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neues Kapitel bereichert: Wilhelm Busch als Maler. Die Literatur, geschlachtet oder auch lebendig der Mauer eingefügt wird. Gin die im Verhältnis zu dem Ruhm des Malers so spärlich ist. Es folches Ersaßopfer" ist die Schildkröte des pompejanischen Tem gibt kaum ein Buch über ihn. Die Kunstgeschichten nennen ihn, ver pels; die Schildkröte wählte man wohl, weil dieses Tier lange ohne weilen aber nicht allzu lange bei ihm. Er, der mit seinem Wert Nahrung leben kann und man meinte, der Bauber sei besonders in die weitesten Kreise gedrungen ist, den die Künstler unbedingt wirksam, solange das eingemauerte Wesen lebe. schätzen, der über dem Gegensatz von alter und neuer Zeit steht, der Physikalisches. der Vater der modernen Karikatur und der Schöpfer einer neuen Kunst zu nennen ist, der deutschen Kunst im Ausland Ansehen verschafft hat, ihn verherrlichen keine Werke, die sein Schaffen mit tünstlerischem Ernst behandeln. Es mag das eben daran liegen, daß er mit seinen Werfen, die so staunenswert höchste, reifste Kunst mit Allgemeinverständlichkeit einen, sich die Welt so nachhaltig erobert hat, daß es nicht nötig war, daß der Kritiker mit langen Unters suchungen und Erklärungen dem Werk an die Seite trat. Aber feltsam bleibt es doch, daß in einer Zeit, wo jeder Dugendfünstler seine Behandlung erfährt, über Buich kaum ein Werk eritiert, daß man sich vergeblich nach einer Literatur umfieht, die um jeden einiger maßen bekannten Künster üppig blüht. Und wir dürfen uns nicht verhehlen, daß das Publikum vielleicht nur durch den Wig gefesselt wurde, so daß die ernste Forschung erst einzusetzen hat, die die Künstlerische Handschrift in ihren Elementen feststellt; wozu durch die neue Entdeckung des Nachlasses willkommene Gelegen heit gegeben ist. Man nahm Busch zuerst nur als Spaßvogel; feine Verse, seine Komit verschafften ihm Eingang beim Spießbürger, der gern lachen will. Dann lernte man in ihm die zeichnerischen Gestalter verehren, der mit beispielloser Kühnheit von den Erscheinungen des Lebens das Wesentliche, den Kern in temperamentvollsten Kurven Hinschrieb, mit einzigem Gefühl für die Abstraktion von der Wirklichkeit, das im Grunde eine verblüffende Begabung für stilistische Um deutung bekundete. Dieser Zeichnungen geistreiche Flüchtigkeit und markante Charakteristik richtig zu erkennen, gelang erst der Gegen wart; bis dahin ist die Forschung vorgedrungen. Eine Nervosität in Strichen, Punkten und leren, eine straffe Einheitlichkeit in allem Wirrwarr, eine Ausdrucksfähigkeit in schnellen, huschenden Linien, die uns ganz modern anmuten. An dieses Bekannte schließt sich nun das neue Kapitel: Wilhelm Busch als Maler" an. Aus all dem werden die künstlerischen Lehren erst zu ziehen sein.
Die Bilder und Studien kommen demnächst in München zur Ausstellung. Ernst Schur.
Kleines feuilleton.
Die Verwandlung von Diamanten in Rots. Eine höchst merkwürdige Verwandlung von Diamanten haben zwel englische Forscher, Parsons und Swinton, vorgenommen und in einer der letzten Sizungen der Londoner Royal Society beschrieben. Experimente mit Diamanten find an sich schon nicht besonders häufig, weil es den Gelehrten, die aus irgend einem Grunde Luft dazu verspüren, meist an dem nötigen Kleingeld fehlt, um sich so ja auch längst, daß der Diamant nichts anderes ist als tristalli foftbare Untersuchungen leisten zu können. Uebrigens weiß man fierter Kohlenstoff und daß er bei genügender Hiße einfach zu Kohlensäure verbrennt. Diese lezten Versuche bieten nun aber sowohl in ihrem Verlauf wie in ihrem Ergebnis etwas ganz Neues. zur Behandlung des Diamanten wurden Rathodenstrahlen ge wählt. Der Edelstein wurde in eine luftleere Glasröhre mit zwei kontaven Aluminium- Elektroden gebracht, die abwechselnd unter der Wirkung eines hochgespannten Wechselstroms Rathodenstrahlen genau auf den Diamanten schleuderten. Wenn die Verdünnung der Luft in der Röhre einen bestimmten Grad erreicht hatte, so wurde der Diamant zunächst rot, dann intensiv weißglühend und weiterhin, wenn eine Spannung von 9600 Bolt bei 45 Milliampères erreicht war, schwarz. Bei einer Spannung von 11 200 Volt endlich geschah eine schnelle Bersetzung des Diamanten, der sich er heblich aufblähte und nun in einen Stoff verwandelt wurde, der ganz das Aussehen und die Eigenschaften von gemeinem Rots hatte. Die Temperatur, unter der sich diese sonderbare Wandlung vollzog, wurde auf 1890 Grad bestimmt. Es entwickelten sich dabei auch Gase aus dem Kristall, deren Natur aber nicht mit Sicherheit zu ermitteln war. Das Experiment wurde zweimal wiederholt, beide Male mit dem gleichen Erfolg. Diese neuen Versuche bilden eine dankenswerte Ergänzung zu den klassischen Arbeiten des Ber. liners Physikers, Professor Goldstein, der die Einwirkung der Stathodenstrahlen auf eine große Reihe von Stoffen studiert hat und dadurch zu wichtigen theoretischen und praktischen Resultaten geführt worden ist.
Hoffentlich sind sich die glücklichen Befizer darüber klar, daß ein solcher Besiz Verpflichtungen auferlegt. Wilhelm Busch selbst wollte zwar nicht, daß die Sachen an die Deffentlichkeit tommen sollten. Wenn die Erben diesen Willen nicht akzeptieren, obgleich Busch erst so furze Zeit tot ist, wofür ihnen die Kunstgeschichte dankbar zu sein forschung hat eine so gewaltige Anziehungskraft auf die Gelehrten Die Radium strahlen der Erde. Die Radium. hat, so mögen sie wenigstens dafür sorgen, daß das Material Fach ausgeübt, daß sich schon eine ganz erhebliche Anzahl von Spezia Leuten, berufenen Kunstschriftstellern überantwortet wird und nicht, listen herangebildet hat. Zu diesen gehört Professor Strutt, der die vie so oft in solchen Fällen, Dilettanten, die zufällig zur Bekannt bisher wichtigsten Studien über den Radiumgehalt der verschie Bekannt- listen schaft oder Verwandtschaft gehören; denen dann der Nachlaß eines benen Gesteine der Erdkrufte gemacht hat. Die Ergebnisse seiner berühmten Mannes gut genug ist, ihre eigene, bis dahin unbeachtete neuesten Arbeiten hat dieser Naturforscher jetzt in einem Vortrage Persönlichkeit in den Vordergrund zu schieben. radioaktive Veränderungen in der Erde " gehalten hat. Er ging niedergelegt, den er in der Royal Institution zu London über zunächst auf die Frage ein, wie das Mineral Bechblende, das fast ausschließlich zur Rabiumbereitung benutzt wird, zu seinem hohen Gehalt an diesem merkwürdigen Element gekommen sein mag. In England findet sich Pechblende nur in dem Gebiet von Cornwall als Adern im Granit und Schiefer. Der Granit enthält felbst auch Radium, aber nur im Verhältnis von einem Teil zu einer Milliarde Teilen des Gesteins oder von einem Milligramm zu einer Million Kilogrammen. So winzig dieser Anteil sein mag, so ist doch die Gesamtmenge von Radium, wenn es in diesem ge ringer Verhältnis in der ganzen Erdkrufte bis zu einer Tiefe von 60-80 Kilometern vorhanden wäre, mehr als hinreichend, um die Wärme des Erdinnern zu erklären. Von den Bestandteilen des Granits enthalten oft die Kristalle des Zirkon eine auffallend große Menge von Radium, und bei der Betrachtung unter dem Mikroskop zeigen sich gerade in der Umgebung dieser Kristalle oft merkwürdige Veränderungen in der Farbe. Außer dem Radium kann auch die Gegenwart von Helium im Granit bei gründlicher Untersuchung nachgewiesen werden. Helium und Radium find ferner noch in einer erheblichen Zahl anderer Mineralien entdeckt worden, und wahrscheinlich ist das Helium dabei stets ein Produkt der Umwand. lung des Radium. Einen Zweifel an diesem Zusammenhang tann nur das als Edelstein bekannte Mineral Beryll erweden, das in einer Probe zwar eine überraschend große Menge Helium, aber feine Spur von Radium aufwies. Und nun fommt Strutt zu einem Schluß, der für die Wissenschaft von ungeheurer Bedeutung werden könnte und auch auf das Interesse des Laien seine Wir tung nicht verfehlen wird. Er meint nämlich, daß man möglicher. weise aus dem Gehalt der einzelnen Schichten der Erdkruste an Radium und Helium berechnen fönnte, wieviel Zeit seit der Entstehung dieser Schichten vergangen sei. Die Uhr der geologischen Beit hat ja bisher ein noch unverständlich gebliebenes Zifferblatt, da sich die Länge der einzelnen Berioden in Jahren oder Jahrtausenden nicht hat ausdrücken lassen. Wenn man nun annimmt, daß alles Helium aus Radium entstanden sei und durch Beobach tung bestimmt, in welcher Zeit sich die Verwandlung von Radium in Helium vollzieht, so wäre es denkbar, daß man danach einen Maßstab für das Alter der einzelnen Schichten der Erdkruste nach ihrem Gehalt an diesem Element gewinnen fönnte. Vielleicht wird demnach das Radium, das schon jetzt so viel des Wunderbaren zutage gefördert hat, die menschliche Wissenschaft auch noch dazu befähigen, in das Geheimnis der geologischen Zeiten einzudringen.
Bauopfer im Altertum. Ein über die ganze Erde berbreiteter Aberglauben ist es, daß man einem Bauwerk besondere Festigkeit zu verleihen und es gegen feindliche Einflüsse zu schüßen meint, wenn ein lebendes Wesen, am besten ein Mensch geopfert und in den Bau felbst eingemauert wird. Dieser Glaube, der besonders start auf der Balkanhalbinsel verbreitet ist und zum Beispiel der rumä nischen Königin Carmen Sylva den Stoff zu einer ihrer schönsten Voltserzählungen geliefert hat, war in Italien bisher noch nicht nachgewiesen. Professor A. Mau wies nun in einer Sigung des deutschen Archäologischen Instituts, wie der Kunstchronit" aus Rom geschrieben wird, darauf hin, daß der Unterbau des Fortunatempels in Pompeji einen Hohlraum enthielt, in dem man nichts weiter fand als eine Schildkrötenschale in vier Stüden. Es war also hier als Bauopfer eine Schildkröte eingemauert worden, wie sich auch aus der Anordnung des Quaderbelags noch deutlich erfennen ließ. In Italien mag dieser Aberglaube schon früh in Vergessenheit geraten sein; der römischen Religion war das Menschenopfer überhaupt fremd und wurde nur unter griechischem Einfluß gelegentlich geübt. Da aber bei den alten Griechen Menschenopfer nicht ungewöhnlich waren und in Griechenland wie den Nachbarländern die Voltsüberlieferung vom Bauopfer noch start ist, so wird wohl auch im alten Griechenland das Bauopfer bekannt gewesen sein. Beispiele des Bauopfers aus dem Altertum find allerdings nicht häufig; alle, von denen wir wissen, stammen aus dem griechischen Orient. Gewöhnlich wurde eine Jungfrau ge opfert, die zugleich der Schuhgeist des Baues wurde. So ließ Trajan in Antiochia die Statue des Mädchens, das bei dem Wiederaufbau nach einem Erdbeben geopfert worden war, im Theater als die Thche, die Glücksgöttin der Stadt, aufstellen. Dieselbe Vorstellung liegt noch heute dem Aberglauben des Bauopfers zugrunde. Man schließt einen Menschen in den Bau ein, damit seine Seele darin lebe und nicht entweichen könne Heute ist an die Stelle des Menschenopfers ein Erfazopfer" getreten. Und zwar wird das Menschenopfer entweder nur symbolisch vollzogen, indem man einen Menschen oder seinen Echatten mißt und die das Maß darstellende Schnur einmauert, oder indem man ein Tier opfert, das vorher Berantw. Redakteur: Georg Davidsohn , Berlin.- Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.