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in die Luft, blidte unablässig auf seinen Pfeifentopf und bewegte die Behenspitzen in den Schuhen vergnüglich hin und her.
Ja, wir haben wirklich ein schönes Winterwetter," stimmte Bulttinen bei.
Kommt der Herr Assessor direkt vom Hause?" fragte Hellman. " Ja, aber ich bin schon hübsch zeitig in der Früh fort." " Sie haben vermutlich eine Menge Vorladungen," warf Bull finen ein.
Ja, auch Berladungen find ein oder zwei Stück dabei." Die Dienstmagd brachte noch zwei Schalen Kaffee herein, eine für Pulkkinen, die andere für den Gutsbefizer.
Gib den Kaffee dem Herrn da," befahl Hellman. Während der Gast trant, fonnte sich der Hausherr nicht enthalten, ihn zu fragen, ob er irgendwie in amtlicher Eigenschaft zu ihm tomme.
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Wilhelm Bufch als Maler.
Vor einiger Zeit erregten zwei Bilder von Wilhelm Busch , bie in München auftauchten, das Interefie der Kunstfreunde. Eingeweihte wußten schon lange, daß Buich als Maler erst noch zu entdecken war und daß die Steffung, die er in der deutschen Kunstgeschichte einnimmt, in seinem zeichnerischen Werk nicht beschlossen ist. Die Sachlage war so, daß Buich den richtigen Malerinstinkt wohl hatte, bon seiner Zeit aber nicht die geistige und fünstlerische Unterstügung erfuhr, die nötig gewesen wäre, um diefes Talent zur Entwidelung zu bringen. Bei dem grüblerischen, zur Einsamkeit neigenden Tem perament Buschs mußte diese Leidenschaft eine Heimliche bleiben. Er war nicht einer von denen, die fich und nur sich fennen und sich und ihre Eigenart burchiezzen. Eo leufte er sein können ab auf das Sondergebiet der Karifatur. Wer feine Ohren hat, wird da leicht Untertöne hören, die von einem inneren Kampf und von leberder windung, von Verzicht und Erbitterung, ja Haß, zugleich aber auch von einem leberwinden und Verstehen aus dieser Mischung tommt das Aggressive und zugleich das Humoristische in Busch erzählen, Die Zeit war nicht reif, und so verfümmerte der Einzelne. Es ist dies wieder eines jener traurigen Stapitel in der deutschen Kultur, die zu denken geben. Wenn der Boden so dürr ist, fann auch der Begabteste nicht Früchte ernten. Es bleibt bei Ansätzen die zugrunde gehen und verfümmern.
Allerdings fomme ich in amtlicher Eigenschaft hierher," verfetzte der Beamte. „ Geh hinaus, Bulffinen," befahl Hellman, damit Herr.
Er braucht nicht hinauszugehen," unterbrach der Affeffor. Jm Gegenteil, was ich hier auszurichten habe, muß sogar in Gegenwart von Zeugen geschehen."
Nun war sich der Gutsbesitzer darüber llar, daß es sich um eine Vorladung handle; dennoch fragte er etwas unsicher:" Bringen Sie mir vielleicht eine Vorladung?"
Der Gerichtsbote schlürfte erst den ausgeschütteten Staffeereft aus der Untertaffe, sette die Schale wieder darauf, legte den Löffel zur Seite, ftellte alles miteinander auf den Tisch, nahm seine Pfeife, die am Tischbein lehnte, wieder zur Sand, zündete sie sorgfältig an, und erst als er ein paar Züge daraus getan hatte, erwiderte er: Ob ich Ihnen eine Vorladung bringe? Jawohl." Und weswegen? m? Handelt sich's etwa um eingeflagte Schulden? Bin ich jemandem etwas schuldig?"
Es handelt sich nicht um Schulden
Der Beamte erhob sich, legte die Pfeife an ihren Plaz am Pfeifenständer und fuhr in trodenem Amtston fort:„ Es handelt fich nicht um eine Schuld, sondern um eine Berleumdung und Ehrenbeleidigung, deren Ihr Euch legten Dienstag im Gemeindehause schuldig gemacht habt. Ihr werdet im Namen des Steuerausschusses vom Hauptmann Steelhammer aufgefordert, nächsten Montag vor Gericht zu erscheinen."
So...?! Wahrhaftig? Hahaha! Wirklich? So! Hm, hm!" ftieß Hellman berwirrt hervor. Beim ersten Anblick des Boten war in ihm allerdings die Bermutung aufgestiegen, daß es sich um diese Geschichte handeln föunte, allein er hatte sich die böse Ahnung rasch aus dem Kopf geschlagen. Jeht traf ihn die Gewißheit wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Aber die vertrauliche und dabei doch würdige Haltung des Be amten hinderte ihn, sich, wie es nach seinem Geschmack gewesen wäre, in träftigen Flüchen Luft zu machen,
Wegen Verleumbung und Ehrenbeleidigung? Schön. Nun möchte ich aber doch in aller Welt wissen, wann ich den Hauptmann je beleidigt hätte!"
Meine Instruktion lautet, Sie bor Gericht au zitieren." " Bildet Ihr Euch vielleicht ein, daß ich auf diese Vorladung hin erscheinen werde? Seid versichert, daß ich das nicht tun ie's beliebt."
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Die Busch- Freunde und alle, die die deutsche Kunst lieben, werden daher aufs höchste erfreut fein von der Nachricht, daß im Nachlaß von Wilhelm Busch eine große Anzahl von Delbildern und Studien gefunden worden sind, die sein fünstlerisches Werden und Streben ganz nen beleuchten. Es find dies Werke von zwar nicht großem Umfange, die aber doch in verblüffender Weise die Energie des Malers zeigen. Im fleinen zeigen diefe Bildchen eine für das damalige Deutschland ganz einzig daftebende Kultur des malerischen Sehens. Wie ein roter Rock als Farbenfled aufs fräftigfte und mit Werve als ganzes vorherricht, wie ein Grau malerisch dazu gestimmt wird und das Ganze doch eine Szene wird, die Genre wäre, befreite fich nicht die Kunst aus dem Gegenständlichen, das ist in diesem ficheren Instinkt verblüffend und für damals unerhört. Dazu kommt bie flüffige Behandlung der Farben, das Gefühl für malerische Delikatesse, die bei aller Entschiedenheit da ist, eine gewisse Großzügigfeit auf fleinem Raum. Vor allem aber und das ist das Enticheidende ein entschiedenes Eindringen zum Künstlerischen, zum Malerischen eines Vorgangs, aus dem, richtig disziplmiert und fortgeführt, etwas hätte entstehen können, das in unserer Straft eine neue Entwidelung hätte anbahnen fönnen. Das aber auch in diesem Fragmentarischen noch seine Größe und Schönheit zeigt, mit ber Kraft eines Torso.
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Diefe Delbilder und Studien fanden sich bei dem Neffen von Wilhelm Buich, dem Profeffor A. Nölbefe in Berben, bei dem Paftor in Mechtshausen , wo Busch seine lezten Jahre verbrachte. Es ist hinzu zufügen, daß in Hannover auch ein Fries von Wilhelm Busch er halten ist.
Diese Bilder werden wahrscheinlich aus der Zeit stammen, als Busch noch in Antwerpen planlos, ohne festes Ziel und Wollen herumging; jedenfalls sind sie Nachwirkungen dieser Zeit. Doch wird. natürlich erst Detailforschung das aufhellen, die nun erst einzusetzen hat. Jener Zeit, von der seine Freunde ihn als nicht besonders fleißig und nur als bummeinden Spaziergänger fennen, der die Schönheit in fich aufnimmt, ohne nach dem Ausnutzen zu fragen. Wer hat Euch eigentlich beauftragt, mir die Vorladung zu Bis er nach München fam. Jener Zeit, von der Busch in einem Eringen?" Briefe eine so feine Schilderung entivirft: " Der Hauptmann."
verde."
" Ich wohnte( in Antwerpen ) am Eck der Näsbrücke bei einem So fagt ihm uur, daß es mir nicht einfallen wird, auf seine Bartscherer. Er hieß Jan und sie hieß Mie. Zu gelinder Abendwerte Borladung zu erscheinen. Er soll sich dieser schönen Hoff- stunde saß ich mit ihnen vor der Haustüre, im grünen Schlafrock, die mung nicht hingeben... Ihr habt Euch ganz unnötig bemüht wahrlich, ganz und gar unnötig herbemüht.
„ Na, nun ist es aber Zeit, daß ich gehe," versezte der Beamte Na, nun ist es aber Zeit, daß ich gehe," versette der Beamte und berabschiedete sich mit einem Handschlag.
Als er die Türe hinter sich zuschlug, machte Hellman eine Bewegung, als ob er ihm folgen wollte. Aber er befann sich eines anderen und wandte sich statt dessen zu Pulffinen.
„ Was meinst Du, Pulffinen? Kann die Sache wirklich Folgen haben?" Jah kenne das Gefeß zwar nicht, aber immerhin fann's sein." " Gch und frag' den Mann, welcher Ansicht er darüber ist. Lauf geschwind, bevor er noch davonjährt. Er bindet schon die Zügel los. Aber tu nicht so, als ob ich Dich ihm nachgeschickt hätte... Frag', als ob es Dich selber interessieren würde."
Während Bultfinen draußen mit dem Beamten sprach, der Fereits die Pferdedede vom Gaul genommen hatte, um sie über ben Sitz zu breiten, bemerfte Hellman die leeren Staffeetassen auf dem Tische. Bütend schoß er aus dem Zimmer und schrie zu den Mägden in die Küche hinein: Weshalb nehmt Ihr denn das Geschirr nicht fort? Was zum Henter ist das für eine Schlamperei? Soll es bis in die Macht dastehen?... Hm? Warum antwortet Ihr mir denn nicht, Ihr Frauenzimmer?"
" Jesus Maria! Ich konnte sie nicht früher holen, weil..." ( Fortsetzung folgt.)
Tompfeife im Munde, und die Nachbarn famen auch hinzu; der schwarzladierten Holzschuhen. Jan und Mie waren ein zärtlich Storbflechter, der Uhrmacher, der Blechschläger; die Töchter in Bärchen, fie dick, er dünn; fie arbeiten auch abwechselnd, pflegten mich in einer Strankheit und schenften mir beim Abschieb in fühlen Jahreszeiten eine warnie, rote Jacke nebst drei Orangen."
Wie diese Schilderung sind die Bilder. Weiche, intime Töne. und plöglich herausleuchtend aus dem warmen Grund die„ rote" Jacke und die drei Orangen", Bon der intimen Malerei der Holländer ist hier für Deutschland eine Verbindung hergestellt mit der modernen Entwickelung, die den Umweg und die Verirrung ins bloß Anekdotische, Situationenhafte ficher vermied und einen Anfang hätte bedeuten können für die Nachfolgenden. Hätte!
Zu dieser Zeit arbeitete Buich bei Lenbach im Atelier; der bcscheidenste Stünstler bei dem Maler, der am meisten sich in Szene zu sepen berstand. Aber während die Bedeutung eines Wilhelm Busch fidh immer fester einprägt, beginnen wir den Werten Lenbachsgegen über fritischer zu werden. Aus der Zeit, in der Busch bei Lenbach malte, gibt es eine ganze Reihe Bilder, die in dem brauniaucigen Atelierton gehalten find, die dabei durch eine feine, malerische Behandlung sich auszeichnen. Diese Bilder sind vornehmlich in Privatbejizz and die Besizer hüten ihre Schäße. And aus dieser Zeit werden manche der Bilder stammen, deren Eigenes in der feinen Beobachtung, der vornehmen Farbenwahl, die auf wenige Nuancen beschränkt ist, in der liebevollen, echt fünstlerischen, nie nachylafsenden Beobachtung bei schnellstem Erfassen und Beibehalten des Wesent lichen, des Gindendemotivs, liegt.
Die Busch Literatur wird durch diese Entdeckung um ein ganz