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Karl Schönherrs Erde. Ein
neuer Anzengruber!|
Die Komödie ist von prachtvoller Gediegenheit. Eine Kern riefen Begeisterte am Sonnabend im Wiener Burg geftalt wie den alten Grützbauern( den Kainz mit genialer Uebers theater, wo Karl Schönherrs Komödie Erde" zum ersten legenheit formte) hat fein schwächlicher Großstadtmoderner je zu mal gegeben wurde. Das war der falsche Ausdrud einer bilden gewußt. Dieser Greis, so grandios er in seiner Urfraft ist, Schönherr ist fein Anzengruber, echten Begeisterung. dazu er ist eine Geißel der kommenden. Er verdammt aur aber fehlt's ihm gelegentlich an findlicher Lustigkeit, er Unfruchtbarkeit! Behe, wenn die Greise über die Erde ges Und tief llingt durch das Werk dieses int ist in manchem Betracht tiefgründiger, ernster und tunstvoller. bieten! fozial Dichters fühlenden die Eigentlich ist's ein gefährlicher Spaß des Saidials, daß dieser stinktiv Sehnsucht des Herbfte Dichter der jungen Generation in Wien leben, hier feine Arbeitenden nach seinem eigenen Grund. Dieses Drama ist ein entscheidenden Kämpfe führen muß. Aber dieses immer bis zum Triumphlied der ewig wieder blühenden Erde und es ist ein Trus Ueberdruß als oberflächlich verschrieene Wien hat ehedem Friedrich lied über die für Ewigkeiten verteilte Erde. Für Ewigkeiten? Auch Hebbel zu halten gewußt, es wird, diese Aufführung gibt Zuversicht, der greife Grüß wird sterben! Arme Erde, wenn dann nur ein auch Karl Schönherr nicht fallen laffen. stumpfes Knechtsgeschlecht übrig geblieben wäre! Stefan Großmann.
„ Erde " wurde unter recht ungünstigen Bedingungen zum ersten mal gegeben. Ein Bauernstüc im t. t. Hofburgtheater. Eine düftere, von ganz unösterreichischem Ernst durchdrungene Komödie vor einem Komtessen- und Bankdirektorenpublikum, das Paul Schlenther zehn Jahre lang geflissentlich zum glattesten Unterhaltungsstücke erzogen hat. Man hatte Angst um Karl Schönherr . Nun, der Dichter war felbft stärker als dieses Publikum. Die Komödie Erde" ist allerdings( ich wage diefe vielleicht nicht einmal gar so gewagte Schäßung) das bedeutendste deutsche Bühnenwerk der letzten Jahre. Nie ist dem fanften Lyriter in Schreiberhau ein Wert von so festem Guß geLungen, nie den theoretischen Heimatsdichtern aus Voriah, geichweige denn den mehr oder weniger wißigen Berliner oder Wiener Theater Literaten.
Karl Schönherr stammt aus Tirol. Tiroler Landschaft, nicht gemütlich, sondern erhaben, lebt in diesem Werke. Schönherrs " Erde " ist nur scheinbar eine naturalistische Bauerniomödie. Wer genauer hinfieht, merkt, daß dieses Werk von innen heraus gebaut
wurde.
Musik.
Das Volkslied wird in unseren Konzerten neuerdings mit einigem Eifer gepflegt; und Kunstlieder aus ferneren Zeiten fommen hinzu. Zwei Konzerte der letzten Tage führten uns in einige Tiefen und Breiten dieser Gebiete. Das eine brachte Duette von Frauen stimmen mit Volts- und Kinderliedern, das andere hauptsächlich unitlieder des 16. Jahrhunderts. Dort fangen die Sopranistin Magda Lumniger und die Altiftin Marie Fuchs, hier eine neunföpfige Kapelle und neben ihr die Mezzosopranistin Anna Stephan. Dort hörten wir zumeist deutiche, flawische, franzöfifche, italienische Volkslieder, hier vornehmlich„ Madrigale". Es ist dies das weltliche funstvolle Lied des späten Mittelalters und der beginnenden Neuzeit, mehrstimmig, meist von Liebe in Ernst und Scherz fingend, manchmal mit üppigstem Humor. Die reiche Ver schlingung der Stimmen und die charakteristisch freie Rhythmik tun dem Hörer umso wohler, je müder ihn die Einförmigkeiten der späteren Volks und Kunfilhrit gemacht haben. Welcher Gegensatz gegen die Lieders Der Grüßbauer ist zweiundsiebzig Jahre alt, will nicht sterben tafel " und gegen das Leierlied der neueren Zeit mit dem tanzartigen und sich nicht zur Ruhe setzen. Die unzerstörbare Urtraft dieses Trabtrab! Volkstümlich scheint uns heute zu sein, was doch nur Alten lähmt den Sohn, den Sechsundvierzigjährigen. Der ist noch fünftlich ist. Und was man banal nennt, was die Straße vom Operetten immer Stnecht bei feinem Bater, cin lediger Knecht, dumpf und theater herübernimmt, das findet sich nicht am wenigsten in deutschen ftumpf, fein Sprüchel lautet: Mir geht nig ab. Hab' mein Essen und mein Arbeit und mit den Hennen Volksliedern und gerade neben dem besten Teil unserer Chrischen ins Bett." Nur wenn Weibernähe Männlich Mufit: der innig- heimlichen Gemütswärme. Graziös der Franzose, ihn zur feit aufftachelt, wird der Junge lebendig. Einmal wollte dramatisch der Italiener, elementar der Slawe fo fingen die er schon mit einer auf und davon. Aber das Stück Erde , Rationen uns vor, doch schließlich alle näher verwandt in dem das ja doch einst sein werden soll, feffeit! Auch jest reizt eine Geiamtgeiste der jeßigen europäischen Mufit, als man erivarten nene Wirtschafterin den Hannes auf. Einmal kommt Besuch. Der Eishofbauer, der sein Anwesen hoch oben unterm Farner hat, ift mit seinen drei Buben heruntergestiegen. Hannes vergafft sich in die Jungen. Vater", fagt er zum greifen Grüßbauer, der Eishofbauer is in mein Alter und hat drei Buben. Laß jetzt mich Bauer werden!" Aber der aufrechte Alte schickt ihn antwortlos zur Arbeit. Da wiehert draußen ein wildes Noß, das sich dem betrunkenen Schmied beim Beschlagen widersetzt. Schon will der willige Hannes hinaus, um das Noß zu halten. Da hält ihn Mena, die Wirtschafterin, zurück. Soll der Alte selber zugreifen! Das Weibsbild höhnt den Siebziger. Nun ftößt er den Sohn zurüd, eilt hinaus und wird nach furzer Frift verlegt, von einem Hufschlag auf die Brust getroffen, hereingebracht. Die Wirtschafterin will ihn ins Bett bringen, doch der Berwundete sagt trozig und beziehungsreich:
Bin no nit schläfrig".
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möchte.
Mit viel Mühe hat eine„ neudeutsche" Richtung feit der Mitte des 19. Jahrhunderts dem Liedterte zu geben versucht, was ihm gebührt. Robert Franz war wohl der erste entschiedene und doch nirgends extreme Schöpfer derartiger Lieder, bis heute Er bedarf eines Sangestünstlers,
darin kaum übertroffen. der zu fingen und zu fagen" versteht, der insbesondere
die verschiedenen Klangfarben so beherrscht, daß sie dem verschiedenen Gefühlscharakter der poetischen Worte dienen. Zu einer solchen Sängerin hat sich Anna Stephan in der langen Zeit, da wir sie auf dem Konzertboden fennen, entwidelt.
Was in London eine Madrigal- Gesellschaft" feit 1741 leistet, das bietet uns seit einigen Jahren eine Berliner , jetzt von Artur Barth geleitete Madrigal- Vereinigung". Ihre vier Sänger und fünf Sängerinnen tragen ohne Begleitung die anspruchs Im zweiten Aft gehts mit dem Grüßbofbauern bergab. Jede vollen alten Gefänge so fein abgestimmt vor, daß ihr wenigstens ein großer Teil des Erfolges zu zu gönnen sein würde, Woche wiegt er weniger. Die Mena strahlt. In einer Szene von den manche äußerliche Geschicklichkeit weit leichter erntet. Diesmal germanisch- gruseligem Humor läßt sich der Grüyhofbauer Maß galt es einer berufsgenossenschaftlichen Bestrebung des Berliner nehmen zu seinem Sarge und sucht sich, damit er nicht etwa neben on künstlervereins"; und am 22. März will uns derfelbe einem Spigbuben liegen muß, beim Totengräber die richtige Grab Berein unter anderem mit alideutschen Bolts- und späteren Kunststelle aus. Jezt darf auch Hannes hoffen, daß bald ein fleiner liedern erfreuen hoffentlich vor mehr als einigen intimen MusikKnirps auf seinen Suien figt. Die Mena wird schon breiter. freunden.
und
Die
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Das Madrigallonzert fand im Bechsteinsaale statt, das Duettenfonzert in einem erst jüngst eröffneten Raume, dem Choralioniaal. Er ist wiederum eine von den neuen Konzertstätten, die der trau licheren Kunstpflege durch kleinen Rauminhalt, durch vornehm- ruhige Innenkunst und durch zweckmäßige Ausstattung entgegenkommen wollen. Wären seine Schmudformen alle so natürlich, wie es die Konstruktion der hübschen Site ist wir würden mit ihm noch inniger befreundet werden.
Physiologisches.
SZ.
Der Frübling ist da. Ein uralter Birnbaum hat wider Erwarten wieder ausgefchagen. Das ist halt a Erden!" Der 72jährige steht plöglich auf. Die erschrodene Mena foll ibn wieder abwägen. Lachend stehen die Knechte umber. Ihr Gelächter wird noch dröhnender, denn der Grügbaner bat Fleisch angejest, er wiegt viele Kilo mehr als vor Wochen. Der Greis, der sich schon über sein Grab gebeugt, richtet sich wieder ferzengerade auf. Es liegt Bosheit und Siegerlust in seinem Schrei:" Die Erden tragt mi wieder". Bergeben hat der berträumte Hannes oben in der Dachlammer heimlich eine Wiege geschnigt. Sie wird leer bleiben. Mena will auf und davon. Sie will nicht länger dienen Eine neuentdeckte Besonderheit der Frauenwieder dienen. Ein Stückel Boden soll soll ihr Eigen milch. Untersuchungen auf dem Gebiete der Verdauung haben fein! Der Eishofbauer, dessen Werbung sie im ersten Aft Professor Kreidel und Dr. Neumann in Wien dazu veranlaßt, verauf den ersten Frühlinstag vertröstet hat, ist wieder da und fchiedene Milcharten der ultramikroskopischen Prüfung zu unterwerfen. fragt. Nimmt er sie denn noch, fie, die guter Hoffnung ist? Sie untersuchten die Milch der Kuh, des Kaninchens, der Nage, Das Eishofbäuerlein stukt, schweigt, dann sagt er plöglich: Romm!-des Hundes, des Meerschweinchens und der Frau und haben bei Was wachst, ist Gottesgab '! Hoch droben liegt der Eishof. Nur der Frauenmilch ein auffallend verschiedenes Bild erhalten. Es mit Steigeisen flettert man hinunter, um jeden Zoll breit Boden fehlt darin ein Formbeftandieil, der bei allen anderen Milcharten muß ma raufen". Aber die Mena geht mit: A eigener Fleck Erden im Dunkelfelde wahrgenommen wurde. Man sieht im ultras ist's doch! Mit seiner leeren Wiege bleibt der Hannes zurück und mikroskopischen Bilde tierischer Milch das Plasma von einer großen versinkt feufzend wieder in feine stumpfe Kuechtszufriedenheit: Menge in lebhaftefter molekularer Bewegung befindlicher Körperchen hab mei Arbeit und mei Effen und mit erfüllt, für die von den Entdeckern in einer vorläufigen Mitteilung die Hennen ins Bett." Der Grüßbauer aber macht's fich der Wiener Klerikalen Wochenschrift der Name Laftofonien" vor wieder warm. Weil Brennholz für den Ofen fehlt. schleppt er aus geschlagen tourde. lleber ihre Natur sollen weitere Versuche Klarheit der Kammer feinen Sarg her und gleichmütig und lässig zerhackt er fchaffen. Erst dann würde es wohl möglich sein, ihr Fehlen ihn. in der Frauenmilch biologisch zu deuten.
Verantw. Redakteur: Georg Davidsohn , Berlin.- Drud u. Berlag: Borwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW