. Kleined feuilleton. Dom 1. April. Ein reicher Kranz von Legenden und Volks- Meinungen umrankt den ersten Tag des launischen Aprilmona der von altersher da? Privileg hat, oen eintönig ernsthaften Gang der Wochen und Monate, die Sorgen und den Ernst des Lebens als ein neckischer Kobold zu verhöhnen und zu verspotten. In Andersens   Märchen entsteigt die bunt zusammengewürfelte Gesell. schaft der Monate einer ungefügen Postkutsche, und in der Schar oer Zwölf erscheint Freund April als ein übermütiger, toller, lustiger, lebensfreudiger Bursche, dessen sprühende Laune s'ch sofort in einem lustigen Aprilscherz äußert. Viele sehen noch heute in dem alten Recht, am 1. Apriltage unter den Freunden allerhand lustige Verwirrungen zu stiften und die Gutgläubigkeit der Daseinsgenossen ein wenig in die Irre zu führen, eine Parallele zu der launischen Wetterwendischkeit des unberechenbaren Monats, dessen größte Freude es zu sein scheint, uns mit strahlendem Sonnenschein ins Freie zu locken, um uns dann in grausamer Bosheit mit einem jähen Regenschauer in Not und Pein zu stürzen. Andere sehen in dem t. April den Geburts- und Todestag des Erz- schclmcn Judas, und mit Misttrauen erwarten sie das Wieder- kehren des unheilvollen Tages, da alles Vertrauen mistbraucht und aller Glaube betrogen wird. Auch Noah wird als Ahnherr für die Sitte des Jndenaprilschickens heraufbeschworen, der irrtümlich eine Taube ausfliegen liest, bevor das Wasser gefallen war. und zwar am 1. Tage eines Monats, der unserem April entspricht. So wir er, ohne es zu wollen, der erste, der am 1. April einen unausführ- baren Auftrag erteilte, und die lustigen Witzbolde, die ihren Mit- menschen an diesem Tage so gern zum Opfer eines harmlosen Gcherzes machen, berufen sich auf den Auftrag, den Noah seinerzeit der Taube erteilte. Eine andere Version führt den Brauch auf das Hin- und Herschicken Christi von Kaiphas zu Hannas zurück, und die Passionsspiele des Mittelalters, bei denen diese Szene dargestellt wurde, mögen manches dazu beigetragen haben, die Volksseele mit dem Aprilscherz zu befruchten. Denn im Altertum war die Sitte unbekannt, und Grimm nimmt an, dast sie erst in den letzten Jahrhunderten aus Frankreich   nach Deutschland   ver- pflanzt wurde. Man hat in ihr vielleicht entstellte Ueberreste eines alten heidnischen Festes zu sehen, wahrscheinlich eines keltischen, das zu Beginn des Frühlings gefeiert wurde. Es ist heute kaum mit Sicherheit zu entscheiden, ob die Sitte des April- scherzes vom Volke in die Paläste drang, oder umgekehrt; aber schon zur Zeit Ludwigs XIII. waren am Hofe allerlei Tollheiten und Irreführungen am 1. April erlaubt, und alles amüsierte sich über einen Prinzen aus dem Hause Lothringen  , der sich mit seiner Gattin als Bauer und Bäuerin verkleidete und auszog, die Schild- wachen zu foppen. Allein der Ehrgeiz der modernen Witzbolde begnügt sich nicht mehr ausschließlich mit den harmlosen kleinen Scherzen, die ehedem gang und gäbe waron und in den ländlichen Bezirken noch heute ihre Zugkraft bewähren. Da schickt der Ober- knecht den Stallbuben zum Krämer, um Dukatensamen einzuholen, leichtgläubige Mädchen verlangen in der Apotheke für einen Groschen Storchenmilch und Adoramustee, wie ihn Maria ge- trunken, und unentwegte Idealisten machen am t. April immer wieder von neuem den Versuch, sich durch gute Freunde einige Tropfen von dem wunderwirkcnden Maurerschweist zu verschaffen. Mit der EntWickelung des Zeitungswesens ist dann auch der Ehr- geiz erwacht, mit einem einzigen Scherze möglichst viel Gut- gläubige zu nasführen, und es ist oft erstaunlich, wie zäh und be- harrlich bisweilen solche Aprilscherze fortwirken, ehe ein Heller Kopf sie entlarvt. Vor einigen Jahren leistete sich ein französischer Student einen Scherz, der längere Zeit der Gegenstand eifrigster Diskussion gewesen. In einem Pariser   Blatte annoncierte er die Mitteilung, dast er auf den Höhen des Montmartre einen ver- witterten Stein mit der rätselhaften InschriftClü STI CI LEG HEM IND ESAN ES" entdeckt habe. Die geheimnisvolle In- schrift verwirrte die Gelehrsamkeit aller französischen   Archäologen, und die ganze Weisheit der Academie des Jnscriptions war außer- stände, den Sinn dieser fremdartigen Worte, die keinem Idiom anzugehören schienen, zu deuten. Die Rätsellöser machten sehr lange Gesichter, als der Entdecker der Inschrift schließlich den Schlüssel kündete:C est ici le chemin des äncs"(dies hier ist der Weg für die Esel). Eine gelungene Nasführung vollbrachte im Jahre thW die N-w DorkerSun". Sie brachte einen langen Aufsatz über ein wunderbares neues Teleskop, das Hörschel   und Brewster erfunden haben sollte und mir dem es gelungen sei, die kleinsten Gegenstände auf dem Monde zu erkennen. Basaltfelsen mit Mohnblumen waren beobachtet worden, Felder, Bäume, grünende Täler, Tiere, die Auerochsen glichen, ein Einhorn. Pelikane, und was das wunderbarste von allem war: ein seltsames Wesen von der Gestalt eines Orang Utang mit riesigen Fleder  - mauSflügeln, dasVespertilio Homo" getauft wurde. Alle führenden Blätter gingen in die Falle und erörterten ernsthaft die Konsequenzen dieser Entdeckung, die sich erst Monate später als ein Aprilscherz von R. A. Locke erwies und die von allen Blättern angekündigte..neue Aera der Wissenschaft" zunichte machte. Und schliestlich ist auch Edison, der graste Erfinder, einmal der Held eines gelungenen Aprilscherzes gewesen; man kann nicht leugnen, daß sein- Art, seine neuen Entdeckungen anzukündigen, viel dazu beigetragen hat, daß de- Spaß so erfolgreich war. ImNew Uork Graphic' erschien am 1. April die Ankündigung, Edison habe eine Maschine hergestellt, die Getreide aus Erde zu bereiten und Wein aus Wasser zu machen imstande wäre. Die Meldung ging in die anderen Blatter über, und die Leitartikler flössen über von beredtem Lob des genialen Erfinders, den sie..zu seiner revolu- tionären Entdeckung beglückwünschten, durch die die Schwierig» leiten des Lebens für unzählige Millionen gelöst wären". Der New flork Graphic" druckte eine Anzahl dieser überschwenglichen Leitartikel ab und schrieb sarkastisch darüber:Sie beisten an". Erst jetzt mcrkwn viele, daß sie auf einen Aprilscherz herein» gefallen waren. Naturwisseuschaftliches. Vom Farbensinn der Vögel. Während das Problem vom Sehen der Tiere bislang fast ausschließlich vom Anatomen untersucht worden ist, hat Professor C. H e st mit der Anwendung physiologischer Experimente eine neue Bahn beschritten, und über die Ergebnisse seiner Forschungen, die sich zunächst auf die Seh- fähigkeit der Vögel erstreckt haben, gibt er in derUmschau" einige interessante Einzelheiten. Die Versuche haben ergeben, daß alle Vogelarten, die bei den Experimenten geprüft wurden, bei der Aufnahme ihrer Nahrung sich ausschließlich vom Gesichtssinn leiten lassen. Selbst ein ausgehundertes Huhn beginnt nicht die vor ihm liegenden Körner aufzupicken, wenn der Raum so stark verdunkelt ist, daß es die vor ihm liegende Nahrung nicht sieht. Professor Heß hat dann auf dunklem Grunde eine Anzahl Weizenkörner ausgestreut und darüber in einiger Höhe einen schmalen Stab an- gebracht, der einen Schattenstreifen über einen Teil der Körner warf. Das Huhn pickte nur die austerhalb dieses Schatten liegen- den Körner auf und ließ die andern liegen. Man kann auf diese Art ganze Silhouetten aufpicken lassen, ohne dast von dem Tiere die im Schatten liegenden Körner beachtet werden. Ein Experiment mit einem jungen Turmfalken gab dasselbe Resultat. Man setzte den Raubvogel vor eine von oben beleuchtete dunkle Fläche, in der Weise, dast ein etwa zehn Zentimeter von dem Tier befindliches Flcischstück hell belichtet war. Der Falke stürzte sich sofort auf da? Fleisch zu, wobei jedoch die Beute in den Schatten seines eigenen Kopfes geriet. Das Tier war nur noch ein bis zwei Zentimeter von seinem Leckerbissen entfernt, aber cS hielt sofort inne und zog den Kopf zurück, ohne daS Fleisch zu fassen. Durch die Kopf- bewegung wurde der Köder wieder sichtbar nnd der Falke stürzte sofort wieder darauf hin. Außerordentlich interessant sind alsdann die Versuche, die mit farbiger Belichtung gemacht wurden. Auf einem mit schwarzem Tuch bespannten Tische wurden Reis- und Weizenkörner ausgestreut und mit Hülfe einer Bogenlampe ein Spektrum über die Fläche geworfen. Die Hühner begannen als- bald zu picken, aber sie nahmen zuerst die in dem roten und gelben Teile liegenden Körner und wandten sich erst dann zu den gelb- grünen und grünen. Die blauen und die violetten Körner aber und zum Teil auch die blaugrünen blieben unbeachtet und wurden auch nach längerer Hungerzeit nicht berührt. In dem Körnerstrcif entstand dabei eine scharf begrenzte schwarze Lücke, die genau mit der Grenze des Spektrums am roten Ende für unser Auge zu- sammenfällt und auf der andern Seite vom Grünblau flankiert ist. Daraus ergibt sich die interessante Tatsache, dast die Hühner das Spektrum am roten Ende genau so weit sehen wie wir; am kurzwelligen Ende dagegen ist für diese Vögel da? Spektrum stark verkürzt. Das Experiment wurde auf Tauben und Turmfalken ausgedehnt und ergab die gleichen Resultate. DaS Blau und Violett wurde überhaupt nicht wahrgenommen. Man kann daran? den Scklust ziehen, dast die blauen und violetten Tönungen als Schmuckfarben ausscheiden, und für die Hühner scheint dies im allgemeinen ja auch bestätigt. Insofern geben Forschungen von Heß auch eine Erklärung für das Dominieren der roten, gelben und braunen Farben im Federschumck dieser Vogclartcn; die Unter- suchungen auf andere Vogclarten auszudehnen, würde für den Zoologen zweifellos von weittragendem Interesse sein. Auch die Annahme, daß die Tagvögel im allgemeinennachtblind" sind, wurde durch weitere praktische Experimente erschüttert. Im Gegen- teil zeigte sich bei den Versuchen, dast die Hühner imstande sind, ihre Augen der Dunkelheit anzupassen, und daß diese Fähigkeit der des menschlichen Auges nahezu gleichkommt. Bei Falken und Habichten ist der Verlauf der Anpassung deS Auge? an die Dunkel- heit etwas langsamer, weil ihre Netzhäute mehr Purpur enthalten. Ein überraschendes Ergebnis aber brachte die Ausdehnung dieser Versuche auf die Nachtvögel. Es zeigte sich, dast die schwächsten Licktmassen, deren die Eule bedarf, um ihre Beute zu sehen und zu erhaschen, sich nur sehr wenig von der Lichtstärke unterscheidet, unter der auch das menschliche Auge die betreffenden Gegenstände noch wahrnimmt. Auch die allgemein verbreitete Anschauung von derLichtscheu" der Nachtvögel wird durch die praktischen Forschungen zerstört. Professor Heß stellte mit mehreren Nacht- vögeln Versuche an; nach mehrstündigem Aufenthalt im Dunkel brachte man sie ins Helle, und durch Spiegelung warf man ihnen die Sonnenstrahlen unmittelbar in die Augen. Dabei zeigten sie nicht die geringste Spur von Lichtscheu und schnappten sofort nach den Fleischködern, die vor ihren Augen bewegt wurden. Verantw. Redakteur: Geora Davidkobn. Berlin. Druck u. Verlaa:VorwärtS Buckdr. u. Verlansanitalt Vaul Singer& Co.. Berlin   SW.