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Das Hauptintereffe in der letzten Ausstellung des Kunstsalons Schulte gehört 8ügel. Ein Maler, der sein Lebenlang nichts anderes gemalt hat als Kühe und Schafe. Und der darin eine Erziehung und Entwvidelung durchgemacht hat, die sich in seinem Wert deutlich bekundet. Eine Entwickelung, die parallel geht mit der großen Entwickelung in der modernen Malerei überhaupt: von der genauen, detaillierten Wiedergabe der Einzelerscheinung zur Dars ftellung des Atmosphärischen und des Farbigen, von dem Intereffe des Inhaltlichen zur Prägung der großen, malerischen Form.
Deutlich grenzen sich in diesem Lebenswerk, das hier in über sechzig umfangreichen Bildern vor uns steht, bier Entwickelungsperioden ab, die ein Fortschreiten zu immer Größerem und Höherem befunden, die auch zeitlich diese Aufeinanderfolge, die Werte gibt, innehalten.
Zuerst die fleinen genauen, ein wenig mühsamen Tierstudien, bei denen der Blick über das Einzelne nicht hinweggeht. Vorstudien, Taftversuche, Lernübungen. Ein Tier von allen Seiten betrachtet, ohne Rücksicht auf bildlichen Zusammenhang; ein Nebeneinander, mit unendlich liebevoller Bersenkung ins Einzelne.
Dann die Stimmungsbilder. Klein, einheitlich. Herden, die nach Hause ziehen; die gesammelt als Masse leuchten, auf deren Fellen flimmernd die Lichter spielen; eine dunkele Figur, der Hirt. Ruhige Landschaft, Ebene rahmt diese stille Erscheinung ein.
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Hans Unger stellt bei eller u. Reiner aus. Ein Talent, das zum Dekorativen strebt, das zuweilen noch im Konben tionellen steden bleibt, in der Farbe süßlich, in der Linie charakterlos bleibt, das aber doch Eigenart befizt. Diese streng aufgefaßten weib lichen Köpfe haben Größe und Herbheit. In großen Flächen und schönen Linien baut sich solch Bildnis auf. Nur das Farbige müßte noch zurückhaltender sein, nicht so bunt. Es ist in der Kompofition eine wohltuende Ruhe und ein Hinstreben zum Einfachen.( Manch mal, wenn in den Farben zu sehr gemanicht ist und Pose die Größe ersetzen soll, denkt man an Lenbach). Noch markanter fommt das Große zum Ausdruck in den Zeichnungen, Köpfen, die streng auf gefaßt sind und in ihrer Herbigkeit den Geist antifer und talie nischer Formenschönheit ahnen lassen.
Auch in den Landschaften kommt dieses Streben zu großem kons zentriertem Ausdruck heraus. Namentlich in den Stilleben. Lila Aftern, Rosen vor Grau, Blumen in Sonne hier ist ein Wille erfennbar, die Natur dekorativ zu erhöhen, um ihrem eigentlichen Wesen nahe zu kommen, was in unserer Zeit von Bedeutung ist.
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Das Glasgemälde zeigt die alten Vorzüge des Künstlers, der mit westfälischer Zähigkeit er stammt aus Münster i. W. seiner Eigenart, die seltsam aus Altem und Modernem gemischt ist, festhält. Was gut daran ist, die tiefe, warme Sattigkeit der Farben, hat Lechter von den alten Glasfenstern übernommen. Die Danach im Technischen eine Erweiterung, die das Jdyllische Empfindungsnote, das inbrünstig Wagnerische, ist die moderne wegnimmt. Es erweitert zum Großflächigen, Malerischen. Wieder Zutat. Bewunderungswürdig in technischer Beziehung ist die feine tritt das Einzeltier hervor. Nun sind es Kühe, die mit ihren breiten, Nuancierung der Farbtöne, die nur durch sorgfältigste, genaueste schwarzen, weißen, gelben Fleden in der Sonne, am Bach Arbeit möglich ist. stehen, unter Laub hervorleuchten. Das Lichtbolle, Prächtige lernt der Maler geben. Das Einzeltier bleibt Mittel, wird nicht Selbst zived.
Was bei Lechter immer imponiert, das ist das ernste Bemühen, mit dem der Künstler zu seinem Wesen bordringen will. Das Einzelne mag Widerspruch erwecken. Das Ganze ist eine geschlossene Und wieder eine Stufe höher. Eine großzügige Monumentalität Erscheinung; aus Altem und Neuem übersichtlich gemischt, indem das Tag in diesen legten Versuchen im Kern. Die wird nun in großen alte westfälische Milieu beherrschend in seiner Tradition fortwirkt, Werken mächtig gestaltet. Kühe, die pflügen; verdampft; Morgen- während die neue Umgebung Berlins modernes Empfinden weckt. licht sprüht auf dem Ader. Kühe, die durch eine Furt majestätisch- Höchstens könnte man einwenden, daß in beidem dieses Talent ruhig waten. Das Jdyllische ist ganz entfernt. Größe im Ganzen dauernd zu nachgiebig ist und sich nicht erweitert. Zeichnungen. überall. Eine Wahrheit und Schönheit, die ganz Natur bleibt und Studien. Dann Buchschmuck, in dem der Künstler von der einzelnen doch im Technischen eine neue, freie Form gewinnt. Man denkt an Type, deren Fügung er ordnet, bis zum freien Ornament vordringt. Segantini . Das, was Bügel bersagt schien, ist hier erreicht. Und Dann malerische Stilleben. Man fann ersehen, wie der Künstler es ist bewunderungswürdig, daß gerade diese legten, reifen bestrebt ist, fein Gebiet zu erweitern. Jm Grunde aber bleibt er Werte seinem Schaffen die Krönung geben. Auf einem kleinen eine funstgewerbliche Begabung, der es nicht gelingt, in freier GeSpezialgebiet ist eine Entwickelung von ganz persönlicher Art bärde sich auszugeben. zum allgemeinen erweitert. Die Natur ist das Vorbild. Ihre Steigerung ins Wesentliche ist das Schaffen des Künstlers. Man beschuldigte Zügel, wenn man einzelne Bilder hier und da sah, der Monotonie. Nun sieht man, daß Disziplin und Erziehung dieses Können auf diese Motive beschränkte. Und die Uebersicht zeigt, daß dieser Weg der rechte war.
Nach dem alten Berlin führt eine reiche Kollektion von Werken des Karl Steffed, der Liebermanns Lehrer war. Alles kleine, feltene Bilder von einer eigentümlichen Enge der Auffassung. Aber doch von einer Bescheidenheit und Freiheit, die Achtung erivedt. Seine Force lag im Reiterbild ; auch hier das fleine Format. Der bescheidene Realismus fnüpft an die Tradition, die mit Franz Krüger anhebt. Die Farben haben oft eine diskrete, alte Vornehmheit und Schlichtheit. So daß man fühlt: ein begrenzies Talent, aber doch ein Talent mit eigenem Sehen und solidem Können.
Eine Ausstellung von Originalen der„ Berliner Illustrierten Beitung schließt sich an und zeigt, daß eigene Art auf diesem Gebiet noch nicht gewonnen ist. Das Photographiemäßige herricht vor. Weder im Technischen, in der Führung der Linie, besondere Eigen art, noch im Inhaltlichen, im Motiv Charakter. Die Arbeiten dekorativ- zeichnerischer Art von A. Schmidhammer Christophe, Backerle, die charaktervollen Tierbilder von Käte Dishausen- Schönberger, die menschliche Schwächen in Tierdarstellungen geißelu, wären zu nennen.
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Die Zeichnungen und Studien find sorgfältig und genau, dabei doch oft trocken und wenn nicht der moderne Gefühlsinhalt in der in alter Weise stilisierten Gebärde wäre, so würde man ihnen das Akademische anmerken; doch unterscheidet sich Lechter von den Akademikern durch die unentwegte herbe Stiltreue seiner Schöpfungen; sie haben nichts Flaues. Wo aber Lechter zur Freiheit rein fünft lerischer Schöpfungen strebt, fonnt er zu einer oft äußerlichen Symbolit, die ebenso ein Reft alter Tradition ist. Er ersetzt die eigene Kraft durch feste Symbole, die statt seines mangelnden Stömiens reden sollen.
Strebt Lechter hier zu einer Erweiterung, so will er auch auf. dem Gebiet des dekorativen Buchschmucks sich bereichern. Aber auch hier gelingt ihm das nur auf äußerem Wege. Er strebt SchwarzWeiß- Wirkung an; er füllt weiße Flächen mit schwarzen LinienBerschlingungen wie Beardsley ; und seine stilifierten, ergriffenen Figuren haben oft die naib- staunende Gebärde von Fidus . So empfindet man auch die beiden fleinen Stilleben, eine fchwarze Bronze mit Glanzlichtern, eine Muschel und auch das fleine Porträt einer Dame in Grau mit dem zartvioletten Kissen im Hintergrunde nicht als eine selbständige Schöpfung, sondern als ein Mittel zum Lernen, als das Verwerten einer Anregung; als einen Verfuch, der anderen besser und eigener gelungen ist. Für Lechter stedt ein Erziehungswert darin, ein Hinstreben zu malerisch freiem Sehen, was man namentlich im Hinblick auf die geschmacklose Buntheit der beiden katholisch religiösen Bilder als angenehm empfindet.
Das„ Künstlerhaus" zeigt eine umfangreiche Kollektion von Werken Karl Leipolts. Fast ausschließlich Seestücke von einer eigenen Erscheinung. Der Künstler gewinnt aus den atmosphärischen Die lezte Ausstellung des Salons Cassirer gehörte E. R Werten der See mit ihrer großen Räumlichkeit, ihrer Weiß. Weiß kommt von der Graphik her, das merkt man auch zarten, wäfferigen Abtönung die Mittel 311 einer feinen, feinen Bildern an. Bewundernswürdig ist sein Drang, sich zu er leichten Darstellung, die fich über das Tatsächliche erhebt. weitern, sein Talent zu erziehen. Er sucht sich die besten Lehrmeister Graue Schiffe mit dunkley, weißen und roftroten Segeln vor weiß aus, Manet , Cézanne , Gogh. Er gehört zu einer neuen Generation, lichem Abendhimmel, sehr frei und eigen in der diskreten, grau denen gegenüber Liebermann schon zu den Alten zählt. abgetönten Erscheinung, dann breite, schwere Kähne, wuchtig schwan- Weiß will malerisch sein; er erzieht sich dazu. Er kommt aber fend auf dem feuchten Element, deffen füffige Farbigkeit im Gegen- von der impreffionistischen Haltung weg zu einer breitflächig- dekorativen faz zu diesem Kompakten vorzüglich herauskommt. Ein Spielen Erscheinung, deren Wert in einer äußerst feinen Auswahl der Farbe und Verändern und Strömen in der Luft, in den Wolfen. So liegt. In dieser Beziehung liefert Weiß Resultate, die schon als lebt immer der Wille, etwas Eindringliches aus der Natur solche, da fie den Stand der Entwickelung kennzeichnen, bis zu einem herauszuholen. Eine andere Kategorie stellen die Szenerien gewissen Grade immer intereffieren. Das Bewußt- Künstlerische, Stilvon Benedig dar. Die Paläste mit ihren Fassaden, die suchende imponiert. Intelligenz und Geschmack paaren sich in ihm. edelsteingleich schimmern, mspielt bon Teichter. strablender Manchmal, wie in den Landschaften z. B., vermißt man UrsprüngLuft am Wasser. Ein Vibrieren der zartesten Farben, die das lichkeit; aber sie wollen auch nicht ursprünglich sein, es ist das Architektonische ganz auflöten. In schleierhafter Feinheit baut sich Bildmäßige so bewußt geformt, daß der Eindruck des Gemachten ob von den einsamen Wassern, den dunkelblauen Abendhimmeln wie waltet. Bei den großen Alten, die er ausstellt, hat er sich Hofers eine Bision diefe Schönheit auf. Die Farben sprühen wie ein dekorative Art zum Borbild genommen. Diese Atte haben andere Feuerwerk, beffer gemalt.
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