Peter Spanmngers Siebes-Abenteuer.Bon Ludwig Thoma.(Fortsetzung.)Als Peter das achtzehnte Lebensjahr erreichte, schickte er ihnnach Weihenstephan.Darin lag ein Zugeständnis an die Forderungen des Zeitgeistes.Der Besuch der Brauerschule gewährt den allgemeinen Vorteil jederakademischen Bildung; dazu den besonderen der scheinbaren Um»Wertung einer gewerblichen Tätigkeit in eine Wissenschaft.So verbrachte also der junge Sternbräu zlvei Jahre unter denJünglingen, die in Freising ungeschlachte Fröhlichkeit zeigen. Siebildeten einen Verein„Ganibrinia" und fanden ihre Freude in derNachahmung studentischer Manieren. Tie BerusSehre bedingte,daß sie noch trinkfester waren als die Jünger der Hochschulen.Peter tat rechtschaffen mit und glaubte an das Verdienstliche undan das Bedeutende dieses Treibens. Er war von der besonderenEhre der drei Farben rot. gold und blau überzeugt, schwur ihnenTreu und vermaß sich im Gesänge, für rot. gold und blau in Kampfund Tod zu gehen.Es war eigentlich nicht die Art der Spanninger, so große Dingezu versprechen; noch weniger sie zu erfüllen. Aber da sich Peternicht viel dabei dachte, störte der fremde Zug den Grundton seinesWeseits nicht allzusehr. Die Flammen seiner Begeisterung schlugennicht hoch. Und wenn er sie mit dunkeln und hellen Bieren löschte,geriet er wieder in Dürnbucher Fahrwasser. Nach zwei Jahrenkehrte er in das Elternhaus zurück und paßte sich ohne Mühe dembürgerlichen Leben an. Die äußerlichen Spuren der Weihen-stephaner Zeit verwischten sich freilich nicht. Peter war dick ge-worden, und die Augen traten noch mehr aus dem stark gerötetenGesichte hervor. Das in der Mitte gescheitelte Haar kämmte erin die Stirne.Die Schultern zog er hoch, um sie noch breiter erscheinen zulasten. Er schloß gerne den untersten Knopf seiner Jacke, damitsich die Brust bauschig wölbe. Beim Gehen ballte er die Hände zuFäusten und hielt sie mit dem Daumen an den Hosentaschen fest.Die Dürnbuscher bemerkten das studentische Gebaren sehr, wohlund waren geneigt, darin die Kennzeichen eines reizvollen Lebens-Wandels zu erblicken. Denn weil sie keine Erfahrung in akade-mischen Dingen besahen, statteten sie ihre Meinung darüber mitden abenteuerlichen Vorstellungen ihrer geheimen Sehnsucht aus.Sie wollten es nicht anders gelten lasten, als daß der Sohn ihresreichsten Mitbürgers zwei Jahre mit seltsamen Liebeshändelnhinter sich gebracht habe. Wer in solchem Rufe steht, ist gut daran,wenn ihn das bürgerliche Gewissen im Besitze der nötigen Mittelschätzt. Und darum zog Peter ohne sein Zutun Nutzen aus dem,was eigentlich ein Vorwurf war. Nun lebte damals in der Kreuz-gaste ein Mann, der vielen unheimlich war, weil die Art seinesErwerbes nicht klar zutage lag.Er hieß Korbinian Fröschl und trieb weder Handel noch Hand-werk. Er hatte aber nicht etwa die Mittel, welche ihm das Lebeneines Privatmannes möglich machten, sondern er stand in offen-kundiger Dürftigkeit. Seinen Unterhalt verdiente er durch leichteGeschicklichkeiten, die auf geheimes Wistcn begründet waren undschon darum den Verdacht der seßhaften Bürger erregten.So war er ein Quellcnfinder. Wenn er mit einem Gabclzweigein der Hand über die Hügel schritt, konnte er mit untrüglicherSicherheit bestimmen, wo man nach Wasser graben könne, lieber-dies besaß er gute Mittel gegen landcZbräuchliche Krankheiten, sodaß er den Bauern als schätzbarer Heilkünstler galt.Weil er aber viele Kenntniste nur mit Heimlichkeit verwertendürfte, hatte er ein schweigsames Wesen angenommen, welches dasVertrauen verscheuchte. Ueberdics war er nach seinem Aeußereneine düstere Erscheinung, und manche seltsame Nachrede hing sich anseinen Namen. Dieser Korbinian Fröschl besah eine zwanzigjährigeTochter mit Namen Anna; sie war eine schön gewachsene Person,von angenehmen Zügen, jedoch ohne rechte weibliche Tugend. Ihr«Kindheit war nicht behütet worden. Die Mutter war früh demTode verfallen, und der Vater, den seine Geschäfte oft vom Hausefernhielten, kümmerte sich wenig um die Erziehung. So gewöhntesich Anna nicht an Pflichterfüllung und entbehrte der tröstlichenGrundsätze, daß Arbeit das Leben versüßt und Armut nicht schändet.Vielmehr hing sie ihr Herz an vergängliche Dinge und hegteden Wunsch, ihre Schönheit, die ihr wohl bekannt war, mit nichtigemPutze zu heben. Dieses Fraucnzimnicr lernte der junge Spanningerdurch einen gewöhnlichen Zufall kennen. Es war zu Ende April,und die Dürnbucher Welt hatte ein frühlinghaftcS Aussehen. DieStare pfiffen in allen Gärten, und die Schlchdornhecken waren mitweißen Blüten bedeckt, und Gabriel Riedlechner und I. B. Jrzcn-bcrgcr hatten ihre Neuheiten in Frühlingsstoffcn ausgelegt.Da ging Anna Fröschl über den Stadtplatz und blieb vor denLadenfenstern stehen. Sie betrachtete Pcrs und Zephir, blau ge-musterte Baumwollstoffe, Musselin und Mull. Sie fertigte sich inGedanken von jedem Zeuge eine Bluse an und suchte sich bunteGürtel aus, die dazu paffen konnten, und drehte sich vor denSpiegelscheiben, als hätte sie nun die ganze Pracht zu probieren.Peter, der vor seinem Hause stand, sah die gefällige Person vonweitem und ging wie von ungefähr über den Platz. Er spazierteeinige Male mit hochgezogenen Schultern au dem Laden vorüberund bemerkte untcrwcilen die Vorzüge des Frauenzimmers.Auch dieses übersah seine Aufmerksamkeit nicht, und als«Osich zum Gehen schickte, warf es ihm einen brennenden Blick zu.Peter überlegte, ob er darin eine Aufmunterung erblickendürfe, aber da trat Kaufmann Jrzenberger aus dem Laden undbegann ein Gespräch mit ihm. Peter fragte gleichgültig und neben-her. wer die Person geivesen sei, die so lange die Auslage betrachtethabe.Jrzenberger gab genaue Auskunft, und so erfuhr der jungeSpanninger, daß die Tochter des anrüchigen Fröschl seine Bc-achtung gefunden hatte. Tos kühlte ihn ab.Die natürliche Scheu, welche gut situierte Leute von Zweifel-haften Elementen ferne hält, war in ihm stark entwickelt. Nichtweniger das dunkle Gefühl, daß arme Leute immer bestrebt sindidie Wohlhäbigkeit auszunützen.So war er abgeneigt, sich in ein unrühmliches Abenteuer ein»zulasten, und schon wenige Tage später bestärkte ihm eine zufälligeBegegnung diesen Vorsatz.Er ging um die Mittagszeit das Alzufer entlang und sahnahe der Brücke einen Menschen, der mit nackten Beinen im Fluffestand und ein Netz aus dem Wasser hob. Zwei kleine Fischezappelten darin. Der Mann faßte sie mit der Hand und warf siein eine rostige Gießkanne. Es war Korbinian Fröschl. Peter er-kannte ihn und sah auch, daß er ein schmutziges Hemd auf demLeibe trug und eine Hose, die an vielen Stellen nicht geflickt war.Da fühlte Peter mit Macht, wie gut er getan hatte, solche Leuteselbst auf verbotenen Wegen zu meiden.Allein Anna hatte die Blicke des jungen Spanninger nicht der-gessen. Im Gegenteil dachte sie häufig daran und brachte sie in>Zusammenhang mit ihren heimlichen Wünichen nach hellen Blusenund gelben Ledcrgürteln. Sie ging jetzt häufig auf den Stadtplatz«und immer so, daß sie an der Brauerei zum Stern vorüberkam.Doch traf es sich nie mehr, daß sie dem Peter in die Händelaufen tonnte.Ein oder das andere Mal stand er im Kreise der Honoratioren,welche sich allabendlich auf dem Bürgersteige vor Sonnenuntergangzusammenfanden. Aber er war durch die dicken Bäuche und breitenRücken so versteckt, daß sie ihm keine Blicke zuwerfen konnte. Danahm sie einen raschen Entschluß und schrieb«inen Brief an denJüngling, der sein Glück nicht verstand. Sie wählte ein überauszierliches Papier, das mit Spitzen umrändert und auf der erstenSeite mit einem schnäbelnden Taubenpaare geschmückt war. Da»runter setzte sie den Vers:Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heißWie heimliche Liebe, von der niemand nichts weiß.Und weil sie die Anrede nicht zu kalt und nicht zu warm wählenmochte, half sie sich, indem sie ein Fragezeichen und zwei Ausrufe».zeichen über den Text schrieb. Tann sagte sie, es sei vielleicht eingewisser jemand, dem man kürzlich begegnete, erstaunt über dieseKühnheit, und vielleicht denke er sich gar etwas Schlechtes. Sic habelange gezweifelt, ob es sich schicke, einem fremden und doch nichtfremden jungen Herrn zu schreiben, und sie wisse, es schicke sicheigentlich nicht. Denn besonders in Dürnbuch seien die Leute gleichbereit, ein Mädchen schlecht zu machen, aber sie hoffe, daß ein ge-wisser jemand nicht so sei. Und wenn sie das nicht dächte, undwenn sie glauben müßte, er könne etwas Schlechtes meinen, dannwürde sie überhaupt nicht schreiben. Aber sie müsse doch schreiben,weil sie ihm sagen wolle, daß sie gerne den gewissen Jemand wieder-.sehen möchte, und wenn er deswegen richts Schlechtes denke, dannsolle er cm Mittwochabend in die Krcuzgasse kommen, weil ihnVater nicht daheim sei. Jedoch, wenn er etwas Schlechtes denke.dann solle er um Gottes willen nur ja nicht kommen. Und er soll«nicht vor der Dunkelheit kommen, weil neidische Augen wachten.Darunter schrieb sie:„Ungenannt und doch bekannt A. F." Undsie setzte wiederum ein Fragezeichen und zwei Ausrufezeichen hinterdie Buchstaben.(Schluß folgt.)kleines Feuilleton.Drei rote Nelken.Von Franz Held f.Eine rote Nelke hinter dem Ohr,So trat er mit der Moni zum Schuhplatteln vor,Der Nazl, ein Mordskerl und Bauernsohn—Nacha hockten die beiden im Mohn.Am Eichknorr'n flirrt' ein jähriges Blatt.Die Trommel schollcrte von der Stadt:Der fiebziger Krieg IIm Wirtshaus nochLachte der Bursch:„Ober gcheurat't wird doch!'Da lag er denn nun auf blutiger Erd',Statt im Hochzeitsbett, nach der Schlacht bei Wörth,Eine rote Nelke hinter dem Ohr,Vor den Augen graulichen Todesflor.Er meinte, das wSr' der Nebel vom Seo �Er schaute sein Dorf, o ganz in der Näh'lDen Birnengarten— l Den bläffenden HundHetzen die Buben durch halmigcn Grund—