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wie auch Jof. B. Jensen, unter dem Zwange feiner innerften Natur, seiner tiefsten Wesenheit. Es gibt aber vielleicht teine größeren wesentlichen Gegensätze, als bei diesen beiden dänischen Dichtern. Jensen schmettert, Bang flüstert; feuerrot glühende Lebensströme rinnen bei Jensen, im blassen Schein leuchtet's bei Bang wie ein stiller Märchensee; Jensen kommt daher wie der brausende Frühlingssturm, Bang ist der Herbst mit seinem sanften Blätter fallen. Da liest man dieses wundervolle Buch Ludwigshöhe und ehe man es sich versieht, ist man ganz umgesponnen und ganz betvegt, es ist, als ob wir in diese Welt des Dichters hineinsänken. D, Leben, du wunderliches, du wonnevolles und schmerzliches! Was geht denn eigentlich vor auf den vielen Seiten dieses Romans? Fast nichts Das Leben der Menschen fließt ruhig dahin, kaum daß es eine Welle schlägt. Ein junges Mädchen verliert durch den Tod ihres Vaters ihre Heimat. Diefe Heimat hieß Ludwigshöhe. Und Ludwigshöhe mit seinen Menschen, Tieren und Bäumen steigt vor dem Leier auf. In zerfließenden Farben und gedämpftem Licht, wie eine schöne Legende. Wie ein vergilbtes, altes Bild, von leiser Wehmut umzittert. Und doch unter dem Schattenhaften, dem weichen, träumerischen Klang eine Wirklichkeit von unbeschreiblichem Reiz, mit all den tausend kleinen Zügen des Alltags überfät. Wie die Leute denken, sprechen, sich benehmen, alles ganz irdisch, ganz bodenständig und realistisch, aber in volle Poesie getaucht. Das Mädchen wird von ihrem Geliebten, der eine Reiche heiratet, betrogen und begräbt ihr Glüd als Krankenschwester. Welch ein banaler Stoff an fich! Aber lest dieses Buch selbst und fühlt mit Entzücken, was ein Dichter für einen Zauber über die Tragit des Alltags gebreitet hat.
Kleines feuilleton.
Geographisches.
Neue Inselstudien. Einige Felseilande, die südlich von den neuseeländischen Inseln mitten im Großen Ozean gelegen sind, haben jetzt zum ersten Male eine gründliche Erforschung erfahren, deren Ergebnisse sich als überraschend wichtig herausstellen. Es handelt sich hauptsächlich um die Snaresinsel, die Aucklandinsel, die ihr dicht benachbarte Disappointmentinsel und die Campbellinsel. Die in Neuseeland erscheinende Lyttelton Times" beröffentlicht einen vorläufigen Bericht über die geologischen, zoologischen und botanischen Erfolge dieser Untersuchungen, die vor allen Dingen den Beweis geliefert haben sollen, daß diese Inseln einst einen Teil des vielbesprochenen antarktischen Kontinente gebildet haben, der sich in einer geologisch noch nicht weit zurückliegenden Beit vom Gebiet des australischen Festlandes über den Südpol hinweg bis nach Südamerika erstreckt haben soll. Obgleich die Wissenschaft schon bisher die Berechtigung dieser Annahme anerkannt hat, ist doch jeder neue Beweis von besonderer Wichtigkeit. Dr. Speight zieht seinen dahingehenden Schluß aus den Gesteinen, die er auf jenen Gilanden gefunden hat, und vor allem auch aus der Tatsache, daß die Inseln früher eine ausgedehnte Vergletscherung besessen haben. Was die Tierwelt der Inseln betrifft, so sind unter den Insekten Fliegen und Mücken am häufigsten. Doch kommen auch einige Käfer und Libellen vor. Von großem Interesse ist die Vogelwelt, der die Forscher außer mit anderen Waffen auch mit dem photographischen Apparat zu Leibe gegangen sind. Ein dem Huhn ähnlicher Vogel von dem Campbellinsel ist noch nicht be= stimmt worden und vielleicht für die Wissenschaft neu. Große Gustav auf Geijerstam: Das Haupt der Medusa . Niststätten finden sich von Raubmöwen( Stua), Krähenscharben, ( Verlag S. Fischer, Berlin .) Geijerstam, der einst seinem schwedischen Eissturmvögeln, Seeschwalben, Albatrossen und auch von Pinguinen. Landsmann Strindberg dicht zur Seite stand, ist längst auf einen Auf der Snaresinsel ist der Reichtum an Vögeln und Seehunden freundlicheren Weg abgebogen. Jns milde Sonnenlicht hat er sich so groß, daß die Forscher den von diesen Tieren verbreiteten Gehingefunden, seine letzten stillen Bücher erzählen davon. Wohl geht stant als fast unerträglich bezeichnen. Nicht weniger fesselnd find durch seine Geschichten noch immer ein weicher Klang, aber die Schilderungen, die Dr. Cockayne von der Pflanzenwelt entwirft, auch ein Lächeln, viel Wärme und Trost. Recht unfried- die als zwar artenarm, aber vergleichsweise üppig beschrieben wird. lich hat der einstige Freund Strindberg den schwer er Besonders auffallend ist eine Pflanze aus der Karottenfamilie rungenen Frieden Geijerstams in seinem pamphletischen Roman und die ansehnlichen männlichen Blüten der orangefarbenen Lilie Die schwarzen Fahnen" erst fürzlich angegriffen. Aus jener ( Bulbinella rossi). Erstaunlich ist die Fähigkeit zu immer neuer Zeit der Stürme, Zersplitteringen und pessimistischen Erkrankung. Selbstverjüngung, die die dortige Pflanzenwelt auszeichnet. Die da für eine ganze Generation, die der achtziger Jahre, die Kunst Tausende und Abertausende von Vögeln werfen sich auf die sterben zu können höher galt, als die Kunst leben zu können, Pflanzendecke und tun ihr Bestes, fie bis auf wenige grüne Flecken stammt der vorliegende Roman. Und der Dichter sagt in seinem Vorwort zur neuen Ausgabe, feins seiner Bücher sei bewegter von zu vernichten. Diese Reste sind der Anwesenheit einer Pflanze zu verdanken, die wohl dem Geschmad der Vögel nicht zusagt. Die allem, was jahrelang in ihm gärte. Aber mit der Niederschrift Folge davon ist, daß diese sonst auf jungfräulichem Boden recht dieser traurigen Geschichte habe er sich auch zu sich selbst feltene Pflanze, die zur Gattung des Pisang gehört, eine ganz zurückgefunden und erneuert. Es ist die Geschichte bon außergewöhnliche Verbreitung erreicht hat, da die Bernichtung der einem tatkräftigen, herrlich veranlagten Menschen, dem im Kampf anderen Gewächse den Boden für sie frei macht. Die Vögel tragen um den Erwerb seine besten Geisteskräfte verkümmerten. Den das Angesicht der Welt voll Erbärmlichkeit und Niedrigkeit zum übrigens selbst zu diesem Vorgang bei, indem sie die Samen an ihren Füßen und Federn verschleppen. Dr. Cockayne bezeichnet Haupt der Medusa wird, das ihn erstarren macht. So versteinert Siese Erscheinung als ein vorzügliches Beispiel dafür, daß eine auch sein Herz, er wird ein schwermütiger Grübler und wirft zuletzt Pflanze von geringer Wichtigkeit in einer vom Menschen nicht bedas leere Leben von sich. Ein inhaltloses Leben wird geschildert, einträchtigten Vegetation eine so starke Verbreitung erreichen und alles wird Inhalt in des Verfassers schlichter Erzählungskunst kann, daß sie geradezu ein Unkraut wird. Geijerstams größter Vorzug, die Ehrlichkeit und Echtheit, offenbart sich schon in diesem vor dreizehn Jahren geschriebenen Buch. Es gibt keinen Aufputz und keine Mache, man wird von der Innerlichkeit gepackt und fühlt, hier ist ein Erleben dabei. So breitet sich auch schon über diesen Roman ein Glanz von des Dichters schönster Kunst: dem gütigen Verstehen oder Zuverstehensuchen der Frrungen und Wirrungen des Lebens.
Giovanni Cena : Mahnungen, Roman. ( Verlag Arel Junder, Stuttgart .) Noch eine Uebersezung aus dem Italienischen, ein Stück Elendsmalerei aus dem Turiner Proletariat. Wenn es nicht eine modische Mystifitation ist, haben wir die Selbstbiographie eines armen Buchdruckers vor uns, dessen Schicksal es war, von den Gesellschaftszuständen mitleidslos zermalmt zu werden. Die Blätter find voller Tendenz, aber auch voller Gefühl und quellender Menschen liebe. Halb Anarchist, halb Utopist, schreibt der Verfasser seine wühlenden Gedanken nieder, hin und hergeworfen zwischen Liebe und Haß. Er fühlt in sich das Aposteltum des Voltsbeglückers, er möchte die Welt erlösen durch irgend eine Tat. Dieser Opfertrieb ist das Leitmotiv des Buches. Und zwischen dem unklaren Erlösungswahn stehen eine Reihe flarer Ideen und Einsichten in die Gesellschaftsordnung, aber auch eine Reihe schwärmischer Idealiſtenträume. Es bleibt unklar am Ende, ob der Verfasser freiwillig oder zufällig in den Fluten umgekommen ist. Aber ein ungemein reiches Innenleben tut sich auf in den Aufzeichnungen. Ein Träumer und ein Held inmitten des grausam unbarmherzigen Lebens oben in der Dachtammerkolonie der Enterbten, analysiert mit bohrendem Grübeln und suggestiver Kraft die Proletarierieele. Die Gährungen in der Seele der meisten Lebensstlaven von heute, die vom Zeid nicht tot, sondern wach, nicht taub und blind, sondern hörend und ſehend geworden ist. Und wenn der Schreiber wirklich nur ein armer Buchdrucker war. muß man Inhalt wie Form seiner Bekenntnisse gleicher weise bewundern. J. B.
Technisches.
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Die drahtlose Telegraphie um die Erde. Die Pariser Akademie der Wissenschaften will zur Förderung der draht= losen Telegraphie und ihrer Anwendung ganz besondere Anstrengungen machen. Nicht nur wichtige wissenschaftliche, sondern auch erhebliche prattische Erfolge fönnten sich aus den Plänen ergeben, deren Seele der Physiker Bouquet de la Grye ist. Auf Antrag dieses Gelehrten ist ein Ausschuß von drei Mitgliedern gewählt worden, zu denen außer ihm selbst zwei der hellsten Leuchten der französischen Wissenschaft gehören, nämlich der Physiker Becquerel, der Entdecker der Uraniumstrahlen und der Mathematiker Poincaré . Dieser Ausschuß soll zunächst untersuchen, ob und auf welchem Wege die drahtlose Telegraphie zur Vornahme von Längenbestimmungen auf See benutzt werden könnte. Erreicht werden soll diese Absicht durch die Errichtung einer Station auf der Höhe des Eiffelturmes, die in jeder Nacht um die Mitternachtsstunde mit elektrischen Wellen ein Eignal geben soll. Diese Maßnahme würde für eine Ausdehnung von Millionen Quadratkilometern diefelben Dienste leisten wie der bekannte Zeitball in den Häfen für deren nächste Umgebung. Jedes Schiff, das für diese Flut von elektrischen Wellen erreichbar wäre, würde dann im Augenblick wissen: Jeßt ist es in Paris 12 Uhr nachts" und danach die geographische Länge feines Ortes sofort bestimmen können. Die Idee erscheint in praftischer Hinsicht und auch für wissenschaftliche Zwede außerordentlich glücklich und hat auch den Mann der nüchternen Mathematik, Profeffor Poincaré , in eine so hohe Begeisterung bersetzt, daß er ge= äußert hat, er fähe keine unüberwindlichen materiellen Hindernisse für die Ausführung des Planes. Zunächst ist die Reichweite der Signale nur auf den größten Teil des Mittelländischen Meeres und einen Teil des Atlantischen Ozeans veranschlagt worden, doch trägt sich de la Grye mit dem Gedanken, es könnte einmal eine Station für drahtlose Telegraphie auf dem Gipfel des Pic von Teneriffa geschaffen werden, deren Wellen dann die ganze Erde umfassen würden.
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Berantw. Redakteur: Georg Davidsohn , Berlin . Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Baul Ginger& Co., Berlin SW.
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