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Er fnurrte wohl ganz toilb, fagte aber fein Wort. Und als wir an Bord kamen, eilte er sogleich hinab in die Kajüte.

Sch ging voraus und hinauf auf die Back, und dort hätte Munter mich beinahe aufgefressen vor Freude. Dann rief ich dem Koch, der gegen den Hund und mich immer gut war, und er fagte mir, ich möge ein wenig warten, er würde uns ein Mittagessen geben mit recht guter, frischer Suppe, mit Fleischklößen und Sleisch. Hierauf holte ich meine Harmonika hervor und fing an, all die Melodien zu spielen, die ich von daheim her kannte, und Munter stand bei mir und bellte, so oft ich die Melodie wechselte, affurat so, als er ein wirklicher Mensch wäre und seine Heimat­lichen Gesänge fennte.

Nun kam der erste Steuermann; er sollte mich im Auftrage des Alten fragen, ob ich arbeiten wolle.

" Ich arbeite alles, was ich fann!" antwortete ich und legte Jos mit einer neuen Melodie.

Ob ich dann zu dem Alten in die Kaiüte hinablommen wolle? Sch ging hinab, und da waren die beiden Steuermänner und Der Kapitän beisammen, und der Alte hatte das Protokoll vor sich, und dann reichte er mir eine Feder und fragte mich, ob ich es unterschreiben wolle, daß mir die Heuer für einen Monat ab­gezogen werde, weil ich mich weigerte zu arbeiten?

Jch schaute auf die geder und antwortete dann, ich fönne nur schlecht schreiben.

" Du brauchst nur Dein Zeichen darunter zu sehen!" meinte er mit seinem füßen Grinsen.

Run, meinetwegen!" antwortete ich. Und ich nahm das Tintenfaß und schüttete es über das ganze Protokoll aus,

Run ist es quittiert!" fag' ich.

Und nun sollst Du auf die Festung!" schrie er, ( Schluß folgt.)

Kleines feuilleton.

Kunst.

In der Reihe der modernen Maler, die der Salon Cassirer geigt, ericheint in diesem Monat Mag Slevogt.

zurechtfindet.

Dieser Künstler gehört zu denen, deren Entwickelung in jedem Falle interessiert. Er ist ein ausgesprochenes Maler- Temperament. Er flügelt nicht. Er pofiert nicht. Ein Künstler, dem Malen Freude, Auswirken, Kraftausströmen ist. Dabei hat Slevogt bei aller Un­bekümmertheit, bei allem Temperament doch jene Umsicht, ohne die ein moderner Künstler sich in dem Wirrwarr der Entwickelung nicht Vier Gruppen von Bildern fann man hier unterscheiden, die das Schaffen des Künstlers zugleich verschieden beleuchten. Als erstes ist die Studie eines toten Marders zu betrachten. Wohl ein altes Bild. In trüben, dunklen Farben; aber doch eigen, in der Gesamterscheinung liegt es, die malerisch fein abgetönt ist. Dann kommen eine Reihe Porträts, die als fraft bolle Schöpfungen besonderen Wert haben. Hier sieht man, wie temperamentvoll Slevogt der Natur gegenübersteht, wie er fie erlauscht und bezwingt. Die Farben haben jene äußerste Eindrucks­kraft, die fast materiell wird, und doch ist fene Klippe der grellen Naturnachahmung vermieden. Es ist Uebertragung. Ausgleich und Zucht darin. Und zugleich ist eine staunenswerte Charakteristik darin

erhalten.

Dann die Bilder vom Rennplatz. Wo die mattgrüne Ebene so filbrig schimmert. Wo die Zuschauer so interessante Fleckenwirtung ergeben. Aus dem Ganzen ist eine fast unwirkliche Erscheinung ge­worden, die dennoch das Wirkliche fuggeftiv wiedergibt.

Damit nähern wir uns dem weiten Gebiet, den Märchenbildern. Als solche sind die zu bezeichnen, in denen Slevogt beschreibt, was er nie hat sehen können. Und das ist das Eigene und stellt ihn auf den besonderen Play: er hat den Mut zur Phantasie und er zeigt damit, wie der moderne Künstler auch hier vorgehen kann, ohne von der Natur zu lassen. Bilder aus 1001 Nacht, in denen in beinahe Rembrandtscher Manier märchenhafte Traumerscheinung in einem dunklen Milieu strahlend herauswächst, oder Don Quixote", der, über einen Bergesrüden reitend, in die Schafherde galoppiert, hinter ihm die dunkle Masse Sanchos, das Ganze so lebhaft und leicht und voller Grazie und Schönheit find wichtige Dokumente in der Entwickelung der deutschen Phantafie- Malerei, für die sie eine eigene, neue Etappe bedeuten.

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der die alte akademische Note zeigt: Otto H. Engel Bobin Engel mit seinen friesischen Mädchen, Interieurs, Land schaften strebt, zu der Bildwirkung, die im alten Borbild eines ver gangenen Meisters trüb und dunkel gesehen wird, das hat Lieber mann in ganz neuer Weise errungen. Engel ist langweilig, nüchtern und trocken, er gibt weder Natur noch Kraft. Schüchtern regt sich nur das Wollen. Liebermann gibt frische Natur und zugleich folgt er den Mitteln feiner Kunst und betont nachdrücklich in der Manier der Darstellung zugleich das Künstlerische.

Zwei jüngere Künstler, a to lensky und Brochusen, zeigen in ihren Werken das Borwalten des Dekorativen. Beide folgen den modernsten Franzosen. Brockhufen ist zu sehr nur Schüler. Er kopiert van Gogh und wenn es intereffant ist, wenn bei van Gogh die Farben wie Schlangen fich bewegen, so wirkt das bei einem Nach ahmer manieriert. Jawlensky dagegen gibt mehr her. Er hat eine trübe Farbigfeit, melancholisch und schwer, die wohl im Volklichen beruht und weiß in breiten Flächen und dicken Konturen einen Natur­eindruck dekorativ umzuseßen, Landschaften, Bauerntypen. Dann find noch zwei Meister der Franzosen zu erwähnen: Courbet und Renoir . Beide sind mit je einem Werk vertreten. Courbet mit einem prachtvollen Blumenstrauß auf dunklem Grund, mit allem Detail, liebevoll und beinah deutsch ausgeführt und doch von einer bezwingenden Größe des Eindrucks. Die Landschaft von Renoir zeigt weiches, atmosphärisches Flimmern über einer sommer­lichen Wiese, in der ganzen Feinheit, die beinahe lyrisch ist.

Anthropologisches.

e. 8.

Der Urmensch vom Neanderthal. Die Urgeschichte des Menschengeschlechtes wäre gewiß längst um ein gut Teil weniger dunkel, wenn nicht die Funde menschlicher Reste aus alter Zeit ver­gleichsweise überaus felten wären. Ist man doch zur Erklärung dieser auffallenden Tatsache schon auf die merkwürdigsten Jdeen verfallen, unter denen die Theorie, daß die Urmenschen in Ermange lung eines leichteren Fleischerwerbes sämtlich Menschenfresser ge­wesen seien, vielleicht noch die größte Wahrscheinlichkeit hat. Jedens falls besitzt jeder Fund eines menschlichen Schädels, für den ein borgeschichtliches Alter nachgewiesen werden fann, eine aufsehen­erregende Bedeutung und führt stets zu einer lebhaften wissen­schaftlichen Erörterung. Eine der berühmtesten Reliquien dieser Art ist der Schädel vom Neanderthal, der im Jahr 1856 in der Seanderhöhle zwischen Düsseldorf und Elberfeld entdeckt wurde. Einige Anthropologen erklärten ihn für den Typus des europäischen Söhlenmenschen, während andere, an ihrer Spize Rudolf Virchow , die Ansicht vertraten, daß die eigentümliche Form dieses Schädels auf eine tranfhafte Veranlagung oder Entstehung zurückzuführen lönne. Heute nach mehr als 50 Jahren ist dieser Streit noch immer sei, also nicht als Merkmal einer nicberen Rasse betrachtet werden nicht zur Ruhe gekommen, denn Profeffor Sollas hat der Royal Society " jezt eine umfangreiche Arbeit über die Neanderthalrajse eingereicht. Der Grund zu den Untersuchungen diefes hervor ragenden Balaeontologen war der Bergleich europäischer Funde, die dem Neanderthalmenschen gleichgesezt werden, mit den förper­lichen Eigenschaften der Urbewohner von Südaustralien . Der Forscher findet givischen beiden eine viel größere Mehnlichkeit, als fie bisher angenommen worden war. Besonders stüßt sich Sollas auf einen in einer Höhle des Felsens von Gribaltar gefundenen Schädel, der auch einem Vertreter der Neanderthalrasse gehört haben soll und sich durch eine besonders gute Erhaltung auszeichnet, weil sich die Gesichtsfnochen in unverändertem Zusammenhang mit der Schädeltapjel befinden. Die Wölbung dieses Schädels ist sehr flach, das Geficht sehr lang, die Nasenöffnung ungewöhnlich plötzliche Renderung der Wiegung in die Glabella, den Zwischen breit und groß. Jm Profil geht die Nasenfurve ohne irgend welche raum zivischen den beiden Augenbrauen

über.

Diefe Eigenschaft unterscheidet den Schädel von dem der Auftralier. eine ungewöhnliche Höhe über der Mittellinie des Gesichts. Das Wie bei allen Schädeln der Neanderthalraffe besitzt die Augenhöhle Vorstehen der Backenfnochen, die so oft als Raffenmertmal auf. treten, ist bei dem Schädel von Gibraltar faum merklich. Im Rauminhalt, der einen gewiffen Rückschluß auf die Größe des Gehirns und damit auch auf die Entwickelung der Intelligenz ge ftattet, gleicht der Gibraltarschäbel anderen Schädeln der Neander halrasse, indem er etwa 1250 Aubifzentimeter mißt. Der mittlere Echädelinhalt bei den Australieen ist etwa ebenso groß, jedoch hat dieser Vergleich nicht viel Gewicht, weil der Schädelinhalt bet Südaustraliern z. B. zwischen 1100 und 1460 Stubilzentimetern. ein und derselben Raffe in weiten Grenzen schwankt, bei ben von Trinil auf Java noch immer höher einzuschäzen, als es nach den Sollas scheint übrigens die Bedeutung des berühmten Affenmenschen Untersuchungen von deutschen Forschern geschicht, und findet in ihm unter gewissen Voraussetzungen doch das vielgesuchte missing Mensch. Golla3 fnüpft nämlich an die erwähnte Tatsache der großen Schwankungen der Schädelform an ein und derselben Raſſe an und meint, der Pitekanthropos ftelle möglicherweise auch nur das Mittel einer in ähnlichem Grade veränderlichen Raffe dar, und dann würde die ertreme Form einer solchen Raffe die Kluft zwischen dem Menschen und den höheren Affen fast völlig überbrücken.

Reben Slevogt steht Liebermann . Liebermann verfügt über ein gebändigtes Temperament. Slevogt ist hinreißender. Liebermann überschaut mit einer fühlen Intelligenz, die dem Normalen so günstig ift, feine Arbeit. Slevogt hat momentanere Wirkungen und im Grunde link", das fehlende Glied in der Entwickelung zwischen Affe und ist er der ursprünglichere. Liebermann strebt zu jener fünstlerischen Neife und Ausgeglichenheit, die den Engländern eigen ist. Aber Ivenn jene im letzten Grunde trotz aller Feinheit für uns tot wirken, da so wenig Fruchtbares in ihnen ist, sie selbst wohl Kultur und Einfluß verbrauchen, aber nicht neu schaffen, so muß man Lieber manns Stunft stärkere Wirkung zuschreiben. Wie um ein lehr reiches Beispiel zu geben, hat man die ganze gegenüber­liegende Band von Bildern eines Malers einnehmen lassen,

Berantiv. Redakteur: Georg Davidsohn , Berlin.- Drud u, Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.