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als die das Buchstabenstelett deutlich geigende Antiquaschrift. Eine] Bald waren der Platz vor dem Bahnhofe, die Alleen der Stadt, nur aus Anfangsbuchstaben gesetzte Beile ist noch immer vortrefflich der Eingang in die Ticharschi und das Umfassungsgitter, ja selbst zu lesen, wenn Antiquaschrift verwendet wird, dagegen unleserlich, der Springbrunnen vor der Ferhadi- djami, der größten unter unferen sobald wir dasselbe mit Frattur versuchen wollten. Und es ist taum 46 Moscheen, von Menschen bedeckt. Auf den Bänken, den Bord eine Uebertreibung, wenn behauptet wird, daß fast tein Gebildeter, steinen der Bürgersteige, an ten Straßengräben überall faßen und der täglich Hunderttausende von Frakturbuchstaben beim Lesen der hockten sie in Reihen, Rudeln und Gruppen die Alten wortfarg Beitung mit den Augen verfalingt, imftande ist, aus dem Kopfe die und ernst, die weitaus zahlreicheren Knaben in lebhafter Unterhaltung. Umrisse einiger gotischer oder Fraktur- Anfangsbuchstaben nieder- Die Sonne brach hervor und leuchtete in das grellste Farben­zuzeichnen, während ihm dies mit allen lateinischen sofort gelingt. gewimmel der Trachten. Der Fez der Jungen, die gelbgestickte Es ist daher begreiflich, wenn seit geraumer Zeit fich gewichtige Ahmedija der mehr oder weniger Gelehrten, die Kopfbinde der Stimmen für die alleinige Benutzung der Antiqua erhoben und, Softas( Priesterschüler), die weiße Räuber" Stappe der Wasserträger, in Anerkennung des hervorragenden ornamentaleren Charakters der farierte Wickel der Bauern, furz alles das, was man in Deutsch­der gotischen Schriften, gefordert wird, diese nur in künstlerischen land Turban nennt, war da vertreten. Auch Serbinnen in bunten, Bweden dienenden Ausnahmefällen zu verwenden. Nichtsdefto- weiten Hosen sammelten sich neugierig, und fatholische Schokiße, die weniger wird es diesbezüglich wohl noch lange beim alten bleiben: hängenden Zöpfe mit Münzen, Muscheln, Glasperlen, Fingerhüten(!) der Deutsche wird Fraktur und Antiqua pflegen. Die erfte, wenn und dicken Strähnen schwarzer Wolle durchflochten. das Buch oder die Zeitung von vornherein nur für deutsche Leser gedacht ist, die zweite, wenn es in der Natur des Pressenproduktes hengst im Galopp durch die Menge den Pilgern entgegen. Das Um 10 Uhr sprengte ein junger Beg auf einem winzigen Fuchs gelegen ist, daß auch anderssprachige fich feiner bedienen. Dies Pferd mit der goldbordierten Schabrace, der halbwüchsige Junge ist zumeist der Fall bei Büchern und Beitschriften wissenschaftlichen darauf ein Vorwurf für Joanovich, den berühmten Balkan und fachtechnischen Inhalts. Aber eins ist sicher: Künstler, Arzt maler ! Bald folgten in Landauern die Angehörigen der Pilger. und selbst ein großer Teil der Menge sind einig der Meinung, Wieder verging eine Stunde. daß die vielen schwächlichen Schriften, die noch heute zum Drude bieler Werke angewendet werden, gleicherweise häßlich und un­gesund sind. Und so ist man bestrebt, allmählich auch bei wissen schaftlichen Werken, Schulbüchern, Katalogen usw. Schriften zu benügen, welche hygienischen und ästhetischen Anforderungen besser nachkommen. Derartige Schriften, desgleichen solche, bei denen bas ornamentale Moment vielleicht stärker betont ist, als dem durch Buch um Buch hastenden, nur das Wortbild erhaschenden, daher mehr erratenden als lesenden Leser lieb ist, besitzen wir heute dank den Bemühungen vieler Künstler und Fachleute wieder in reichem Ausmaße. Man kann einen Roman, eine wissenschaftliche Ab­handlung usw. in einer Brotschrift" seßen, die durch kein Bei wert, durch teine eigenwillige Strichführung ablenkt, und man tann anders für besonderen Zweden gewidmete Werke wählen, bei welchen eine fünstlerisch individuell behandelte Legischrift das eigenartige Wesen z. B. eines Buches, das eine Dichtung und dazu geschaffene Illustrationen birgt, wesentlich erhöht.

( Nachdrud verboten.)

Die Mekkapilger kommen!

Von Roda Roda .

Banjaluka , Bosnien .

Vor einer Woche schon hatte der alte Sabji- beg") einen Brief aus El- Tor bekommen, der Quarantänestation am Abhange des Sinai . Hadji- beg fann zwar nicht lesen, er wußte aber doch gleich, daß der Brief von seinem Sohne komme, der eben aus Metka zurückkehrte. Aufgeregt lief der Alte durch das Geschäftsviertel( die Tscharfchi), den Brief immer in der Hand, zum Mufti, dem höchsten unter den hiesigen muselmanischen Kirchengelehrten. Und wer immer Hadji- beg mit dem Briefe eilen fah, wußte, was er neues melde: Die Meffapilger fommen!

Eine Woche später rief ein Telegramm der Regierung den Kreisarzt nach Slawonisch- Brod an die Landesgrenze, wo eine neue ärztliche Untersuchung und Desinfektion der Pilger erfolgt.

Die Nachricht verbreitete fich wie ein Lauffeuer. Beide Türken quartiere: Gornjischeher", die obere Stadt, und die Mahala preko Werbas", das Bolizeirevier am rechten Werbasufer, schiebten in einem Hangen und Bangen, ob der Kreisarzt die Wallfahrer nun noch einmal zurückhalten oder frei passieren lassen würde.

Heute morgen erreichte die Spannung ihren Höhepunkt. War auf der Reise von El Tor an fein verdächtiger Strankheitsfall vorgekommen, dann fonnten die Mettapilger Vormittag eintreffen.

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Freilich vollzählig werden sie nicht zurüdlehren. Wenn neue Unglücksfälle die Nachrichten des El- Tor- Briefes nicht überholt hatten, waren unsere fünf Hadjis zwar der Cholera glücklich ent­gangen die Cholera, die auch heuer wieder in der heiligen Stadt Mohammeds wütete. Aber Hadji- Edhem- begs Frau, die Edhem Hadjiniza, war schon auf dem Wege nach den Heiligtümern unter der Menge neuer Eindrücke wahnsinnig geworden und verübte vor Schreck über den Anblick friedlicher Beduinen einen Selbstmord. Sie schnitt sich nämlich in Dschidda , der Hafenstadt Meffas, mit einem Rasiermesser die Kehle durch. Ihr Söhnchen, der kleine Omer, wieder war blatternfrant in El- Tor eingetroffen und schwebte zur Beit, als der Brief an Hadji- beg abging, noch zwischen Tod und Leben. Die drei Männer waren gesund.

Nach dem Ramazan- Bajram , dem muselmanischen Karneval, wenn man so fagen darf, waren sie von hier zur Pilgerfahrt auf­gebrochen. Edhem- beg mit Weib und Kind, dann Husejin- aga reisten für sich und auf eigene Kosten, Nagib Tabakitsch aber als Bedel" Stellvertreter einer verstorbenen reichen Witive, die in ihrem Letzten Willen eine Bilgerfahrt zur Staaba geftiftet hatte, um sich das Paradies zu erlaufen. Allah rahmet ejle möge fie in Gott ruhen!

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Der Eisenbahnzug aus Agram lief ein ohne die Hadjis. Nichteingeweihte wollten enttäuscht heimkehren. Die große Masse wußte aber, daß die Erwarteten schon in Okutschane den Zug ver lassen und mit Wagen auf der Landstraße kommen würden. die Menschen, die sich erhoben, die Augen beschatteten und die Straße Endlich, endlich, gegen Mittag ging eine Bewegung durch all entlang nach Nordost blickten.

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, Hadjines mubarek olsun!"

Dugend Wagen die Pilger und ihre Verwandtschaft. Die Fuhr Wieder voran der Neiter auf dem Fuchs- ihm nach in einem werke halten, die Menge drängt sich in festlicher Freude herbei, die sonnengebräunten Hadjis steigen aus. Gefegnet Eure Bilgerfahrt 1" ruft der Mufti, der heute seinen himmelblauesten Kaftan trägt. Ein Hadji nach dem anderen umarmt ihn zuerst von rechts, dann von links Verwandten, Freunde, Bekannten und Unbekannten an und nun geht ein endloses, allgemeines Umarmen der erst rechts, dann links bei jedem Einzelnen. Safagjuldun hoschgjuldun!"- kommen!" ruft der Begrüßende.

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immer

" Froh und glücklich ge­

Safabuldug- hoschbuldug!" antwortet der Hadji.

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Der älteste Hodja erklimmt einen kleinen Erdhügel und spricht das Gebet, die Hände vor sich, als lese er in einem Buche. Amin ! Amin! Amin! Amin!" rufen Hunderte von Kinderfehlen gleichmäßig im Chor. Wenn einer im Schreien nach läßt, kommt der Softa mit einem Baumzweig und schlägt den Schuldigen und seine Nachbarn zwei, dreimal über den Kopf. Amin!- Amin!

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Amin!"

Bald ist auch das vorbei. Die Menge kommt wieder in Fluß. Drei Munadjatli, Chorknaben, an langen, goldgestickten Schleier­tüchern fenntlich, die ihnen vom Fez herniederflattern, schlagen fingend den Weg nach der Ticharschi ein. Ihnen auf dem Fuße folgen zwei Tegbirdji", Vorbeter, dann die Hadjis, die Priester und Priesterschüler alle nur an der Kopfbedeckung von dem übrigen Schwarm der Gläubigen unterscheidbar, der sich in breitem Strome anschließt. Es geht noch zu einer kurzen Andacht in die Moschee und endlich, immer gleich feierlich, nach Hause.

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In Hadji- Edhem- begs hof ist schon seit vorgestern Belagerungs­zustand. Eine alte Kochfrau bäckt Halwakuchen, Süßigkeiten aller Art, stellt die Dunsttöpfe mit den eingemachten Rosenblättern bereit, schmort, fiedet, focht und brät, daß Gott erbarm. Diener haben gestern abend ein Blutbad unter den Hammeln angerichtet und wenden jetzt fleißig die Spieße.

Durch das Flechtwerk des Holzgitters lugt aus dem Frauent haufe die Begowiza. Der alte Hadji- beg selber aber läuft hin und wieder. Er hat sogar die Andacht der Moschee versäumt, um den Gästen des heimkehrenden Sohnes nur ja den besten Empfang zu sichern.

Die Rochfrau freut sich auf den fleinen Omer, ihren Liebling, der elso die Blattern glücklich überstanden hat. Sie wird, versichert fie, mit zehnfachem Eifer an die Arbeit gehen, wenn er erst in etlichen Jahren heiraten wird.

Schemß'aga, der steinreiche Nachbar, feines Zeichens ein Kauf­mann, steht im Tor und sieht schmunzelnd zu.

Wann gehst Du einmal nach Metta , Aga?" fragt ihn Jlija, der andere Nachbar, ein Serbe.

Nie!" flüstert ein loses Maul. Denn wer erst an der Kaaba fündenrein geworden, darf fürderhin nicht mehr lügen und betrügen!"

Kleines feuilleton.

Literarisches.

Christen Bundgaard, mit dem wir unsere Leser Heute bekannt machen, ist ein junger dänischer Knecht und Landarbeiter. Er hat wie viele seiner felaffengenossen das Elend und die Schidiale des wandernden Proletariers fennen gelernt. Tausende leiden, schweige fam, oder ihre wilden Proteste verhallen ungehört. Diesem aber *) Hadji( j" wie in jour"): Meffapilger. Beg: etwa reiberr. war es gegeben zu fagen, was er selbst erfuhr und mitfühlend be

Heute am Morgen brachte eine Depesche von Behörde zu Be­hörde endlich die langerfehnte Botschaft: fie fommen!