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Wie in der Politik, so erklärte Daumier im gesellschaftlichen Leben allem Veralteten, allem Kulturwidrigen den Krieg. Das inhaltslose fünstlerische Epigonentum der dreißiger Jahre verhöhnte er in unsterblicher Weise in den 50 Blättern feiner Histoire ancienne "( Klassische Geschichte). Aber ebenso tämpfte er für un­verstandene Größe. Als 1865 Courbet von den künstlerischen Machthabern Frankreichs unterdrüdt wurde, da popularifierte er den Kollegen und führte durch eine Reihe köstlicher Satiren das Publikum vor Courbets Bilder.

Wie fläglich, wie ärmlich ist diesem großartigen Schauspiel gegenüber die deutsche Karikatur des 19. Jahrhunderts, wie flein­lich find mit Daumier gemessen selbst die bedeutendsten Namen der deutschen Karikatur jener Beit. Aber das ist das tragische Verhängnis einer Klaffe, die ihre historische Aufgabe nicht zu er füllen vermochte, die kläglich vor dem Absolutismus fapitulierte und deren gesamte spätere politische Existenz nur ein fortgesetter, ebenso fläglicher Kompromiß mit den Mächten der Reaktion ist. In diesem Boden konnte keine historische Größe wurzeln, und darum ist auch keine daraus hervorgegangen. Die deutsche Kari. fatur war nur kleinlich, felbft im Großen.

Daumier war von der Natur mit dem Talent des großen So geht es fort. Man muß sich selbst bei der bloßen Kapitel Satirikers beschenkt worden, zu dem sich das eines ebenso tiefen nennung einschränken. Als der deutsch - französische Krieg in Baris Humoristen gesellte. Seine Satire war einfach und unerbittlich aur Kommune führte, stand umier selbstverständlich auf der und ging stets bis auf die Knochen; fein Humor hatte die wonnige Seite der Kommune. Alle gr Ben Künstler Frankreichs standen Wärme der Frühlingssonne. Mit seiner Satire holte er die Gößen auf ihrer Seite. Bon Courbet war er in die Kommission berufen, des Tages von ihrem Piedestal herunter, auf dem fie breitbeing die von der Kommune zum Schutz der Pariser Kunstschätze bestellt pofierend standen, und mit seinem Humor erweckte er zugleich worden war. das vergnügtefte, triumphierende Lachen. Aber es ist nicht der bos­hafte Spötter, der einzig aus Scheelsucht lacht und medert. Aus seinem Lachen hört man stets den Menschenfreund heraus. Der wirkliche Humorist liebt stets den, den er verlacht, d. h. er liebt die Menschen am tiefften: er lacht, um nicht vor Schmerz und Mit­gefühl in Tränen ausbrechen zu müssen. Die großen Humoristen find stets ernst, find in ihrem Wesen Tragiker. Daumier war ein solcher Humorist, keiner hat die Menschen so geliebt wie er. Ebenso ernst ist feine Satire. Sie ist frei von oberflächlicher, spielerischer Witelei. Nicht selten ist sein Witz tragisch, es ist jener erhabene Witz der Großen der Kunst, wie man ihn z. B. auch bei Shakespeare trifft. Ein wunderbar sittlicher Ernst beherrscht bei ihm alles, und wenn es auch von den Genien des übermütigsten, alles bezwingenden Lachens umgaufelt ist. Das flingt parador, aber gerade dieser Ernst macht seine Werte so tief bedeutsam. Es ist der große Wih der Weltgeschichte, der in seinen Bildern lebt und der hier ladend feine undergänglichen Urteile fällt.... Daumier war im höchsten Maße produktiv und unerschöpflich wie jedes echte Genie. Es ist ganz unmöglich, hier auch nur in großen Zügen den Inhalt feines Schaffens zu umschreiben; es gibt kein Gebiet des geistigen und öffentlichen Lebens, teine Gewiß hat Frankreich seinen bürgerlichen Heroen auch nicht politische Frage vom Jahre 1830 bis zum Jahre 1872, die er nicht mit Reichtum und Lorbeeren gelohnt, im Gegenteil, mit einem im Brennspiegel seiner das Wesen der Sache stets heraushebenden wahren Tagelöhnerlohn mußte Daumier sich durchs Leben fristen. Satire vorgeführt hätte, sein Lebenswerk umfaßt daher nichts mehr, Das trat vor allem tragisch in Erscheinung, als er den Litho­aber auch nichts weniger als eine ganze, und man möchte fajt Graphiestift mit der Malerpalette vertauschte. Man schüttelte den Kopf, verstand ihn nicht und ließ seine Gemälde gänzlich un fagen erschöpfende Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. Die unvergänglichen Typen, die Daumier schuf beachtet, so daß er nach wenigen Jahren wieder an die Futter­tt eben, wie schon erwähnt, das Monumentale seines Stile: das frippe der Tagesfron zurüd mußte. Das ist um so tragischer, da Einzelindividuum fteigerte er ftets zum Repräsentanten feines man heute feststellen muß, daß Daumier auch als Maler an der Standes, feiner Klaffe find wie Kapitelüberschriften über die künstlerischen Spize des bürgerlichen Emanzipationsgedankens Hauptabschnitte der politischen und kulturellen Geschichte des marschiert. Nicht nur stofflich durch seine herrliche Verkörperung bürgerlichen Frankreichs im 19. Jahrhundert. Mit dem Bürger- Emeute" oder auf der Barrikade", durch die grandiose Symboli des revolutionären Willens in den wunderbaren Gemälden die tönigtum sezte die Herrschaft des Bürgertums nach der siegreichen fierung der Republik in dem gleichnamigen Bilde usw., nein, auch in Julirevolution ein. Mit der grotest- tomischen Erhebung Louis Philipps zum König der Franzosen durch die bürgerlichen Geschäfts- der neuen malerischen Form, die er schuf. Was einen der Größten politifer Lafitte u. Co. hatte aber auch das Bürgertum feine die von Daumier geschaffene monumentale Linie, was dem heute der französischen Kunst berühmt machte, Francois Millet , das ist politischen Jugendideale verramscht, und unter dem Titel Bürger- noch lebenden Degas die hohe Bewunderung einträgt, das ist die fönigtum" wurde die neue Firma in das Handelsregister der Bewegung, für die Daumier den künstlerischen Ausdruck geschaffen Weltgeschichte eingeschrieben. Daumier gehörte zu jenen ehrlichen hatte. Alle diese modernen Formen gehen auf Daumier zurüd. Revolutionären , die die Konsequenzen des Sieges der Revolution gezogen haben wollten und die nicht auf die Barrikade gestiegen waren, nur deshalb, damit eine bürgerliche Ausbeutungsfompagnie an Stelle der Feudalen tritt. Als es aber so tam, da stand er am Tage nach dem Siege, den er felbst mit dem Gewehr in der Hand miterfochten hatte, auch auf der Seite derer, die nun die Sieger bekämpften. Und da für das neue Geschäft Louis Philipp der Firmenträger wurde, so war es dieser, auf den sich die Angriffe fonzentrierten. Niemals in der Geschichte des Bürgertums ist die Monarchie so konfequent, aber auch niemals so geistreich befehdet worden, wie damals vom Stabe des Charivari", und das schlagendste und kühnste dabei leistete Daumier . Unersättlich in feiner persönlichen Habgier war die gekrönte Birne, denn so war Louis Philipp wegen seines Birnenkopfes getauft worden, als unerfättlichen Fresser Gargantua, der ungezählte und ungemeffene Säde Geldes verschlingt, so zeichnete ihn Daumier. Das war sein Debut in der politischen Karikatur. Mit sechs Monaten Ge­fängnis mußte er es büßen. Hundertfach zahlte er es heim.

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denn das

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Als den Beutepolitikern des Bürgerfönigtums das Geschäft durch die revolutionäre Opposition zu sehr gestört wurde, befehrte man sich offen zur brutalen Neaktion. Durch die Septembergefeße vom Jahre 1834 wurde die Presse geknebelt und die politische Karikatur niedergewürgt. Aber elle marche pourtant die Wahrheit soll trozdem marschieren, proklamiert Daumier mit dröhnendem Lachen. Hieß das erste Kapitel Gargantua, so hieß das nächste Kapitel Robert Macaire. Wieder ein klassischer Thp. Unter dem Namen Robert Macaire schuf Daumier den Typ des strupellosen Gauners, der auf jede Art und Weise Geld macht, d. h. durch hundert kapitalistische Gaunerpraktiken das Volk aus­zubeuten versteht. Dürfen wir die Personen nicht mehr treffen, so treffen wir die Sache, sagte man fich. Und man faßte sie und ließ sie nicht mehr los, bis das Bürgerkönigtum im Februar 1848 niedergerungen war. Robert Macaire versinnbildlicht die Ge­schäfte machende Bourgeoisie in ihren wilden Flegeljahren, in einer Einzelfigur verkörpert, aber es ist der Typ, in dem sich alle Eigen­schaften der Klasse fammelten. In rund hundertfünfzig Bildern schuf Daumiers fruchtbarer und furchtbarer Zeichenstift das un­bergängliche fatirische Denkmal dieser Epoche der modernen tapitalistischen Entwickelung.

Auf Robert Macaire folgte am Beginne der fünfziger Jahre Ratapoil der Thp, in dem Daumier die ruchlose Dezember­bande, Napoleons des Dritten Preisfechter und politische Zuhälter und somit ihn selbst geißelte. In nicht weniger Bildern, in rund 200 fogar, und jedes neue grimmiger als das vorhergegangene, hat er hier den Kampf geführt.

was von jeder Lithographie, von jedem, dem feinsten wie dem Weil dieses aber der Fall ist, darum gilt auch von ihnen allen, größten Gemälde Daumiers im einzelnen gilt. Diese ewige, nie berlöschende Lebensflamme, die uns daraus entgegenlodert, ist einzig genährt und entwidelt von dem revolutionären Inhalt, der Daumier erfüllte und der durch ihn sichtbare künstlerische Form geworden ist.

Davon wird man, wie gesagt, heutzutage sehr wenig oder gar nichts hören. Aber gerade darum ist die Klaffe, deren Kämpfe er geführt hat, als diese noch Ideale hatte, im letzten Grunde heute genau so undankbar wie ehedem, wo sie diesen Riesen der kläg­lichen Not überließ, und er nur durch die Treue eines Freundes davon bewahrt blieb, Hungers zu sterben, als ihm eine unerbitt­lich fortschreitende Erblindung im Jahre 1872 den unermüdlichen Beichenstift aus der Hand zwang.

Wenn das Proletariat des hundertsten Geburtstages Honoré Daumiers in der Weise gedenkt, daß fie diesen Mann in einen großen historischen Gesichtswinkel rüdt und die gligernden Maß­stäbchen der äfthetisierenden Fachkritik beiseite läßt, glaubt es, diesem großen Soldaten der bürgerlichen Revolution mehr Ehre zu tun, als ihm durch die laut Hlingenden ästhetischen Verhimme­lungen seiner Klassengenoffen geschieht, die doch nur das verbergen oder verraten, daß der revolutionäre Inhalt und die historische Logik der Dinge ben leinen Nachfahren unbequem oder unbere ständlich geworden ist.

Neue Liebe.

Bon C. G. Grumblat.

ds.

Er hatte wieder Arbeit gefunden in dem Borort, dem er ein ganzes langes Jahr ferngeblieben wat. Nein, zehn Monate waren es wohl gerade ber, feit er im Herbstsommer an jenem dunft­schweren, schwülen Juliabend an die Dachstubentür seiner Frau ge­flopft, die Zähne zusammengebissen.

Raß mir rinn, Marie

Sie hatte nicht geöffnet.

Nur der Schlüssel drehte fich noch einmal im Schloß berum, gerade fo, als ob die dünne Holztür das junge Weib noch nicht ficher genug vor ihm schütte, das er vor ein paar Monaten um einer anderen willen verlassen hatte. Sie und das Kind, das im Weihnachtsmonat geboren war.

Der Mann hörte es schreien, als er geflopft hatte. Und einen Augenblick aucten seine Fäuste, als ob sie das morsche Holz, das