonera schlichen sich Tonet und Sangonera nach der Albuferagegend; geriet in die fröhlichste Laune; auch er wollte zum gemein- in einer der alten Barken des Onkel Paloma versteckt, zogen famen Unterhalte beitragen. Er hatte eine großartige Hand, sie von Gebüsch zu Gebüsch, schossen Vögel, die der Land­um die in den Kanälen ausgespannten Neke herauszuziehen streicher aus dem Wasser holte, das er, selbst bei der größten und sich der darin enthaltenen Fische zu bemächtigen, denn Winterkälte, bis zum Knie zu durchwaten sich nicht scheute. niemand verstand es so gut wie er, die Neze wieder un- Die unruhigen, dunklen und regnerischen Sturmmächte, die bemerkt ins Wasser zu lassen. Er gehörte eben nicht zur Onkel Paloma wie ein Segen erwartete, weil sie für den Masse der Spitzbuben, die, wie die Fischer sagten, gleichzeitig Fischfang die einträglichsten waren, berbrachten sie in einem Seele und Körper stablen, nämlich Fische und Nebe. Tonet Winkel von Sangoneras Hütte, wo sie fich mit großer Mühe Sollte für die Jagd, er für die Fische sorgen. So wurde der vor dem Wasser schützten, das von allen Seiten hereindrang. Handel geschlossen.

Von jest ab fah man nur noch von Zeit zu Zeit den Enkel des Onkel Paloma, wenn er, mit dem Gewehr auf der Schulter, Sangonera in fomischer Weise pfiff, als hätte er einen Hund vor fich; der lettere troch dann auf allen Vieren mit gesenktem Kopfe hinterdrein und fab sich überall um, ob er nicht einen umberliegenden Gegenstand bemerkte, den er fich aneignen konnte.

Tonet war zwei Schritte von seinem Vater entfernt, doch er vermied es sorgfältig, ihm zu begegnen und fürchtete vor allen Dingen seinen strengen und traurigen Blick.

Die Borda holte Tonets Wäsche und brachte sie ihm und bewies ihm die taufend Aufmerksamkeiten, deren nur eine Frau fähig ist. Das brave Mädchen, das von ihrer Lages­arbeit schon erschöft war flickte Sie Lumpen der beiden Baga. bunden, ohne ein vorwurfsvolles Wort an sie zu richten,